laut.de-Kritik
Dank Metal erholt sich hier keiner.
Review von Jürgen LugerthIn Metal-Germanien ist Fan-Treue eine der höchsten Wertvorstellungen, auf welche die hiesige Gemeinde stolz ist. Durch diese beharrlich sture Haltung ihrer Anhänger haben deutsche Hartwurst-Kapellen aus fast schon prähistorischen Zeiten bis heute beachtlichen Erfolg - ohne ihr Rezept groß modifizieren oder gar neu erfinden zu müssen. Was dem einen sein Rock'n'Rolf, ist dem anderen sein Boltendahl. Könnte man sagen.
Und so poltern nicht nur Teutonen-Metaller wie Helloween, Running Wild, Rage, Accept oder deren abtrünniger Ex-Frontmann Udo Dirkschneider von Platte zu Konzert zu Jubiläum, sondern auch die unerbittlichen Totengräber aus der Ruhrpott-Metropole Gladbeck. Ob das neue Album "Healed By Metal" ein rundes oder einfach noch ein weiteres von Grave Digger darstellt, ist deshalb unwesentlich. Es bleibt auf jeden Fall ein echtes und typisches Produkt dieses unverwüstlichen Fünfers. Das zeigt schon das wie immer bunt martialische Sensenmann-Cover, das man auswendig lernen muss, das man schon genau ansehen muss, um es nicht mit dem einen oder anderen aus der Bandgeschichte zu verwechseln.
Damit dürfte fast schon alles gesagt sein: Pflichtkauf für treue Vasallen. Und dann rein ins Gemetzel: Wie es sich für eine ordentliche deutsche Heavy-Band gehört, beginnt "Healed By Metal" mit dem Stück "Healed By Metal", das sofort mit markigen "Healed By Metal"-Chören startet, damit es auch jeder kapiert. Dazu wird breitwandig gerifft und gestampft, und Chris Boltendahls schon etwas strapaziertes Reibeisenorgan kämpft wacker gegen den Wall Of Sound an, der im Hintergrund ein ordentliches, aber sehr konventionelles Rock-Inferno entfacht. Alle Regler auf Zehn. Gut, die mit alternde Fangemeinde hört vielleicht nicht mehr so gut. Oder hat vergessen, die Ohrstöpsel vom letzten Konzert rauszunehmen. Ganz nebenbei: Das Titelstück klingt verdächtig nach dem Gassenhauer "The Stroke" von Billy Squier.
Wie auch immer, so geht das zehn Stücke lang weiter, mal schneller, mal etwas langsamer. Mit einer Menge Riffs aus dem Judas Priest-Fundus, beispielweise bei "Free Forever" (oder auch mal aus der eigenen Vergangenheit), bollernden Drums und einem Sänger, der ständig gegen den Lärm und die draufgesattelten Raubein-Chöre anschreit. Irgendwann, im neunten Stück, brüllen die Jungs sogar "Halleluja". Man fasst es nicht. Aber das dürfte auch der etwas feinsinniger veranlagte Heavy Metal-Freund kurz darauf erleichtert ausrufen, wenn das traditionelle Geholze nach "Laughing With The Dead" zu Ende ist.
Fazit: Hier wird durch Metal keiner geheilt, das ist sicher. Dazu fehlt es an überraschenden Momenten und Raffinesse. Aber wer erwartet das von den Totengräbern schon? Mit ihrer "Heavy Metal Breakdown" haben Grave Digger im Prinzip schon im Jahre 1984 alles gesagt. Man kann der Band nur zu ihrem Durchhaltevermögen gratulieren. Aber unbedingt hören muss man sie nicht mehr. Ach ja: Der Digipack beinhaltet noch zwei Tracks mehr.
4 Kommentare
Das Album macht spaß und hat mich unterhalten.
Ein Album muss nicht immer etwas neues aufweisen.
Für mich mindestens 3/5
Das ist wirklich reaktionärer Grützmetal. Hab aus Interesse mal wieder in die Tunes of War reingehört, die ich mir Ende der 90er in meiner jugendlichen Power-Metal-Phase zugelegt hatte - fand ich damals echt gut, heute ist das kaum mehr auszuhalten. Brrrrr
Healed By Metal - Problemjugendlicher richtet seinem Bewährungshelfer den Kiefer mit einem Heizungsrohr.
Früher habe ich die Band ziemlich abgefeiert. Geht mir heute nicht mehr so, Geschmäcker entwickeln sich. Das neue Album ändert das leider auch nicht, bei 'Healed by Metal' habe ich eher leichten Fremdscham empfunden...