laut.de-Kritik
Souveränes Alterswerk bar jeglicher Gangster- Scheuklappen.
Review von Simon Müller"Raw Footage" setzt mit hörbaren 20 Jahren Erfahrung im Gepäck die Messlatte für die Konkurrenz ein deutliches Stückchen höher. Ice Cube zeigt, dass manche Künstler nicht nur altern, sondern eben auch reifen. Das neue Album des Comptoner Schwergewichts ist nicht nur in Soundfragen ganz weit vorne, sondern auch Beweis dafür, dass man sich zwischen dem szeneüblichen Bild des eiskalten Gangsters und anspruchsvollen Inhalten keinesfalls entscheiden muss.
Nichtsdestotrotz ist ein gut inszenierter Auftritt in diesem Business natürlich das A und O, weshalb sich Cube im endzeitigen Intro von einer düsteren Stimme als alles verbrennenden Rap-Vulkan vorstellen lässt. Chapeau dafür. Um dieser Ansage gerecht zu werden, eröffnet er die Platte dann auch gleich mit einer gepflegten Egoshow ("I Got My Locs On"), deren basslastiger Synthiebeat die nötige eindrucksvolle Atmosphäre schafft.
Auf "It Takes A Nation" geht die Selbstinszenierung als Ein-Mann-Armee nach gleicher Manier weiter. Der zum Titel passende Armee-Marsch-Rhythmus langweilt nach dem imposanten Vorgänger allerdings ein bisschen. Mit "Gangster Rap Made Me Do It" sind wir dann bereits beim absoluten Glanzstück des Albums angekommen.
Der leicht polemische, aber trotzdem todernste Mittelfinger an alle, die Rapmusik für Drogenmissbrauch, Frauenfeindlichkeit und Verbrechen verantwortlich machen, wird mit einem Flow vorgetragen, der klarer und eindringlicher kaum sein könnte. Dazu passend liefert Produzent Maestro einen genauso eingängigen, wenn auch schlichten düsteren Pianobeat ab und macht den Song damit zu Dynamit.
Obwohl der Westküsten-Veteran hier ganz klar die Position einnimmt, dass nicht Gangster-Rap für schlechte gesellschaftliche Zustände verantwortlich ist, sondern andersrum, spuckt er sein Feuer nicht nur in Richtung des weißen Amerika. "If u don't wanna shake that hood mentality, how the fuck are we supposed to change our reality?", fragt er im Hook des anschließenden "Hood Mentality", und entkräftet damit den Vorwurf, Gangster-Rap würde das Ghetto leben idealisieren.
Dazu passend folgt mit dem ruhigen "Why Me?" Ice Cubes persönliche Anti-Gewalt-Kampagne, die dank Streicher und Gastauftritt von Musiq-Soulchild entspannten Soul abliefert. Bevor er seine musikalische Erziehung auf "Get Money, Spend Money, No Money" fortsetzt, indem er die szenetypische Geldscheffel-Attitüde kritisiert, wird dann doch noch mal representet.
"Do Ya Thang" ist professionelle Selbstbeweihräucherung vom Feinsten. Minimalistische Coolness auf einem typischen Westküstenbeat, der automatisch Köpfe nicken lässt. Getoppt wird das nur noch von dem boxensprengenden Orchester-Instrumental auf dem folgenden "Thank God". Die Westcoast-Hymne "Get Use To It", auf der Cubes West-Side-Connection WC sowie The Game gastieren, wirkt dagegen - mal abgesehen von der Hook - eher harmlos.
Den würdigen Abschluss erhält "Raw Footage" einerseits durch das äußerst entspannte, trotzdem bouncende "Take Me Away", andererseits durch das vorhergehende "Stand Tall", für das einmal mehr Curtis Mayfields "Diamond In The Back" verbraten wurde. Für solche Klassiker gilt zwar fast immer die Devise "Oft kopiert, nie erreicht". Trotzdem hat DJ Crazytoones das Sample zu einem mehr als hörbaren Song verbastelt.
"Raw Footage" überzeugt mit einem seltenen musikalischen Abwechslungsreichtum, der das Album langfristig zum Genuss macht. Ob ruhige Soultunes oder dröhnende Bässe, Ice Cube scheint sich auf jedem Instrumental zurechtzufinden, ohne dabei zu klingen, als wolle er eine möglichst breite Klientel abdecken.
Raptechnisch hält der Westküsten-Veteran Niveau wie Geschwindigkeit. Dabei verzichtet er auf Effekthaschereien. Manch einer wird vielleicht schnelle Doubletime-Passagen oder endlose Reimketten vermissen, aber in diesem Fall ist weniger tatsächlich mehr. Das hier ist schon immer Ice Cubes Stil gewesen und geht deshalb um so angenehmer ins Ohr. Und auch wenn man als Kritiker mit Superlativen vorsichtig sein sollte: Album des Jahres.
28 Kommentare
Hm.
gut das album ist gut...
aber soo gut
und vor allem so viel besser als "War & Peace Vol. 2" ?
überraschend gute review!
aber wertung ist bisschen zu hoch : 4/5 wäre angebracht
dennoch endlich mal etwas positives wertungstechnisch gesehen nach den katatstrophen in letzter zeit
@gedapagué (« dir ist schon klar, dass ice cube mitglied von nwa war, oder? »):
Danke, dass Sie mich dessen aufklären, mein Punkfreund.
mfg Ihr Feind
dann verstehe ich deine geflame nicht.
Ich wollte damit einfach ausdrücken, dass sich das Album alles andere als "Old-Schoolig" anhört. Darum auch der Vergleich mit NWA - das war eine andere Welt.