laut.de-Kritik
Belle & Sebastian suchen den Superstar. But: Females only!
Review von Michael SchuhStuart Murdoch hasst die Bezeichnung Musical für sein Projekt God Help The Girl. Es sei vielmehr die lange angedachte Vertonung einer zum Drehbuch angewachsenen Kurzgeschichte, deren Entstehung derzeit verfilmt wird. "Eine in Musik umgesetzte Story", so der Initiator, "beeinflusst von zauberhaften Girl Groups."
Unnötig zu erwähnen, dass dem Belle & Sebastian-Kopf für das Konzeptalbum drei ebenso zauberhafte Chanteusen zur Seite standen, die alle veritable Belle & Sebastian-Covergirls abgeben würden. Und siehe da: eine war es schon. Hauptsängerin Catherine Ireton posierte auf der "White Collar Boy"-Single.
Dagegen kam die Berlinerin Alexandra Klobouk eher über Umwege zu ihrem Job. 2004 gewann sie den deutschen Label-Contest zum B&S-Album "Dear Catastrophe Waitress", der die schlechteste Kellnerin Deutschlands suchte (tatsächlich verlor sie daraufhin ihren Job!). Celia Garcia antwortete dagegen ganz altmodisch auf ein "Sängerinnen gesucht"-Inserat Murdochs.
Gemeinsam mit weiteren Backgroundsängerinnen vertonen die Damen die Geschichte der heranwachsenden Protagonistin Eve, deren Lebenslust immer wieder hart auf die Probe gestellt wird.
Zunächst verdaddelt sie aufgrund eingehender Recherchen im Nachtleben ihren College-Abschluss, dann verliert sie enge Freunde, isoliert sich zusehends, bevor sie von ihren Eltern mit Magersucht in eine Klinik eingeliefert wird (kein allzu realitätsfernes Szenario, Heidi Klum-TV sei Dank). Dort unten angekommen, kämpft sich Eve Stück für Stück wieder ins Leben zurück.
Die dem Plot innewohnende Melancholie schreit förmlich nach einem Mann wie Murdoch, der mit "Act Of The Apostle" und "Funny Little Frog" noch zwei wunderbare Songs des "The Life Pursuit"-Albums mitbrachte.
Ireton, mit zehn Songs die eigentliche Stimme des Projekts und daher auch (erneut) Covergirl, dürfte keine Probleme haben, mit ihrer glockenhellen Stimme das Herz aller B&S-Fans binnen Sekunden zu öffnen, selbst wenn man bei manch mehrstimmigen Harmonien gelegentlich an ABBA denken muss.
Dagegen unterstreicht besonders Brittany Stallings' breitbeinig vorgetragene Soul-Version von "Funny Little Frog" die große Distanz zu Belle & Sebastians unprätentiösen Vokalistinnen.
Gleichwohl bleibt Murdochs Signatur klar erkennbar. Auch der Anstrengung eines Konzeptalbums entgegnet er mit souveränem Songwriting, das sich wie gewohnt nicht recht zwischen 80er Indie-Pop und 60s Girl-Pop entscheiden mag. Dabei meint man das kecke Grinsen des Schotten vor sich zu sehen, wenn er vermeintlich genuin weibliche Fragestellungen aufwirft, etwa "How should I wear my problem hair?"
Den Anstrich eines Musicals verleiht der Platte neben den verschiedenen Sängerinnen letztlich vor allem das fabelhafte, 45-köpfige Orchester unter der Leitung des Filmmusikkomponisten Rick Wentworth. God Help The Girl ist jedoch ohne Probleme als reines Musikerlebnis zu genießen, verzichtet es doch auf gesprochene Interludes, wie man sie von Soundtracks her kennt.
Dabei gelingt es Songs wie "Come Monday Night" oder dem Neil Hannon-Duett "Perfection As A Hipster" mühelos, sich in den Kanon großer Murdoch-Kompositionen zu integrieren. Die Verfilmung des Casting-Projekts trägt übrigens den Titel "Girl Singer Needed".
5 Kommentare
An Musicals denkt man höchstens, wenn es um Geschenke für betagte Verwandte geht - bis jetzt. Schon seit fünf Jahren arbeitet Stuart Murdoch an einer Musicalverfilmung, jetzt hat der Chefdenker von Belle & Sebastian zumindest die Musik fertig - und hielt den Aufwand auch nicht gerade klein: "God Help The Girl" wurde mit einem 45-köpfigen Orchester eingespielt, und um passende Sängerinnen zu finden, veranstaltete Murdoch sogar öffentliche Castings. Letztlich durfte Catherine Ireton von der schottischen Band The Go Away Birds den Großteil übernehmen, für "Perfection as a Hipster" bekommt sie mit Divine-Comedy-Mastermind Neil Hannon einen prominenten Unterstützer, und Murdoch singt bei zwei Songs selbst mit. Natürlich klingt alles etwas glatter und orchestraler, doch Songs wie die Single "Come Monday Night" wären auch auf einem regulären Belle-&-Sebastian-Album denkbar, zumal mit "Act of the Apostle" und "Funny little Frog" auch zwei Songs vom Album "The Life pursuit" neu arrangiert vertreten sind. Wer sich trotzdem nicht zu Musicals bekennen will, kann den Soundtrack natürlich heimlich hören. (cs)
01. Act of the Apostle
02. God Help The Girl
03. Pretty Eve In the Tub
04. A Unified Theory
05. Hiding Neath My Umbrella
06. Funny Little Frog (http://godhelpthegirl.com/audio/funnylittl…)
07. If You Could Speak
08. Musician, Please Take Heed
09. Perfection as a Hipster
10. Come Monday Night (http://aolradio.podcast.aol.com/aolmusic/m…)
11. The Music Room Window
12. I Just Want Your Jeans
13. I’ll Have to Dance With Cassie
14. A Down and Dusky Blonde
19. Juni 09
ganz feines album, ihr ignoranten!
benny
find ja eh dass drüben im exil zu wenig über musik geredet / geschrieben wird.
James Last meets Indiepop
Ich hörs gerne, aber heimlich.
reingehört und für gut befunden.
wo sind die belle & sebastian-fans?