laut.de-Kritik
Das Grande Finale einer bedeutenden Reihe.
Review von Ulf KubankeAlle 20 Jahre packt Jean Michel Jarre das Sauerstoffzelt aus. Der Klassiker "Oxygene" ist seit 1976 ein spacetrunkener Meilenstein elektronischer Musik. Mit "Oxygene 7-13" gab es eine graffitti-bunte, ebenfalls überzeugende Fortsetzung. Zum 40 Geburtstag von Part I erweitert er das schicke Doppel zur würdigen Trilogie. "Oxygene 3" nimmt den Klangfaden bereitwillig auf und strickt daraus eine ganz eigene, nicht minder faszinierende Geschichte.
Obgleich das neue Stück hörbar ein Verwandter seiner beiden Vorgänger ist, schlägt es einen unabhängigen Weg ein. Schon auf den ersten Metern fällt auf: Diese Reise gerät weder so dramatisch aufgeladen wie Teil 1, noch so grell poppig wie Teil 2. Es herrscht eine weitgehend entspannte Grundhaltung, deren Farbenpracht und Detailfülle seinen beiden Ahnen gleichwohl in nichts nachsteht. Mit großer kompositorischer Raffinesse lädt Monsieur Jarre zur Entdeckung. Wer ihm geduldig und offenen Ohres folgt, erhält zur Belohnung ein Prunkstück.
"Mit Furcht und Angst wird wahrscheinlich weltweit das meiste Geld verdient. Als Künstler muss man mit so etwas spielen, aber es in das Gegenteil verkehren." Dem folgend balanciert Jarre die Stimmungen von "Oxygene 3" erfreulich penibel aus. Der Grundton des Albums ist positiv wie ein warmer Kokon. Mit der ihm seit Jahrzehnten eigenen Melancholie bricht der Franzose die schützende Umhüllung wohldosiert auf und schlägt der Heiterkeit klaffende Kerben. Zuversichtlicher Frohsinn vereint sich mit dezenten Moll-Einschüben und ergibt Jarres individuelle Ausstrahlung. Ein bisschen Verlust im Grande Buffet, um die Dinge des Lebens auszutarieren.
Besonders deutlich hört man dies im Doppel "Oxygene 18"/ "Oxygene 19". Nach einer dreiminütigen Strecke grüblerischen Ambients deutet ein Gehäuse oldschooliger 90er-Beats scheinbar auf den Dancefloor. Statt den Dynamikpegel hoch zu fahren, taucht im Zentrum jedoch eine ebenso eingängige wie schwermütige Melodie auf. Alles vermischt sich zu weihevollem Zeitlupen-Depri-Technopop. Ist das noch Jarre oder schon Darkwave-Futurepop? Völlig egal, es ist einfach verdammt gut.
Bereits die Ouvertüre "Oxygene 14" ist eines der nachdrücklichsten Stücke der gesamten Reihe. Sanft und unaufdringlich, doch randvoll mit hypnotischer Intensität entfaltet sich das Thema. Trotz seines rein synthetischen Naturells erinnert das Timbre mitunter an den organischen Klangkörper von Hangdrums. In angedeuteter Terassendynamik schwingt sich im Verlauf ein kompletter Effektgarten um die stoisch voranschreitende Melodie, bis alles im Nichts versickert. Was für ein Einstieg!
Nach dem perfekten Übergang zu "Oxygene 15" bleibt das Tempo zunächst verhalten. Ein einzelnes Solo-Keyboard schwebt funkelnd im Vakuum. Obwohl dies kein echter Jazz ist, kommt Jarres unkonventionelle Tonfolge dem Genre hier so nah wie niemals zuvor. Ein origineller Joe Zawinul-Moment, um den sich im Verlauf ein geschmackvoller Minimal-Trance-Mantel legt. Das allein wäre für sich genommen schon beeindruckend. Doch erst das im letzten Drittel als Unterströmung hinzu tretende Piano macht den Track mittels kontrastierender Lieblichkeit zum Glanzpunkt.
Mit "Oxygene 16"/"Oxygene 17" dreht der Soundtüftler hernach ein wenig an der Temposchraube. Hier bekommt der Fan alles, worin er den typischen Jarre entdeckt. Prachtvoller Klangfarbensalat flittert und flirrt, als ob es kein morgen gäbe. Besonders die Nummer 17 feiert sich und das Leben als leuchtmalerisches Bonbon. Seine ansteckende Ausgelassenheit zeigt den Song als Bruder früherer Sahnestücke wie "Oxygene 8" oder "Oxygene 10". Kein Wunder dass JMJ genau diese Passage als Video auskoppelte.
Auf den letzten Metern des Pfads greift Jarre noch einmal so richtig in die Trickkiste. Mit "Oxygene 20" schließt sich der Kreis symbolisch. Nach einer gruselfilmreifen Blutorgel taucht ein Schatten aus der Vergangenheit auf. Schemenhaft vernimmt man ein paar Noten von "Oxygene 6". Kaum mehr als ein Trugbild löst sich das Gespenst ebenso rasch auf, wie es erschien. Der Geist aus dem Gestern weicht einem lichtdurchfluteten Stilleben. Wie ein Glorienschein führen diese letzten verrinnenden Klangstrahlen in ein loderndes Lagerfeuer. Mit dem Verebbenden Geräusch entflammt knisternden Gehölzes endet die Oxygene-Reise kurz darauf unwiderruflich.
3 Kommentare mit 8 Antworten
JA! Wunderbar
Und ich dachte bis eben du würdest garnicht so auf die wahren Elektromeister stehen.
Es ist falsch Franzose zu sein
-Al Bundy- ca. 1988
ne, staffel 6 folge 22. oder 23. ca. 92/93.
natürlich gabe es vorher die folge, in der Al seinen hass auf die franzosen erklärt hat. staffel 1, episode 6.
grundsätzlich ist Al natürlich der grösste überhaupt.
und @garry: ich bin erstaunt.
Dieser anti Frankreich Kram hat mich bei den Bundys schon immer genervt, weil das so eine wirklich dumme Fox/Murdoch und Republikaner Scheiße ist.
Oder halt einfach nur ne Mischung aus dämlich und witzig, wie alles in der Serie?
Nach Frankreich fahr ich nur auf Ketten!
Die Franzosen sind ein feiges Volk!
Fantastisches Album. Für mich ne glatte 5/5.
Leider nicht das Erhoffte. Lieber wieder auf seine 1. Scheibe.
Da helfen mit leichten Dancebeats umgarnte ARP 2600 und Odyssey / EMS / AKS Sounds leider nicht über die Langeweile.
Das bekommen mittlerweile Soft Synth begeisterte Junghupfer auch im Wohnzimmer besser hin. Bspl. Soundlift oder Andy Blueman mit epischen Klangteppichen.
Sorry JMJ, ich habe deine 1.Scheibe vor 40 Jahren gekauft. Und gut is´.
Die erste Scheibe war schon vor 46 Jahren "La Cage". Oder meinst Du das erste Album, das war 1972 "Deserted Palace". Schräges Album, über weite Strecken sehr weit außerhalb der Hörgewohnheiten und erkennbar das Album eines Anfängers in Sachen Synthi. Hat was. Kann man auch sehr gut als Rausschmeißer benutzen, habe ich festgestellt.
Gruß
Skywise