laut.de-Kritik
Die echten Gangster sitzen im Weißen Haus.
Review von Stefan Mertlik"Everythangs Corrupt" ist nicht nur Ice Cubes zehntes Soloalbum, sondern auch eine Abrechnung mit der Politik seines Heimatlandes. "Arrest the president, you got the evidence", platzt es schon im Opener aus dem Rapper heraus. 30 Jahre sind seit "Straight Outta Compton" vergangen, von Systemkritik will sich der mittlerweile 49-Jährige noch immer nicht verabschieden. Das liegt nicht an Ice Cubes beschränktem Ideenreichtum, sondern an den politischen Entwicklungen, die mit einem Donald Trump im Weißen Haus nicht besser geworden sind.
Intelligente Analysen gehören nicht zu seinen Mitteln, um den Kampf gegen "die da oben" und ihre Unterstützer auszufechten. Als Gangster-Rapper der alten Schule greift der Kalifornier stattdessen zu unmissverständlichen Drohungen. "Bitches think this commentary is military / I kill you and I bury you with the steel that I carry", rappt er auf "Chase Down The Bully" den Rassisten entgegen, "Hit the alt-right with a fog light / See that red sheet? Used to be all white".
Als Familienvater, erfolgreicher Geschäftsmann und lebende Legende kocht das Blut aber nicht mehr so hoch wie damals auf den Straßen Comptons. Bei all dem Wahnsinn in der Welt weiß Ice Cube zu schätzen, was er hat. Die arrogante Rapper-Pose streift er trotzdem nicht ab und berührt auf "Streets Shed Tears" die Sonne mit der Nase: "I'm celebrated every time I pull up / You hella hated, every time you look up / I'm elevated to rapper's deluxe / They love me, dawg, 'cause I'm one of a kind".
Inhaltlich beschränkt er sich nicht nur auf Politik und den eigenen Status. "On Them Pills" beschreibt anhand praktischer Beispiele, was Drogen mit ihren Konsumenten anstellen, "Can You Dig It?" ist eine Liebeserklärung an Rap und "Still In The Kitchen" das Aneinanderreihen von Metaphern aus der Kochwelt – alles angenehme Abwechslungen, wenn auch keine großen Überraschungen.
Musikalisch deckt "Everythangs Corrupt" eine große Bandbreite ab: Laid-back im Cadillac ("Ain't Got No Haters"), "Bop Gun" in zweiter Ausführung ("The New Funkadelic") und epischer Pomp, für den Jeezy sein Young ausgraben würde ("Non Believers"). Dass das Album trotzdem wie aus einem Guss klingt, liegt an Ice Cube, der abgesehen von einem Too-Short-Feature im Alleingang agiert.
"This is a rebel without a pause / With three hoes like Santa Clause", lauten die vor Fremdscham triefendsten Zeilen dieser 15 Stücke. Dass Ice Cube nicht mehr zu den besten Textern seiner Zunft gehört, dürfte im Jahr 2018 niemanden überraschen. Doch seine Mischung aus Bewährtem, Weisheit und Härte macht "Everythangs Corrupt" zum besten Album, das man im Hier und Jetzt von ihm erwarten durfte.
5 Kommentare
Eine wahre Wohltat nach all den debilen Deutschrapkaspern 2018. Höchste Zeit mal wieder die NWA und Westside Connection Teile rauszukramen. Bow Down!
Schön zu sehen, dass es Rapper gibt, die sich auch nach 30 Jahren nicht neu erfinden, weil sie meinen mehr verkaufen zu müssen. Ist in diesem Fall auch gar nicht nötig. Im Sumpf der meist recht talent- und profilfreien Trap und Soundcloud-Rap Generation freue ich mich besonders über ein solch brauchbares Release eines Westcoast Veterans!
Die echten Gangster sitzen im Weißen Haus. -aber nicht erst seit 2 Jahren....
Abwechslung, "bestes Album, was man [...] von ihm erwarten durfte, viel Lob...und dann drei Sterne. Verstehe, wer will. Die Wertungen hier sind bisweilen nicht ganz konsistent.
Oh, cool, Nach Eminem noch ein Rapper, der den Rebell spielen will, und auf einen Mann einstampft, den die ganze Welt hasst. Selbst Treppensteigen ist gewagter...
Außer diesem Promobitchmove ist das Album aber ganz gut.