laut.de-Kritik
Ergebenen Fans, wie er sie hat, könnte man ruhig etwas zumuten.
Review von Dani FrommZufriedenheit ist etwas Schönes, eigentlich sogar das erstrebenswerteste aller erstrebenswerten Ziele. Howard Carpendale scheint, sofern er es nicht schon erreicht hat, so doch zumindest ziemlich nah dran zu sein. "Ich liebe dieses Album", schreibt er gleich ganz vorne im Booklet von "Das Ist Unsere Zeit". "Sorry - ich weiß, man sagt das über seine eigene Arbeit eigentlich nicht. Aber es ist so."
Einerseits eine feine Sache: Zu lieben, was man tut, stört bei der Erledigung seines Jobs in den seltensten Fällen. Für einen Künstler birgt Zufriedenheit andererseits auch immer eine Gefahr. Allzu leicht könnte der Hunger abhanden kommen, der unbedingte Wille, sich immer und immer wieder aufs Neue emotional zu verausgaben, sich mit Haut und Haaren, Herz und Seele in seine Songs zu werfen.
Mangelndes Engagement kann man Howard Carpendale ganz gewiss nicht vorwerfen. Charmanter serviert in der dieser Tage teils ganz schön seelenlosen Schlager-Branche kaum einer seine Texte. Die handeln - natürlich - meist von der Liebe, von zwischenmenschlichen Beziehungen und von der Schere, die allzu oft zwischen Herz und Verstand aufklafft.
Der Albumtitel lässt es schon ahnen: Carpendale und seine Zuarbeiter, die ihm Texte auf Leib und Stimmbänder schneidern, legen diesmal zudem besonderes Gewicht auf den Genuss des Moments und, vielleicht noch wichtiger, auf das Ergreifen von Gelegenheiten.
Um selbstgesetzte Grenzen und - in den meisten Fällen ein und dasselbe - die eigene Trägheit zu überwinden, braucht mancher einen zünftigen Tritt in den Hintern. Den verpasst Howard Carpendale seiner Hörerschaft zum Beispiel mit "Worauf Warten Wir". Zweifellos: Dieser Mann will noch, er kann noch, und seine Energie steckt an. "Es Ist Alles Noch Da", die ungebremste, ungebrochene Begeisterung für den Job. Deswegen funktioniert es auch immer noch.
Aus genau demselben Grund steht aber eine Frage im Raum und glotzt dich aus großen, traurigen Augen unverwandt an: Wenn jemand so viel Engagement, Begeisterung und, ja, Liebe für seinen Beruf hegt wie Howard Carpendale, warum um alles in der Welt achtet er dann nicht ein wenig mehr auf die musikalische Ausgestaltung?
Komm' mir jetzt bloß keiner mit "Seine Fans wollen es so"-Blabla: Mit so treuen, ergebenen, hingebungsvollen Anhängern, wie er sie hat, könnte Howard Carpendale anstellen, was auch immer er wollte. Er könnte ihnen also durchaus etwas mehr, etwas wenigstens ein bisschen Anspruchsvolleres, und damit um Welten Interessanteres zumuten als diesen dröge ausgenudelten Radiopop.
"Wir haben die Welt erobert zu Rock'n'Roll und Blues", schwelgt "Es Ist Alles Noch Da" in Erinnerungen. Ja, es ist alles noch da - abgesehen von Rock'n'Roll und Blues. Schade. Statt dessen ziehen die verantwortlichen Komponisten ein 80er-Hölle-Saxofonsolo aus dem Ärmel des schultergepolsterten Blazers ... brrr!
"Aus Einem Anderen Leben Vielleicht" klingt zu Beginn eins zu eins wie ein Aufguss von "Dust In The Wind", ehe der Refrain in Richtung Truck Stop galoppelt. Die dezenten Drums und Streicher aus "Wofür Es Keine Worte Gibt" hab' ich auch schon x-mal gehört, genau wie den Kitsch, der "Wir Sind Eins" über seine knapp drei Minuten trägt.
Gospelige Chorgesangs-Einsprengsel prägen "Take Care" oder "(Wir Können Keine) Berge Versetzen", wobei letzteres zwar musikalisch einen Hauch moderner, weniger zopfig wirkt, dafür aber an der Übergröße seiner Thematik zerschellt. Nostalgische Blicke auf "Die Stadt" und zugleich auf eine Zeit, da selbige grenzenlos erschien, treffen da schon eher einen Nerv.
Ein Carpendale, der durch sein sich wandelndes Viertel flaniert, wirkt auf jeden Fall sympathischer als der gestrenge Türsteher, den er in "Heut Beginnt Der Rest Deines Lebens" markiert: "Hast du den höchsten Berg bestiegen? Hast du das weite Meer gesehen? Hast du die große Liebe wirklich schon erlebt?" Bist du auch brav und fleißig gewesen? Ich fühle mich, als sei ich wieder vier Jahre alt und stehe vor dem Nikolaus.
"Heut Beginnt Der Rest Deines Lebens", sehr richtig. Wer wollte den mit "Club-Versionen" von "Hello Again" oder - noch schlimmer, weil die Halligalli-Ausgestaltung nun gar nicht mehr zum tieftraurigen Inhalt passt - "Samstag Nacht" verplempern? Einem bewährten Schlager einen Bummsbeat unterschieben, das hat noch keiner Nummer gut getan.
Dann doch lieber musikalisch zwar einigermaßen einfallslose, aber dennoch ungeheuer hörbare Coverversionen: Wenn Howard Carpendale "In The Ghetto" anstimmt, geht einem trotz der einigermaßen aufdringlichen fingerschnippenden "Du-duuuu"-Backgroundsänger einfach das Herz auf. Dabei oder bei Lionel Richies "Say You Say Me" und der Gibb-Gebrüder "You Win Again" muss man sich wenigstens nicht das Hirn zermartern, wieso einem die Songs so verflixt bekannt vorkommen.
4 Kommentare mit 9 Antworten
Als damals Nelsen Mandela Haus und Hof von den Carpendales verwüstet hat, kam der Howi über DE. Verdammt Nelsen das verzeih ich dir nie.
unabhängig von der kritik.. warum bewertet jemand der sich nur mit hiphop auskennt (abgesehen von gangstarap) ein schlageralbum?
unter sochen umständen kann es ja nur zu einem verriss kommen. nächstes mal kann ja metal-eddy das album von den orsons bewerten, vielleicht bekommen die ja wenigstens dann ihre verdiente 1-sterne-rezi (die knechte)
Wie schlagerkundig/-geschädigt man sein muss, um ein Carpendale-Album angemessen besprechen (und würdigen) zu können, würde mich ja schon mal interessieren.
Grundsätzlich hat diese kuriose Praktik bei laut.de aber schon fast Tradition - mit teilweise abenteuerlichen Ergebnissen: http://www.laut.de/Chris-De-Burgh/Alben/Th…
Wieso soll sie sich nur beim Hip Hop auskennen.
Soweit ich weiß hat Dani doch schon öfters ihre Sympathie zum Schlager bekundet.
@icy ironisches aufwerten is wenigstens noch nich so ausgelutscht (naja seit spongebob vll bisschen) wie das bashing gegen die seichte musik hier.
wenn man ne rezi schreibt sollte man schon bisschen zugang zur musik haben. genauso könnte danni auch sämtliche death metal alben mit einem stern bewerten, nur da würden sich alle aufregen, weil die zielgruppe dafür jüngere leute mit internet sind (und hier sich rumtreiben)
Stimmt, b-dreizehn, außerdem hat sie ja reihenweise Alben von DSDS-Größen besprochen und ist somit keine allzu verwunderliche Wahl als Rezensentin.
Ich halte den Text auch für ziemlich ausgewogen und wohlwollend. Kritisiert werden ja vor allem die lahme musikalische Ausgestaltung und einige textliche Patzer, nicht etwa das Album als typisches Beispiel eines an sich minderwertigen Genres. Da sind einige Deutschrap-Kritiken von Expertinnen deutlich fragwürdiger. Wüsste nicht, bei wem das Album hier in jedem Fall besser weggekommen wäre.
@Firmenphilosophie absolut dito ,.. bin kein Schlager freund ,.. habe aber auch den Eindruck dass hier einige Rezis geschrieben werden von Personen die mit der Stilrichtung der zu bewertenden Scheibe nichts aber Garnichts am Hut haben ,.. oft sogar eine ausgesprochene Abneigung gegen eine Musikrichtung / Genre ausleben.
Ah, hier ist also der Club der Chefblicker versammelt? Finde ich gut, dass ihr aus der hohlen Hand heraus Aussagen über die musikalischen Vorlieben der Dame treffen könnt. Kann man eure Dienste auch für Sportwetten in Anspruch nehmen?
http://www.laut.de/Howard-Carpendale/DVDs/…
Ende der Diskussion.
Chefblicker ? Ne ne, nur mein subjektiver Eindruck bei manchen Rezis,.. kann aber natürlich eine selektive Meinung sein
Wieso Verriss? Das "Werk" wurde von der geschätzten Frau Fromm mit zwei Sternchen bewertet.
imho ein Stern zu viel!
ach ja: das Gegenstück zum fanboy ist das fangirl?
Zumindest sind seine Texte besser als der Scheiss von Tocotronic.
Dieser Dani Fromm hat aus seiner fehlgeleiteten Liebe zum Schlager doch noch nie einen Hehl gemacht. Aber einen dunklen Fleck tragen wir nunmal alle auf der Seele.