laut.de-Kritik

Elegant designte Expedition in eine elektronische Zukunft.

Review von

"RITUAL ist ein einziges Stück, das sich in acht Kapiteln entfaltet und durch Tiefe und Kontrast besticht. Indem es Zeremonien, spirituelle Befreiung und die Reise des Helden als Inspiration nimmt, zapft es eine uralte und ursprüngliche Energie an."

Jon Hopkins verzichtet auch bei seinem achten Studioalbum weder auf einen hochtrabenden Pressetext noch auf ein übergeordnetes Konzept. War es beim Vorgänger "Music For Psychedelic Therapy" sofort erkennbar, ziert sich "Ritual" zunächst ein wenig. Seinen Ursprung erhielt das Werk durch eine Auftragsarbeit für Dreamachine, einer immersiven Experience in London in Zusammenarbeit mit einem Team von Künstlern, Wissenschaftlern und Philosophen. Daraus schöpft der Brite neue Energie, die er mit seinen langjährigen Weggefährten weiter ausbaut: Vylana, selbsternannte Sound-Alchemistin, die an die heilende Wirkung des Klangs glaubt; das britische Soundtüftler-Konglomerat Ishq; die Ambient- und Deep Space Künstler 7RAYS sowie der britische DJ, Sound-Ingenieur und Audio Producer Cherif Hashizume.

Daraus gebiert zum Glück kein esoterischer Klangschalen-Trip, sondern eine interessante Expedition in eine elektronische Zukunft. Diese verhält sich für Hopkins-Verhältnisse sogar recht kurz mit 41 Minuten und "nur" acht Songs, dafür steckt eine Menge drin. Man kann "Ritual" tatsächlich sehr gut nebenbei anhören ob seiner geschmeidigen Gleichmäßigkeit. Leiht man ihr jedoch ein aufmerksames Ohr, gibt es vieles zu entdecken.

"Ritual" ist auf rein technischer Ebene über jeden Zweifel erhaben, bei so vielen Sound-Experten nicht weiter verwunderlich. Kristallklar, raumgreifend und perfekt austariert evoziert es eine immersive Erzählung, die mit "Part I – Altar" ihren bedrohlichen Beginn findet. Mystisch und mysteriös erforscht unser namenloser Held das neue Gebiet mit verhuschten Vocals und Glockenschlägen. Unterschwellig spürt er den Aufbruch zu etwas Großem.

"Part II – Palace / Illusion" öffnet das Spektrum und zeigt retro-futuristische Landschaften auf. Betörendes Summen, Loops und wabernder Ambient treffen auf breite Synthieflächen und erstmals einen Beat, bei dem verschiedene Melodien miteinander kommunizieren. Das weckt Erinnerungen an Jean-Michel Jarre. Das verspielte Ende erhält mit "Part III – Transcend / Lament" ein kleines Addendum, das mehr Volumen injiziert. Ein verheißungsvoller Übergang ins Unbekannte steht bevor.

Die drei nachfolgenden Parts steigern sich sukzessiv zum klaren Glanzstück. "Part IV – The Veil" führt unseren Helden in sinistre Gefilde, es knarzt und dröhnt, als würden höhlenartige Subwoofer musizieren. "Part V – Evocation", eine Mischung aus Dune und Death Stranding, glänzt mit andächtigem An- und Abschwellen, einem rotierendem Grundgerüst, industriellen Klängen sowie tiefen, dröhnenden Bässen. Eine helle Leitmelodie senst durch die dicke Atmosphäre. Man hat tatsächlich das Gefühl, als würde man etwas heraufbeschwören.

"Part VI – Solar Goddess Return" fährt behutsam die Regler auf Anschlag durch eine spannungsgeladene Dynamik und eine überbordende Soundwand. Aus dem Nebel erscheint nun endliche die Sonnengöttin, das Ritual vollzogen. Sie erstrahlt in hellem Glanze, erblindet beinahe unseren Helden. Der stärkste Moment dieses Projekts!

Das gleißende Licht bringt Hoffnung zurück, die toxische Luft löst sich langsam auf. "Part VII – Dissolution" nimmt das Rotieren noch minimal mit, bis dann lediglich ein Herzschlag und wehmütiger Ambient zurückbleiben. Elysische Klänge schweben durch den Raum, wie der lang ersehnte Sonnenschein nach schier endlosem Unwetter. Der Closer "Part VIII – Nothing Is Lost" präsentiert sogar zum ersten Mal ein Piano und portraitiert ein versöhnliches wie zähes Ende, das knapp am Kitsch vorbeifliegt. Hört man da am Ende sogar eine Katze schnurren?

"Ritual" umhüllt seine Reize in ein elegantes, clever designtes Abendkleid. Jon Hopkins verwebt meisterhaft seine musikalischen Fäden zu einem homogenen Ganzen, bei dem hier und da ein wenig zu viel Stoff verarbeitet ist und es minimal ausfranst. Doch das ist Meckern auf hohem Niveau. Wer meditative, elektronische Musik zu schätzen weiß, kommt an diesem Ritual nicht vorbei.

Trackliste

  1. 1. Part I – Altar
  2. 2. Part II – Palace / Illusion
  3. 3. Part III – Transcend / Lament
  4. 4. Part IV – The Veil
  5. 5. Part V – Evocation
  6. 6. Part VI – Solar Goddess Return
  7. 7. Part VII – Dissolution
  8. 8. Part VIII – Nothing Is Lost

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