laut.de-Kritik
Azads Rücklichter fest im Blick.
Review von Dominik LippeSamstag, 19. August 2017: Zur besten Sendezeit betritt Azad gemeinsam mit seinem treuen Gefährten Jeyz die Bühne des Out4Fame-Festivals, um sein die Fangemeinde spaltendes Album "NXTLVL" vorzustellen. Im Bewusstsein hier vor allem ein Oldschool-Publikum vor sich zu haben, das soeben noch M.O.P.s "Ante Up" zelebriert hat und sich gedanklich schon auf DJ Premier und Busta Rhymes einstellt, beginnt die Faust des Nordwestens, sich für seine jüngsten Trap-Versuche zu rechtfertigen. Dem Trubel und der Nässe entfliehend steht ein junger Mann abseits auf befestigtem Untergrund und beobachtet ausdruckslos das an Würde nicht gerade reiche Geschehen auf der Stage. Schließlich konstatiert er resignierend: "Azad auf Autotune? Ich glaube, gerade ist etwas in mir gestorben".
Jeyz böte sich angesichts der Neuorientierung seines Mentors die Gelegenheit, Konturen zu schärfen und gleichzeitig die Fahne der Mainmetropole in puncto authentisch kompromisslosen Straßenrap hochzuhalten. Immerhin bestand bereits in der Bozz-Music-Hochphase sowie als Teil der Crew Warheit das größte Problem von Jeyz, Sezai und Chaker darin, dass es ihnen neben dem altgedienten Frontmann an eigener Farbe fehlte. Auch deswegen kamen sie letztlich trotz größerer Glaubwürdigkeit und Pionierarbeit in kommerzieller Sicht nicht gegen die Haupststädter von Aggro Berlin an. Doch Jeyz lässt seine Chance sausen, behält Azads Rückleuchten im Auge und fährt weiter dicht auf.
"So machen wir das hier" wartet mit einem Haufen Trap-Beats auf, die das Genre 2017 im Dutzend billiger hervorgebracht hat. Selbstredend garniert Jeyz vor allem die Hooklines mit jeder Menge Autotune. Als hätte es Trettmanns "#diy" nie gegeben, zeigen vor allem Calos schmerzerzeugende Beiträge auf "Meine Seele" und "Loyalität" wie die Software möglichst nicht eingesetzt werden sollte. Angesichts der atemlosen Versuche, aktuelle Trends einzuholen, hinterlassen Aussagen à la "Wir sind Champions League. Die anderen sind 'ne Kopie" einen umso kurioseren Eindruck.
Auch textlich fehlt es Jeyz an eigener Handschrift. In den meisten Songs verliert er sich in klischeehaften Beschreibungen rund um die Themen leere Mägen und Verräter. Natürlich darf im Liebeslied "Immer Wenn Du Bei Mir Bist" die obligatorische Bonnie-und-Clyde-Referenz nicht fehlen. "So machen wir das hier" bietet praktisch keine Zeile, die dem Hörer nicht schon durch einen anderen Genre-Beitrag bekannt vorkäme: "Raus aus dem Schatten, die Zeit ist gekommen. Alles nur Ratten, doch ich konnte entkommen". Selbst ein bekennender Rap-Autist wie DCVDNS täte sich schwer damit, diese Verse im Punchline-Quiz dem richtigen Rapper zuzuordnen.
"Viele sagen, dass ich immer nur das Gleiche schreibe, doch ich schreib' nur, was ich fühle, und ich fühl' mich scheiße." Bei aller Kritik zeigt Jeyz eine erfrischende Unerschrockenheit, sich durch betont ehrliche Beiträge angreifbar zu machen. In "Fundament" beweist der Frankfurter Mut zum Pathos, wenn er die Kindheit in seinem Elternhaus Revue passieren lässt: "Ich weiß noch, als Antonio zu laufen begann. Und plötzlich sind circa 20 Jahre einfach so vergangen. Es war 'ne schöne Zeit, an die ich mich gern' erinner'. Sie ist vergangen, doch ich trag' sie in mei'm Herz für immer". Freimütig gibt Jeyz Privates preis ohne dabei auf effekhascherische Produktionselemente zurückzugreifen.
"Bis Zum Letzten Tag" bedient sich schließlich bei Hans Zimmers "Interstellar"-Soundtrack. Jeyz lässt sich durch das anspruchsvoll treibende Instrumental zur technischen Höchstleistung des Albums antreiben. Auch inhaltlich überzeugt der Frankfurter mit intimen Einblicken: "Heute versuche ich, all das Leid zu überwinden. Ich sah zu wie all die Jahre vorüberging'n. Es gab auch Tage, an denen wollt' ich von der Brücke spring'n". Doch auf die emotionalen Höhepunkte beider Strophen setzt Jayz wahrhaftig zum extrabreiten Roboter-Gesang an, womit der beste Song des Albums doch noch musikalischen Selbstmord begeht.
Das ausklingende, rein instrumentale Outro bietet Raum zur Reflektion. Wieso wählt Jeyz diesen Ansatz? Handelt es sich um ein rein kommerzielles Kalkül? Bei besagtem Festival-Auftritt schwor Azad zumindest, dass er rein künstlerische Beweggründe habe, und es sich in finanzieller Hinsicht ohnehin nicht auszahle. Dennoch bleibt die Frage offen, wen Bozz Music erreichen möchte. Alte Fans und konservative Realkeeper zeigen sich angesichts dieser Zeitgeist-Anbiederung eher abgeschreckt. Und die jüngere Generation hat sich längst um die neuen Helden Nimo und Ufo361 geschart.
4 Kommentare mit einer Antwort
https://www.youtube.com/watch?v=o5_GNcZELUs
Erste Minute sagt alles. Kauft Teufel Boxen.
Alter ist das schlecht.
ungehört 1/5
Der hat so einen fürchterlichen Akzent der Junge. Wenn der sein "r" rollt, rollt es mir die Fußnägel hoch.
ein durch und durch schlechter Rapper...