laut.de-Kritik
Querdenker-Demo-Sound aus dem Frei.Wild-Shop.
Review von Dominik LippeGenzenLos inszenieren sich als Stimmen der Vernunft. "Wir sind die Mitte", erklärten die Deutschrocker im Pressetext ihres letzten Albums "Mittendrin Statt Außen Dabei", "Oft wird diese aber von den radikalen und populistischen Rändern der Gesellschaft in der öffentlichen Diskussion übertönt". 2018 nahm Frei.Wild-Frontmann Philipp Burger die besorgten Allgäuer unter Vertrag, um mit publikumswirksamer Weinerlichkeit bei seinem Label Rookies & Kings die vorgeblich wichtigen Fragen zu stellen: "Was darf man sagen, was nicht? Welche Meinung darf man haben, welche nicht?"
Mit Durchhalteparolen und dem beständigen Bestreben, einer vermeintlich verloren gegangenen Freiheit hinterherzujagen, haben GrenzenLos zwei Top-20-Alben gefüllt. Sehr direkt fragten sie im Titelsong zu "Keine Einigkeit Um Recht & Freiheit": "Wo ist die Einigkeit? Wo ist das Recht? Wo ist die Freiheit im Land von Kant und Brecht?" In der Praxis sieht ihr Freiheitskampf dann so aus, dass sie dem böswillig unterdrückten Mega-Hit "Layla" ihre solidarische Rock-Interpretation hinzufügten. Zum zehnjährigen Bandjubiläum soll es nun erneut um Freiheit und den Mut gehen, Missstände aufzuzeigen.
"Wir sind antiextrem, wir kämpfen für die Freiheit!", grölen sie im bierseligen Opener gegen die vermaledeite Unterdrückung an. Abgesehen von einem ominösen "Zeitgeist" hüllen sich die Rocker darüber in Schweigen, wer sie in ihren Rechten beschneidet. Fest steht, sie operieren "aus der Mitte für das Land", denn "scheiß auf Extreme!". Das wirkt ein wenig wie das musikalische Äquivalent zu Twitter-Nutzern, die in ihrer Biografie vorgeben, "weder links noch rechts" zu stehen, was nahezu immer auf rechts hinausläuft. Ihr rotziger Punk-Habitus wirkt in dieser Gemengelage noch irritierender.
Ihr äußerst schwammiger Freiheitsbegriff setzt sich in "Libertas" fort. Mal treibt ihnen die Digitalisierung die Zornesröte ins Gesicht, mal errichten sie Strohmänner, deren "feuchtester Traum" in der Kontrolle liegt, mal tauschen Menschen ihre Freiheit gegen Lebensmittel ein, als sei die Nahrungsaufnahme optional. Die Kritik an ihrer unausgegorenen, zu "unglaublicher Wahrheit" verklärten Systemkritik nehmen GrenzenLos in "Grüße Gehen Raus" vorweg. "An uns lasst ihr nichts Gutes und reibt euch an uns wund", murren sie aus der bekannten Opferperspektive: "Euer Hass ist unser Stolz!"
Wie mäßig ihr Freiheitsdrang eigentlich ausgebildet ist, machen die "Allgäuer Jungs" deutlich, wenn sie sich ihrer Heimat zuwenden. "Traditionen und Bräuche werden hier noch gepflegt", schwärmt die Band mit leicht volksmusikalischem Einschlag von ihrem Zuhause, wo der Glaube die Menschen noch vereine. "Im Dorf kennt man jeden. Es gibt nur ein Wir. Dafür stehen wir ein, daran halten wir fest", skizzieren sie ein Szenario der Fremdbestimmung, das der liberalen Gesellschaft widerspricht, in der Menschen die von GrenzenLos viel beschworenen "Wurzeln" bei Bedarf kappen können.
Selbst eine balladeske Liebesbekundung wie "1000 Gründe Für Ein Ja" verharrt im Kampfmodus, wenn Sänger Martin Kaun verspricht, für die Angebetete alle Regeln zu brechen und die Hölle zu durchschreiten. Gleichwohl zählt der Love-Song zu den harmloseren Beiträgen der AntiXtremen. "Geteilt, Vereint" feiert mit einigen Jahrzehnten Verspätung noch einmal die deutsche Wiedervereinigung, die explizit den "braunen Müll" ausschließt. Und "20Zehn" verklärt nostalgisch das Sehnsuchtsjahr 2010, "als das Leben begann", was die stets präsente Aura einer Schülerband noch einmal verstärkt.
Um so ernsthafter treten GrenzenLos in "Totaler Amoklauf" auf. "Kriegstreiber, verdammte Kriegstreiber! Versprechen uns das Heil der Welt durch Waffengewalt und immer mehr Geld!", lärmen die Allgäuer. Wer da genau seine Macht missbraucht und auf den Atomkrieg hinarbeitet, sagen sie wohlweislich nicht. Vor dem Hintergrund aktueller Debatten liegt aber die Vermutung nahe, dass es sich um den Begleitsound zu Schwarzer und Wagenknecht handelt, der mit dem Zaunpfahl Richtung Kiew und Bundesregierung winkt. Zumindest scheint sich ihre Warnung nicht zwingend an Putin zu richten.
Mit "Contenance" schließt sich der Kreis wieder zur verflixten politischen Korrektheit, die sie so brutal unterdrückt. "Was darf man noch sagen?", verzweifeln sie an der Regelwut, um schließlich als Teil des radikalisierten Bürgertums in den Widerstand zu wechseln und aus den Boxen zu blöken: "Du sagst mir nicht, wann ich wütend werden darf!" Zumindest von Gewalt grenzen sich die Allgäuer ab. GrenzenLos' handgemachte Musik gibt sich kritisch, ist erlebnisorientiert und bedient sich der Schnodderigkeit eines linken Milieus, liefert letztlich aber nur den Sound für die kommende Querdenker-Demo.
14 Kommentare mit 49 Antworten
Musik für Sodhahn.
100%.
Er wird es diggeln af, Deutschrock Schmutz fließt durch seine Venen!
nein. dummdödelige texte, dazu diese ekelig hochglanzpolierten deutschrap knilche. mir wird übel.
Immer wenn man denkt, dass es schlechter als Frei.Wild nicht geht, zieht das hauseigene Label einen noch größeren Schmutz aus dem Hut. Allgäuer Jungs... meine Güte. Hoffentlich schnallen die wenigstens die Melkschemel ab, bevor sie auf die Bühne gehen.
so ists recht, immer schön überall rassismus anprangern aber dann selber mit stereotypen um sich werfen. egal, solange man damit deutsche herabwürdigt und keine anderen ethnien.
Inwiefern ist das denn ein unfaires Werfen von Stereotypen, wenn die Junx laut Rezi selbst vom Dorf und "Traditionen und Bräuche werden hier noch gepflegt" singen?
@Glorp: stell dich nicht dümmer als du bist und unterlasse bitte deine rhetorischen finten. der spruch mit dem melkschemel ist abwertend und herablassend gemeint. wie so oft in diesen diskussionen, der urbane linke gentrifizierer fühlt sich als etwas besseres als die tumbe landbevölkerung. spart euch das und legt mal ne andere platte auf.
"der spruch mit dem melkschemel ist abwertend und herablassend gemeint."
Wahrscheinlich. Aber das hat ja mit meiner Frage und dem anfänglich Vorwurf der unangebrachten Stereotypisierung nichts zu tun.
Aber schön, wie du über Stereotypen meckerst und dann vom "urbanen linken Gentrifizierer" seierst.
Jo, einem Landei, welche sein ländliches Dasein mit großem Pathos abfeiert den Melkschemel-Spruch zu drücken ist natürlich ganz böser "Rassismus gegen die eigene Ethnie" (was per se ja schon Blödsinn ist), aber wenn der Alman mal hinterfragen soll, ob es so toll ist, weiterhin "Zigeunerschnitzel" oder das N-Wort zu gebrauchen, dann steht der Untergang des Abendlandes vor der Tür.
Landei hier. Verachtung für diese Art von Musik. Verachtung für diese Art von Stereotypen. Also alles im Lot.
Musik für AfD-Wähler.
Da hast du was falsch verstanden: Sie stehen für FREIHEIT und gegen wokes cancel Gendergaga!!!
Na also, sag ich doch. Beste AfD-Rhetorik.
Bands die ihre Heimatbezogenheit als Legitimisierung ihres Bestehens rechtfertigen, waren mir schon immer suspekt. Und da ist es vollkommen Schnuppe, ob die aus der tiefsten Ostrepublik, südlich des Weißwurstäquators oder sonstwoher kommen.
vor alle wenn sie aus deutschland kommen ist es suspekt, gell. ansonsten ist es weltmusik die du am karneval der kulturen sehr gerne hörst
Da liegst du aber komplett falsch. Songs wie Sweet home Alabama z. B. finde ich absolut ekelhaft.
Außerdem habe ich mich in keinster Weise pauschal gegen Bands aus der BRD geäußert.
...weil Dummheit dann gefährlich ist, wenn sie für dich von Heimat spricht ...
Ist CAPSLOCKFTW gerade für Lina E. auf der Straße, oder warum hat er sich hier noch nicht geäußert?
Ohne seine Ausführungen ist es einfach nicht dasselbe. Woher soll man denn jetzt wissen ob die eigene Meinung die Richtige ist?
Habe keinen Anspruch darauf, was die richtige Meinung, nur darauf, was die falsche ist: Jede, die Hass und Gewalt gegen Menschengruppen aufgrund einer Eigenschaft, für die diese nichts kann, propagiert, unterstützt oder duldet. Und jede, die ein System, in welchem ein Teil der Menschen benutzt und ausgebeutet werden, während deren Ausbeuter in Saus und Braus leben und in dem die Fähigkeit zur politischen Partizipation und Einflußnahme mit der wirtschaftlichen Macht korreliert, propagiert, unterstützt oder akzeptiert.
Und fyi ich bin gerade nach der gestrigen Record Release Party etwas verkatert.
https://open.spotify.com/album/3gmZdnjropM…
oh gott was für Blödmänner. Da überlegt man sich doch das Camp zu wechseln