laut.de-Kritik

Das etwas bessere Ende der Modus Mio-Hölle.

Review von

Was Jamule seinen Mainstream-Kollegen der Deutschrap-Bühne laut gängiger Meinung voraus hat, ist die Musikalität. Im Tandem mit dem rabiaten Boom des Produzenten-Duos Miksu und Macloud hat sich PA Sports' jüngster Schützling nach ganz oben gehangelt, um dem Genre schmissige Refrains und trendige Flows zu kredenzen. Sein neues Tape bildet dazu keinen Widerspruch; mit überraschend ambitionierter Produktion, einem runden Gesamtsound und smoothen Vocals klingt die Platte stabil. Aber was hilft ein bisschen Eingängigkeit, wenn man ein Typ wie eine Schablone ist und die Mukke so verwässert klingt, dass sie als Homöopathie durchgeht?

Dabei klangen die ersten Songs vielversprechend. "Blutige Tränen X Rockstar" stellt sein ambivalentes Leben dar, indem es einmal die Schattenseiten des Erfolgs beleuchtet – und dann seine Bravado als gemachter Rapstar dagegen hält. Der Beatwechsel vom begossenen-Pudel-Trap zum völligen Rager vollzieht sich wunderbar, vor allem, wenn Jamule auf dem zweiten Part bockstark rappt. Das Konzept ist althergebracht, aber effektiv, hat doch jeder Aufstieg seine zwei Seiten. "Sold" macht jedoch recht bald klar, welche der beiden Seiten Jamule wichtiger ist.

Seine kurzen Abstecher in die Traurigkeit wirken wie notwendige Relativierungs-Touren, um ihn ein bisschen zu erden. Seine Persona würde ja sonst nämlich fast die Gefahr laufen, unsympathisch oder unnahbar zu wirken, wenn sie wie geplant über die Länge der Platte nur schöne Frauen beschläft und reicher als der Hörer ist.

Leider kommt man kaum umhin, seine Konflikte ein bisschen zynisch zu betrachten. Zum Beispiel, wenn er auf dem offensichtlichen Radiosong "Liege Wieder Wach" gegen Ende der Platte lamentiert, dass ihm die On-Off-Freundin nicht uneingeschränkt vertraut. Man frage sich, welcher der zwölf vorangegangenen Songs über das Bangen von Bataillonen an Bitches ihr dieses Gefühl geben könnte, dass er nicht verzweifelt nur auf sie wartet? Klarer Fall: Sie ist schuld. Diese Bitch.

Auch sonst gilt, dass seine sporadischen Versuche der Deepness eher in das Terrain von fünfzehnjährigen Dudebros fällt, die inspirierende Tupac-Zitate über Loyalität und Männlichkeit auf Instagram posten, die Tupac nie gesagt hat. Highlights bilden dann Lyrics wie "Was bringen Millionen-Deals, wenn du den Tod riechst / Keine Emotionen, ich seh' nur Emojis". Und plötzlich ist man doch ganz okay damit, dass große Teile der Platte daraus bestehen, dass der Boy sich abfeiert, statt sich zu bemitleiden.

Er findet sich halt schon auch ziemlich geil, dieser Jamule. Große Teile von "Sold" bestehen aus Selbstbeweihräucherungen, Eroberungs-Stories, Reiseberichten und Selbst-Namedrops, nur um den Hatern zu belegen, wie weit er gekommen ist. Ist ja auch okay. Er möge sich geil finden, er hat ja auch scheiße viel erreicht, dafür, wie jung er ist. Außerdem ist es auch 90% eines Rapper-Jobs, sich geil zu finden. Das Problem ist nur, dass er sich echt nicht sehr fantasievoll geil findet. Seine Stories vom wilden Rockstarleben klingen so sehr nach altbekannten Klischees, auch nach Genuss des Albums kann man nicht sagen, ob er das alles so erlebt – oder ob er einfach nur bekifft vor einem Autoplay an Worldstar-HipHop-Musikvideos einschläft und am nächsten Morgen seine Träume aufschreibt.

Bleibt am Ende vor allem, die Texte und seine fantasielosen Tagträumerein auszublenden und nur auf Produktion und Stimme zu hören. Und ersteres besteht mit Eins Plus, Sternchen und Fleißbiene. Verdammt, vor allem der Produzent Aside macht sich hier richtige Brocken für sein Resümee, Nummern wie der Intro, "Immer Noch" oder "Overdose" rumpeln im Kabuff, die Arrangements aus Trap, Dancehall und Pop haben Knacks, Druck und Atmosphäre.

Und Jamule? Um zu sagen, dass er nicht gut rappen würde, funktioniert das alles zu effektiv. Man könnte eher urteilen: Er macht das alles immer genau gut genug, um das Level der Beats nicht abrauchen zu lassen. Auf Brag-Tracks hat er die Ausstrahlung, um das Geflexe stellenweise aufgehen zu lassen, aber im Großen und Ganzen bringt er nicht wahnsinnig viel Persönlichkeit in die Songs. Auch die Flows bleiben großteils in einem erwartbaren Ausmaß, ein paar vereinzelte Ausreißer nach oben kaschieren nicht einen Großteil der Platte, der genau in den Doldrums des Soliden stattfindet.

Am Ende des Tages etabliert "Sold" Jamule lediglich als das etwas bessere Ende der Modus Mio-Hölle. Ob das dem Trap-Genre groß etwas hinzufügt, das fragt man ja schon gar nicht mehr, also geschenkt. Natürlich nicht. Aber kopiert er die gängigen Standards und Songideen, die man eben so für den deutschen 808-Mainstream gerne hört? Die Antwort bleibt die selbe – gerade gut genug. Ein paar Songs fallen nach oben heraus und zeigen, dass da durchaus Talent vorhanden ist. Aber fast der ganze Rest des Albums fällt in gegelte, uninspirierte Gefälligkeit. Wenn das also Musikalität bedeutet, das Vermeiden von allem Kantigen, dann versteht man auch, warum seine Zielgruppe Jamule so wahnsinnig musikalisch findet.

Trackliste

  1. 1. Blutige Tränen X Rockstar
  2. 2. MedMen
  3. 3. Immer Noch
  4. 4. No Comprendo (feat. Capital Bra)
  5. 5. Spaceship
  6. 6. Wang'n'Kuss (feat. Fourty)
  7. 7. Overdose
  8. 8. Fastlane (feat. SANTOS)
  9. 9. Interlude
  10. 10. Gasolina (feat. PA Sports)
  11. 11. Schizophren
  12. 12. Liege Wieder Wach
  13. 13. 13 (feat. Chilla)
  14. 14. Kein Glas
  15. 15. Ich Bin Raus (Outro)

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