laut.de-Kritik
Fuck! Fuck! Fuck! Fuck! Fuck!
Review von Ulf KubankeLondon, Royal Albert Hall, 13. Mai 2016: "Here comes Johnny Yen again...." Das unverkennbare "Lust For Life" öffnet die Pforte zu einem in vielerlei Hinsicht denkwürdigen Abend. An diesem Freitag den 13. spielt Iggy Pop nicht nur irgendein Konzert seiner – zumindest in Europa - womöglich letzten Tour. Es gelingt ihm auch einer der besten Gigs einer an Höhepunkten nicht gerade armen Live-Karriere. "Post Pop Depression - Live At The Royal Albert Hall" dokumentiert, wie kompromisslos Iggy die Lust am Leben noch immer feiert, ohne die Toten zu vergessen. "Fucking thank you for coming! Fuck! Fuck! Fuck! Fuck! Fuck!"
Die Menge hört das F-Wort von hier an 1000 Mal. Es wirkt beim gebildeten wie hochsensiblen Berserker Pop weder ordinär noch kalkuliert. Iggys "Fuck!" ist ein Vitaminstoß direkter Kommunikation mit seinem Publikum. Zu gleichen Teilen Ventil und zärtliche Umarmung. Dabei zusätzlich ein Bindeglied zwischen den teils recht unterschiedlichen Charakteren der Songs. Nur eine Silbe, dennoch Leim zur totalen Symbiose.
Waren "Post Pop Depression" und seine Whitman-Hommage "Leaves Of Grass" grübelnde Blicke ins Angesicht der Vergänglichkeit - diese Show ist ein ganz und gar anderes Kaliber. Einer der allerletzten Giganten des Rock spuckt Tod und Teufel ins Gesicht. Iggy ist deutlich gezeichnet doch vital. Wie immer nahezu nackt bis auf die obligatorische Jeans und – trotz aller Blessuren - so verdammt erotisch as hell wie vor 40 Jahren. Die Meute der 5.000 unterwirft sich bereitwillig. Sie umhüllen ihn mit entsprechend grenzenloser Liebe und unverhohlenem Begehren - "Let go of my Pants, Baby!". Sex & No Drugs & Rock'n'Roll! Was für eine Wahnsinns-Energie!
Pops Auftritt personifiziert mithin von A bis Z ein zähnefletschendes Manifest positiv geladener Körperlichkeit. "I've been fighting all my fucking life. Where is my Valhala?" Der ungebrochene Kämpfer weiß genau: Man bezahlt alles im Leben wie im Showbiz mit echtem Blut. Halsbrecherische Stagedives mit 70? Die fließende Wunde vom Crowdsurfing? Weibliche Fans im Hormonrausch on Stage? Alles kein Problem! "There's a man who knows what you want." Den legitimen Tribut entrichtet er bereitwillig. Verlierer gibt es an diesem Abend nirgends. "Free the fucking people!"
Doch nicht nur der ledrige Leguan erweist sich als meisterhafter Dompteur. Auch die Crew von Iggy & The Stone Age macht alles richtig. Neben Arctic Monkey Helders und Matt Sweeney (Zwan, Bonnie Prince Billy) umkreist das perfekt harmonierende QOTSA-Dreigestirn Homme, Fertita und van Leuwwen den Osterberg.
Kann es funktionieren, wenn drei Wüstenrocksöhne auf den gletscherkühlen Proto-Wave/Postpunk von "Sister Midnight", "Nightclubbing" oder "Mass Production" treffen? Und wie! Das neonschwarze Funkeln des "Hauptstrasse 155"-Sounds ergibt mit dem knochigen Palm Desert-Staub exquisiten Dark Rock, der sich gewaschen hat. Zusammen bildet das Quintett den optimalen Rahmen. Ähnlich wie andere große Combos – Crazy Horse mit Neil Young oder Bad Seeds mit Nick Cave – sind sie konstant präsenter Teil der Show, ohne sich unangemessen in den Vordergrund zu mogeln. Und die Backing-Vocals kontrastieren Pop bis ins Detail ähnlich gut wie es ehedem Bowie und Hunt Sales gelang.
Heimlicher Gast ist der vier Monate zuvor verstorbene David Bowie. Ohne dessen Hilfe gäbe es anno 2016 weder die Ikone Iggy Pop noch diese DVD. "Davids Freundschaft war das Licht meines Lebens. Ich habe noch nie eine so brillante Person getroffen. Er war der Beste, den es gab." So gerät diese große Rock'n'Roll-Party simultan zur rührenden Hommage. Neben obligatorisch aktuellen Songs besteht die Tracklist fast ausschließlich aus Stücken von "The Idiot"/"Lust for Life".
So zelebrieren die fünf Amerikaner jene "German WG-Days", in denen David täglich Leckereien einkaufte und Iggy ebenso regelmäßig den frisch gefüllten Kühlschrank plünderte. Emotionaler Höhepunkt ist - das ohnehin 1977 als Requiem angelegte - "Tonight". Ein Blick in Iggys ausdrucksvolle Augen genügt, zu erahnen, was er während der intensiven Performance fühlen mag.
Drei besondere Anspieltipps: Als weißweinseliges Groovemonster überzeugt das viel zu selten live gespielte "Fall In Love With Me". Raritätenjäger werden sich auf das Nugget "Repo Man" stürzen, eine Seltenheit vom 1984er Soundtrack des gleichnamigen Films. Trotz mehr als 30 Jährchen auf dem Buckel, bringt Pop das Lied auf dieser Tour erstmals überhaupt auf die Bühne.
Zuletzt empfehle ich das ebenso tanzbare wie sensible "Chocolate Drops", den womöglich am meisten unterschätzten Track seines letzten Albums. "There is nothing in the stars if you fail to move / There is nothing in the dark, it's just some old excuse." Iggy Pop benötigt keine dieser Entschuldigungen. Selten war er so gut wie in dieser Nacht.
2 Kommentare mit 5 Antworten
"Waren "Post Pop Depression" und seine Whitman-Hommage "Leaves Of Grass" grübelnde Blicke ins Angesicht der Vergänglichkeit diese Show ist ein ganz und gar anderes Kaliber."
Äußerst fragwürdiger Satzbau.
das sind eigentlich 2 sätze. denk dir nen punkt oder ein komma/semikolon vor "dieser".
"Waren "Post Pop Depression" und seine Whitman-Hommage "Leaves Of Grass" grübelnde Blicke ins Angesicht der Vergänglichkeit. Diese Show ist ein ganz und gar anderes Kaliber."
gleich viel besser :^)
so'n büschen schwund is' ja überall.
Komma vergessen. Punkt. So what? 'Weißweinseliges Gruhvmonster' is viel schlimmer. Ach ja, die BoHähm! Bumm!
Komisch ich hatte nix bemerkt? Weil ich nichts merken wollte? Grammatikärsche vor dem Herrn, nah wenn se sonst nix zu melden haben....
Ich habe vor ein paar Wochen Teile davon auf arte gesehen und die frühen und aktuellen Lieder klangen sehr einheitlich, frisch und kräftig. Mein persönlicher Favorit "Nightclubbing" wurde endlich auch mal wieder hervorragend gespielt.