laut.de-Kritik
BoomBap aus Karlsruhe, wie ein Roman von Paul Auster.
Review von Yannik GölzEs gibt Unmengen Rapper, die eine Rückkehr zur alten Schule des Straßenraps propagieren, doch nur wenige überzeugen damit. Das altgediente Ostküsten-Rezept, einen Piano-Loop auf Drum-Computer-Gerumpel zu fläzen, wird heutzutage nicht mehr und nicht weniger fantasievoll aufgekocht als das Gros des Afrotrap-Junk-Foods. Da schockiert es regelrecht, wenn Haze auf "Brot Und Spiele" die alte Suppe kocht, und sie plötzlich schmeckt, wie am ersten Tag.
Dabei erscheint alles an ihm erst einmal irgendwie dämlich: Er trägt den generischsten Rappernamen der Welt, rappt exklusiv für und über Karlsruhe (wo liegt das überhaupt?), und auf dem Papier wirkt sein Sound denkbar hängengeblieben. Aber wie er selbst auf "Ich Bin Hase" bemerkt: "Mache BoomBap, weil man mir im Untergrund vertraut." Das Vertrauen verdient er nicht erst seit diesem Album, aber mit diesem setzt er sich endgültig ein Denkmal.
Wer bei Karlsruhe an süddeutsche Spießer-Provinz denkt, wird eines Besseren belehrt: Mit der Aura eines vom Leben abgestumpften, zynischen OGs spricht Haze über das triste Niemandsland, das er seine Heimat nennt. Die Themen sind altbekannt, aber seine Zeilen bildgewaltig. Mit lakonischen Beschreibungen lässt er Heroin-Junkies, Messerstecher und Polizisten auf der Jagd nach den kleinsten Fischen in einer dunkelgrauen Kulisse zum Leben erwachen. Würde er nicht rappen, könnte Haze Romane schreiben wie ein Paul Auster. Sein Blick auf die Stadt ist so lebendig, so detailliert, dass das Gefühl von Grasgeruch im Nieselregen auf Sichtbeton Song für Song durchschlägt.
... und dann diese Beats: "Der Jäger", "Rache Der Laster" und ganz besonders der Album-Mix von "Morgenrot" bieten klassischsten BoomBap, so piekfein, so effektiv und so auf den Punkt gebracht, dass man oft intuitiv den Kopf nickt, wann immer ein Drumbeat einsetzt. Dannemann, der neben Haze vor allem für andere Karlsruher wie Ulysse produziert, verdient sich immensen Respekt. Selbst abseits der klassischen Beats stechen immer wieder faszinierende Farbkleckse hervor. Auf dem "Outro" röhrt ein Blues-Gitarrensolo über die letzten Takte der Platte, "Wer Bewacht Die Wächter?" samplet sogar Schuberts Zyklus der schönen Müllerin.
Einziges Manko sind ein paar Featuregäste, die vermutlich zum Lokalkolorit gehören, in ihrer Verbissenheit und Aggression aber ein bisschen unpassend neben dem völlig unterkühlten Haze klingen. Der kann zwar auch Battlerap, zieht sich im Laufe dieser Platte aber fast gänzlich in die Rolle des Beobachters, des Erzählers zurück. Er sieht die sozialen Ungerechtigkeiten genauso wie die Abgefucktheit der Menschen. Er ist da, mit seinen zwei Hunden im Park, und wird schreiben, was er sieht. "Brot Und Spiele" ist ein Straßenrap-Album, wie es konventioneller nicht sein könnte. Aber es ist herzlich erfrischend, diese Konventionen einmal wieder absolut überzeugend erfüllt zu sehen.
7 Kommentare mit 4 Antworten
Ziemlich lieblose rezi...
"Sein Blick auf die Stadt ist so lebendig, so detailliert, dass das Gefühl von Grasgeruch im Nieselregen auf Sichtbeton Song für Song durchschlägt."
Der Satz bringt es gut auf den Punkt. Haze zuverlässig af, Kandidat für Deutschrap-AOTY.
Gute Alben wecken wohl kein Feuer in euch /braucht ihr mehr Alben von mc bilal!? Gelangweilte review as fuck
Joa, schön ruff-rumpelig, vllt etwas viele Piano-Beats, aber wenn dabei ein G-Unit/Dre-Sound entsteht wie bei "Chin Check", immer her damit.
Wird sicher noch paar mal rotieren.
exakt so muss ein album klingen, damit d-rap sinn macht. können sich die ganzen shisha-bengels mal ne scheibe von abschneiden. bestes release in 2020!!!
Sodi spricht wahr af.
Einfach ein guter Mann und wieder ein starkes Album mit einigen Highlights. Haze ist für mich locker in der Top 5 der hiesigen Straßenrapper (neben SSIO, Keemo, Hafti und, wenn er sein Potential ausschöpft, Sentino). Für ihn mache ich sogar eine Ausnahme und höre mir deutschen Boom bap an.