laut.de-Kritik

Die Südtiroler machen keinen Nazi- sondern Narzissten-Rock.

Review von

Frei.Wild wollen wieder den Zankapfel der Republik geben, "Still" liegt in den Regalen. Gleichwohl: Provokation war gestern, die Luft ist raus. Ihre Zeilen und Töne haben die Südtiroler deutlich bereinigt. Übrig bleibt die Langeweile einer musikalisch wie textlich gleichermaßen hervorstechenden Mittelmäßigkeit, die ohne den notwendigen Skandal nicht die kleinste Spur einer eigenen Kontur übrig lässt. Die Gähnplatte des Jahres.

"Jeder schreit so laut er kann!" Ja, vor allem der unbefangene Hörer schreit vor Schmerzen. Denn das Gesamtbild kommt alles andere als stimmig. Frei.Wilds Problem ist schnell ausgemacht: Ein polierter, pseudospielerischer Anspruch mit Halbakustischer, etwas mehr Percussion, angedeutetem Blues hier und etwas Ska dort gaukelt halbherzig eine in Wahrheit nicht vorhandene Entwicklung vor.

Doch auch diese Andeutung geht vollkommen unter. Jeder Ansatz ersäuft im Irrglauben, die Musik passe zu den extrem grobmotorischen Monstervocals im verkrampft ordinären Textgewand. Immer und immer wieder dasslbe Schema F aus dem Baukasten.

Bestes Beispiel ist der Kernsong "Das Land Der Vollidioten". Das Arrangement ist im Grunde nicht so übel und könnte allein wegen der Gitarrenarbeit samt Pianotupfer als echter Partytrack funktionieren. Aber was die Band mit ihrer Hände Arbeit aufbaut, reißt sie mit der ebenso flachen wie grossen Klappe leider wieder ein - mit tausendfach gehörtem Gröhlrock. Deutlichkeit und Ehrlichkeit wird auf Albumlänge einmal mehr über reine Kraftausdrücke wie "angeschissen, "gefickt" oder "Arschgesicht"" etc. transportiert. Das ist bei immerhin 16 Songs als Konzept schon etwas dürftig.

Wie glaubwürdig ist eine Zeile wie "Wir sind Opfer", wenn man sich das polarisierende Onkelzmodell selbst zum Kasse klingenden Geschäftsmodell entwickelt? Ebenso wenig spannend ist eine Band, die narzistisch im Grunde nur sich selbst zum Thema macht. Alles bleibt bipolar. Lagerdenken und Selbstmitleid machen das destruktive Bild rund. Nein, Frei.Wild machen keinen Nazirock, sondern Narzisstenrock.

Die große Outlawrevolution verkommt auf diese Weise zum schnöden Gequengel aus der Millionenseller-Ecke verwöhnter Rockstars. Im Grunde spielen sie dasselbe als Aufklärung getarnte Provo-Schmierentheater wie ein Bushido, nur eben nicht mit von Dimmu Borgir geklauten Gitarren.

Es bleibt zu hoffen, dass sie eines Tages aus dieser erstickenden Ecke heraus finden. Das Talent zum Gassenhauer steckt zwar in den Kinderschuhen. Doch Lieder wie das auf evil Matthias Reim gebürstete "Wer Weniger Schläft, Ist Länger Wach" zeigen, was mit Gezupfe, Gassenhauerei und einem ansprechenden Rhythmus möglich wäre. Immer, wenn sie für ein paar Sekunden mal der Musik dienen und nicht dem künstlichen Märtyrertum nachhängen, wird es erträglicher. Ein wenig zumindest.

Doch der Lichtblick währt nicht lange. Bei "Zeig Große Eier Und Ihnen Den Arsch" macht der Marktschreier-Gesang als Abziehbildchen der Neuen Deutschen Härte bis In Extremo ("Medley Still, Unverzerrt Und Hart Besaitet") deutlich, wie weit der Weg noch ist, bis man so was wie Atmosphäre überhaupt erahnen könnte. Allein das melancholische "Heiße Kälte" macht die Tür einen Spalt breit in jene Richtung auf, die mehr Degen als Bihänder ist. Am Ende bleibt von dieser Scheibe leider nicht mehr hängen, als das zerfahrene Bild einer künstlerisch unentschlossenen Combo, die ihre musikalische Unsicherheit in brüllende Plattitüten verpackt. Eine verschenkte Chance.

Trackliste

  1. 1. Ein Erster Stiller Gruß (Still-Intro)
  2. 2. Für Immer Anker Und Flügel
  3. 3. Allein Nach Vorne
  4. 4. Verdammte Welt
  5. 5. Eines Tages
  6. 6. Irgendwer Steht Dir Zur Seite
  7. 7. Das Land Der Vollidioten
  8. 8. Lügen Und Nette Märchen
  9. 9. Es Gibt Nicht Nur Den Einen Weg
  10. 10. Wer Weniger Schläft, Ist Länger Wach
  11. 11. Zeig Große Eier Und Ihnen Den Arsch
  12. 12. Heiße Kälte
  13. 13. Medley Still, Unverzerrt Und Hart Besaitet
  14. 14. Mehr Als 1000 Worte
  15. 15. Was Du Liebst Lass Frei
  16. 16. Ein Letztes Lautes Auf Wiedersehen (Still-Outro)

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36 Kommentare mit 227 Antworten

  • Vor 11 Jahren

    bei Eisregen funktioniert das ganz gut. seitdem eisregen keine texte mehr veröffentlichen wars das mit indizierungen. auch wenn 1000 tote nutten in X.akt die gleiche kerbe schlägt wie futter für die schweine damals :koks:
    Ansonsten is der indizierungsantrag lächerlich und wohl nur der tatsache geschuldet, dass der behinderte kuban seine hackfresse in wirklich jede kamera gehalten hat und gesagt hat "frei.wild propagieren hass (oder wars "gewalt"??) auf anders denkende"
    ich kenn (anarcho) punk songs die um einiges deutlicher und stärker zur gewalt bzw hass gegen anders denkende aufrufen als frei.blöd... man tut sich da auch im linken spektrum keinen gefallen, wenn man da ne indizierung durchboxen will.

    • Vor 11 Jahren

      Es gab da ja auch linksradikale Punkbands, deren Songs in den 80ern auf den Index gelandet sind beziehungsweise entsprechende Textpassagen mit einem *PIEP* überblendet wurden (z.B. Slime, Normahl oder Toxoplasma).

    • Vor 11 Jahren

      Hat damals auch nur der Popularität geholfen...

    • Vor 11 Jahren

      natürlich. und es war schon damals scheisse. zensur is allgemein scheisse... auch wenn ich ein bisschen nachvollziehen kann, warum M&E nicht abhitlern dürfen :koks: aber zu kommen mit dem argument das verbreite "hass/gewalt gegen anders denkende" öffnet die büchse der pandora :suspect:
      punks, (thrash, black, death) metaller, alternative kiddies, hc-ler, gangsta/psycho/horror-rapper, psychobillies, horror-billies, OIs, alternativ metaller uvm verbreiten alle hass auf anders denkende... das würd völlig ausufern... :|

    • Vor 11 Jahren

      solange niemand "kuban" mit "kubanke" verwechselt, bin ja froh....

    • Vor 11 Jahren

      Zensur kann nicht die Lösung sein. Allerdings alles ungefiltert auf die Masse loszulassen ist vielleicht auch bedenklich. Aber wo soll man Grenzen ziehen? Zensur ist auch immer ein Phänomen der Zeit. Wenn ich überlege, dass man sich damals über den "Netten Mann" von den Onkelz, "Geschwisterliebe" von den Ärzten oder "Jeanny" von Falco aufgeregt hat und über Zensur nachgedacht oder diese vollzogen hat. Darüber würde man heute nur lachen... Oder Copkiller von Bodycount... Naja, gibt genügend Beispiele. "Die Freiheit der Wölfe ist der Tot der Lämmer"... Alles hat sicherlich seine Grenzen. Ob da FreiWild darunter fällt, mag ich nicht zu beurteilen. Ich habe da einfach keine Lust, hineinzuhören. Wenn ich Prollrock auf Deutsch hören will, dann sind mir Pöbel&Gesocks viel lieber... ;-)

  • Vor 11 Jahren

    0815 geschrammel für das dümmliche Volk !

  • Vor 9 Jahren

    Kann die schlechte Bewertung gar nicht nachvollziehen. Es ist vielleicht nicht ihr bestes Album, aber wenn man mal schaut, was auf dieser Seite sonst hohe Bewertungen einfährt. Einfach ein schlechter Witz. Ich denke der Tester versteht auch einfach nicht, um was es bei Frei.Wild geht.

    Das Land der Vollidioten ist natürlich ein drastischer Song. Aber ich finde mich, wie viele andere auch, einfach in ihm wieder.

    Vier Punkte für das Album und ein klares "Setzen Sechs!" an den Autor.

    • Vor 9 Jahren

      Sancho, nimm mal schön weiter dein Citalopram, sonst findest du dich bald allerhöchstens im Darmtrakt eines Otters wieder, den ich mit den Worten "Setzen, Sex", auf deinen Schoß setze.

    • Vor 9 Jahren

      Sancho, Citalopram, Otter? Hä? Kann dir beim besten Willen nicht folgen und was hat das mit der, meiner Meinung nach ungerechten, Bewirtung des Albums zu tun?

    • Vor 9 Jahren

      Die Bedienung hatte halt einen schlechten Tag.

    • Vor 9 Jahren

      das profil ist insgesamt so klischeehaft dass es nur ein schlechter troll oder sancho sein können

    • Vor 9 Jahren

      hach ja... citalopram... vergangene und unschuldige zeiten

    • Vor 9 Jahren

      Schon ein seltsamer Haufen hier. Wenn ihr euch nicht über das Album austauschen wollt, dann lasst es halt einfach.

    • Vor 9 Jahren

      Tippe auf Sodi. Der alte Schelm.

    • Vor 9 Jahren

      Im Übrigen:

      http://www.musikiathek.de/frei-wild-neues-…

      Im Frühjahr kommt ja das neue Album und "Opposition" und wenn es hält was "Wir brechen eure Seelen" verspricht, wird das erneut ein ganz großer Deutschrock-Wurf. Also ich freu mich drauf.

    • Vor 9 Jahren

      Die ungerechte Bewirtung des Albums. :D

      Ja, ja, der Patriot.

    • Vor 9 Jahren

      Gut ich habe einen Schreibfehler gemacht, haha sehr lustig.

      Auf das Album oder die Band gehst du aber auch nicht ein. Wahrscheinlich kennst du die Musik gar nicht und willst nur auf meine Kosten lachen. Etwas erbärmlich finde ich das ja schon.

    • Vor 9 Jahren

      Ey, digga, dein Ernst?
      Das zweite Mal, dass ich einen Kommentar von dir sehe mein lieber @Patiot. Das zweite Mal nur Scheiße. Wer soll sich in der Kacke wiederfinden? Ich kenne da niemanden. Und die Texte sind ja nicht mal lustig, wie die der Böhsen Onkelz es mal waren.
      Berechtigt, dass gute Bands wie Kraftklub oder die Ärzte nicht in einem Atemzug mit denen genannt werden wollen. Auch nicht bei einer Preisverleihung.
      Und ichfinde es jetzt nicht gut von dir, hier andere Kritiken in den Dreck zu ziehen. Schau dir mal die Kritiken von Phoenix an und hör dir ihre Alben an. Mindestens zehntausend mal besser als Frei.Wild.

    • Vor 9 Jahren

      Ich habe bereits mehrmals klargemacht, was Frei.Wild ausmacht. Der druckvolle, innovative Deutschrocksound und das Besingen der Lebensrealitäten junger Südtiroler wie auch anderer junger und nicht so junger Menschen.

      Ich würde den Spieß mal umdrehen. Du glaubst doch nicht, dass sich eine Gruppe wackerer Musikanten wie Frei.Wild in einem Atemzug mit einer senilen Spaßkapelle wie den Ärzten oder linksfaschistischen Luschen wie Kraftklbub genannt werden will.

      Werde erstmal etwas älter und begreife, dass es noch viel gute Musik abseits deines kindlichen Fantums gibt. Gerne gebe ich dir auch mal den ein oder anderen Tip.

      Waidmanns Heil derweil.