laut.de-Kritik
Rap, wie er sein sollte, auf vollendet unvollendeten Beatskizzen.
Review von Alexander Engelen"Who am I to judge one's perspective?" Commons Worte liegen mir bei jeder neuen Veröffentlichung des großen (und toten!) James Dewitt Yancey wie Schmalz in den Ohren. Ausverkauf oder Helden-Verehrung, ist hier die Frage. Geht das Geld in die Taschen unbeteiligter Nutznießer oder in die der kranken und blanken Mutter Yancey? Man weiß es leider nicht.
"Jay Stay Paid" soll jedenfalls die Dilla-Familie selbst in Auftrag gegeben haben, und das bei Pete Rock, der Teile der Überreste der Hinterlassenschaften des Über-Produzenten zusammenmixen durfte. Trotz aller Geldsorgen (unbezahlte Krankenhausrechnungen stapeln sich auf Mama Yanceys Schreibtisch) hat man sich bei der Auswahl überraschenderweise an den Fans orientiert, nicht etwa an Verkaufsargumenten des Plattenindustrie-Einmaleins'.
So glänzt "Jay Stay Paid" nicht durch große Namen, sondern in erster Linie durch Dillas Charme. Ein Großteil der 28 Tracks sind Beat-Skizzen, wie man sie vom Referenz-Werk "Donuts" kennt: roh, vollendet unvollendet, stets knapp neben einem straighten BoomBap und immer wieder leicht abstrakt melodisch.
Die vielzitierte Magie Jay Dees kommt in den eineinhalb-minütigen Sound-Fetzen immer wieder zum Vorschein. Eine Drum-Line, Synths und ein subliminaler Bass – mehr brauchte Dilla nicht aus seiner MPC zaubern, um Beat-Nerds allerorten vollends zu befriedigen. Wie diese Insider wissen, wurde dem Produzenten mittlerweile die Ehre zuteil, sein Schaffen in verschiedene künstlerische Phasen zu unterteilen: die The Ummah'sche BoomBap-Königszeit mit Delicious Vinyl-Fame und die eklektische Digger-Nerdigkeit mit Stones Throw-Prestige.
Die Instrumentals auf "Jay Stay Paid" liegen irgendwo dazwischen. Auf Kopfnicker-Lehrstücke Detroiter Schule mit Frank Nitty und Illa J folgen harmonische Gute Nacht-Musik ("Mythsizer") und Wohlfühl-Sitar ("Welcome Back"). Erst kommen Weltraum-Drums mit Soul-Sample ("King") und Moll-Synthies zerhackt vom MicroKorg-G-Funk ("I Told Y'All"), dann freundliche Boo-Rufe eines Kindergespensts mit einem einmal mehr großartigen Blu am Mic ("Smoke") und gleich darauf – eben weil es trotzdem passt – sofortiges Genickmuskel-Training mit M.O.P.s Lil' Fame ("Blood Sport").
Um dem Vorwurf der Leichenfledderei entgegen zu wirken, involviert die Nachlassverwaltung erneut weniger Bekannte aus dem (zumindest geistigen) Dunstkreis des Verstorbenen – man kennt das bereits von Dillas großartigem posthumen "Jay Love Japan". Diz Gibran, Danny Brown? Never heard of these clowns! Doch wenn die Qualität stimmt, dann klappt es auch mit den No Names, weil sie die Veranstaltung irgendwie zugänglicher machen.
Im Gegensatz dazu wirkt nämlich das textlich hervorragende, aber dennoch mit der hiesigen Veranstaltung wenig zu tun habende "Reality TV" eines Black Thoughts irgendwie fehl am Platz. Immerhin sollte hier der Produzent der Star sein.
Wie das funktioniert, weiß man bereits aus Erfahrung und stellen einmal mehr die alten Kollegen Doom und Phat Kat unter Beweis: Sie wählen den perfekt passenden Beat (Doom braucht auf "Fire Wood Drumstix" nicht viel mehr als einen Loop und Phat Kat auf "Digi Dirt" lediglich Arschtritt-Drums) und stellen weder Raps noch Instrumental in den Vordergrund – fertig ist Rap, wie er sein sollte! Ob das dem Toten selbst genauso gut gefallen hätte, kann ich nur mutmaßen, denn – wie gesagt: "Who am I to judge one's perspective!"
6 Kommentare
Erster!
Kenn ich nich!
GOAT
rip j dilla
was für ein talent!
Ein Hörgenuss, der es, wie von Dilla gewohnt, mal wieder schafft, Horizonte zu erweitern. Das einzige Manko ist meiner Meinung nach, dass man dadurch, dass die Platte nach seinem Tod von anderen Leuten zusammengebastelt wurde, seine Struktur nicht wiedererkennt. Die Tracks liegen alle zusammenhangslos nebeneinander. Ansonsten nix zu meckern. Rest in peace und danke für die Musik.
Dilla!
Dieses Album würde ich noch nicht als Fledderei bezeichnen, fast noch ein regulärer Output.
ich wills haben... solang nicht jedes jahr ein neues album rauskommt, mit beats von verschollenen laptops!
jay love japan war schon dillatastisch! also happy listening! hoffe ich.