laut.de-Kritik
"Ich reich! Du Vagina", jetzt auf Albumlänge.
Review von Dani FrommKollege Yannik Gölz hat anlässlich der Veröffentlichung von "Lambada" ... pardon ... von "Despacito" ... nein, auch nicht ... von "Senorita" (sooo!) die Zusammenfassung von "Makers Gonna Make" schon vor Monaten vorweggenommen: "Ich reich! Du Vagina!" Inhaltlich ist tatsächlich kein Fitzelchen mehr drin, als Kay One im "Intro" verheißt: "Herzlich willkommen zu meiner Show", empfängt er da, ganz galanter Gastgeber, zu jodelndem E-Gitarrensound. "Ihr könnt Platz nehmen. Das ist ein Seminar, in dem es um Kohle, Bitches und Macht geht."
Nicht, dass irgendjemand irgendetwas anderes erwartet hätte. Im Jahr 2018 dürfte selbst der unbelehrbarste Optimist, der in Kay One statt der Trash-TV-Witzfigur, zu der er sich selbst degradiert hat, noch immer mit aller Gewalt den talentierten Rapper erkennen will (also ich) die Hoffnung begraben haben, dass dieser Kerl sich noch einmal auf seine Fähigkeiten besinnen und am Ende irgendeine erzählenswerte Geschichte erzählen könnte.
Es wird nicht mehr passieren. Nicht, solange sich Kay Ones gar nicht einmal kleines Publikum so widerstandslos mit seiner wieder und wieder aufgerollten From-rags-to-riches-Story und dem ununterbrochenen, dabei schrecklich schablonenhaften Geprotze abspeisen lässt. Warum sollte Kay One das Rezept auch abändern? Es "funktioniert" ja, aus seiner Perspektive: Früher 'ne buchstäblich ganz arme Wurst gewesen, ist er inzwischen als "Rapstar" zu Geld gekommen. Da das in seiner Welt die einzige Einheit zu sein scheint, in der sich Erfolg bemessen lässt: "Baby, bei mir läuft."
Ich gönn' Kay One die "G-Class", den Lambo ("all black"), den er mindestens in jedem zweiten Track erwähnen muss, den geleasten Jet, seine Gucci-Täschchen und sein ganzes "Louis Louis" von Herzen. Er scheint mir nämlich tatsächlich eine ziemlich arme Wurst zu sein. Einer, der so offensiv seinen (angeblich oder tatsächlich, scheißegal) adipösen Kontostand vor sich hertragen muss, sich unentwegt hinter Statussymbolen verschanzt und mit seinem ganzen Geld dann nichts besseres anzufangen weiß als es für die immer gleichen drei, vier langweiligen Dinge an den immer gleichen drei, vier In-Spots dergestalt auf den Kopf zu hauen, dass es nur ja jeder mitbekommt, so einer hat nicht viel, außer irgendein riesiges Defizit zu kompensieren. So einem gehört mein ganzes Mitgefühl. Armer reicher Junge.
Kreuzigt also nicht Kay One, jedenfalls nicht ihn allein. Mindestens eine Mitschuld an dieser Misere trägt jeder, der "Makers Gonna Make" mit einer anderen Absicht erwirbt, als mit dem Modern Talking-Update "Louis Louis" oder mit dem "Despacito"-Verschnitt "Senorita" eine Bad-Taste-Party zu beschallen. Kay One, soviel steht spätestens danach zweifelsfrei fest, hat überhaupt keine Hemmungen. Wenn etwas Erfolg - lies: Geld - verspricht, dann kooperiert er auch mit der DSDS-Nullnummer Pietro Lombardi oder mit Teenieschwarm Mike Singer. Beide haben schließlich, warum auch immer, Reichweiten, die es gnadenlos auszunutzen gilt.
Über die Seltsamkeit, ausgerechnet Pablo Escobar und Joaquín "El Chapo" Guzmán zu Idolen zu erheben, hab' ich mich ja schon häufiger gewundert. Der eine, nachdem er sich über Monate hinweg wie eine Ratte vor der Polizei versteckt hatte, auf der Flucht erschossen, der andere nach Auslieferung an die USA Anfang des vergangenen Jahres in irgendeinem Knast, vermutlich immer noch in Einzelhaft: Wer das ernsthaft für nacheifernswert hält, sollte bei Gelegenheit sein Koordinatensystem nachjustieren.
"Ich mach' Cash wie Pablo", feiert Kay One aber unbeirrt sein fragwürdiges Vorbild, das er vermutlich beim "Netflix & Chill" mit irgendeiner Uschi, die dumm (oder geldgeil) genug war, sich mit ihm einzulassen, bei "Narcos" entdeckt hat. Bleibt zu hoffen, dass dem Prinz von Ravensburg der schnelle Reichtum etwas besser bekommt.
Wie kam es überhaupt dazu? In diesem Punkt ist Kay One ganz ehrlich: "Ich mach' Cash durch die Clubhits." Sehr, sehr viel Geld, wie zu betonen er nicht müde wird, und natürlich - wichtig! - mehr Geld als all die anderen, die allesamt nur vorgeben, den glorifizierten Lifestyle zu leben, während er diesen Film tatsächlich fährt. Mag sein, interessanter macht das den drögen Plot auch nicht. Ob wahr oder ausgedacht: "Aufstehen, Shoppen & Schlafen" trägt einfach nicht über Albumlänge.
Über die gähnende Inhaltsleere trösten weder die (abgesehen von den Poolparty-Gruseligkeiten wirklich mächtig) auf Funktionalität hin produzierten Beats noch die unbestrittenen Rapskills, nicht die gelegentlich orientalisch gefärbten Melodien, nicht der eingestreute Afrotrap-Hype-Diss, und schon gar nicht die Nummern, die emotionalen Tiefgang suggerieren wollen, wo doch nichts als seichtestes Flachwasser ist: Die würden eigentlich jede Intelligenz beleidigen, fände man bei Leuten, die sich diese Kalenderspruchweisheiten als "persönlich" andrehen lassen, nur ein Restchen davon.
"Herz Aus Gold" tut, als thematisiere es einen individuell erlittenen Verlust. Da möchte ich dem oder der Verblichenen posthum mein Bedauern aussprechen: Eine solche Klischeeabfahrt mit Klimperklavier, Donnergrollen, Gewitterregen, Spieluhrmelodie und schleimigst gesungener Hook (wieder Pietro Lombardi: "Als du von mir gingst, ist ein Teil von mir gestorben") hat wirklich keiner verdient. Wenn mir jemand so einen Song schreibt, wenn ich tot bin, komm' ich als Racheengel zurück, ich schwör'.
Kay Ones seltsame Vorstellung von Romantik zu analysieren, dieses Fass möchte ich hier gar nicht aufmachen. Immerhin fasst er sich in den meisten Tracks angenehm kurz. Nicht jedoch in "Es Tut Mir Leid", einer sich, natürlich zu melodramatischem Piano über fünf Minuten hinziehenden, schwülstigen Entschuldigungslitanei an die Ex, die sich - Überraschung! - offenbar nicht endlos lange bieten lassen wollte, zugleich eifersüchtigst bewacht und unentwegt betrogen zu werden. "Du bist nicht mehr mein Mädchen." Gratulation an die Unbekannte.
Hach, überhaupt das Frauenbild. Besser nicht drüber nachdenken. "Ich hab' Pläne: Mein Kind bekommt von 'nem Playmate die Gene." "Ich liebe deinen Booty wenn du vor mir shakest, doch bitte schau' mir nicht nur aufs Portemonnaie." Öh ... ja. Viel Glück bei der Suche nach "der Richtigen". Ist halt echt schwer, dahinterzugucken, wenn die Fassade ein überdimensionierter Geldbeutel ist.
13 Kommentare mit 27 Antworten
Lächerliche Rezi. Nur weil sich der Renzenzent keine Louislouis leisten kann. Kay hat sehr wohl voll deepe Gefühle! Wie er seiner Ex nachtrauert die gegangen ist, nur weil er paar Groupies hatte, hat mich zu Tränen gerührt, aber auch erschüttert. Wie kann man nur so blöd sein und sich so ne Chance entgehen lassen??!!1 Kein Wunder dass Kay so ein Frauenbild hat.
Wow, Trolling im Jahr 2018 ist auch nicht mehr das, was es mal war.
Digger, das soll keine Fanboi-Imitation sein, sondern eine Imitation derer, die gewollt lustig Fanboi-Imitationen kredenzen. Quasi doppelte Ironie. Neue Dimension!
Abgesehen davon empfinde ich es den 2018er Trolls gegenüber als überheblich, das allgemeine Trollniveau anhand eines falsch interpretierten Beispiels pauschal zu entwerten.
Asskla, tu' mal weiter so, als sei das der Rembrandt der doppelten Ironie gewesen.
Blöd wird es immer dann, muss man seine eigenen Witzchen rechtfertigen, schlimmstenfalls stammelnd erklären
...muss.
Seine grundsätzliche Ablehnung des Punktes am Ende des Absatzes (zweifelsohne aus einem sehr profunden Grund) zeitigt gelegentliche Verwirrung. Doch im Laufe der Jahre hat er sich immerhin auf Kommata und Großbuchstaben eingelassen, also rechne in ca. fünf Jahren mit Punkten am Satzende.
Trotzdem, das ergänzende "muss" ist falsch.
Tatsächlich, mein Fauxpas - „wenn“ statt „muss“ gelesen (hat mir mein Gehirn wohl eine erwartbare Satzkonstruktion vorgegaukelt).
Meine Form von Protest, das sowas vor gezogen wird als Review, verstehe ich nicht. Sind die Macher von Laut Profis oder nicht? Ich bin keiner, also! https://ancientcave.blogspot.com/2018/09/h…
Die großen Tage des Kay-Hates sind vorbei. Ich bin milde gestimmt und eigentlich eher traurig, wie blöd seine Entwicklung im Endeffekt gelaufen ist
Hochtalentierter Rapper mit dem gewissen Etwas in der Performance, der sich nicht allein durch den egj-Wirbel zuerst in mediale Belanglosigkeiten und schlussendlich musikalische Bedeutungslosigkeit katalpultiert hat
Eine recht beispielose Karriere des Auftiegs und Falls eines Talents
Rap ist keine Musik, sach ich doch.
Eben, keine Musik mit dummen Texten
War da was? Hm, ne alles ruhig
Meuri spricht ausnahmsweise wahr...
kay one hat ganz klar einen shindy komplex.
Finde laut.de sollte mal die halben Bewertungen ergänzen.
Überwiegend Bombe. Macht kein Auge, laut.de. Ihr wisst, eine Hand wäscht die andere Hand.
https://www.youtube.com/watch?v=WSoMEz1eOZ…
Hat er eigentlich in irgend einem seiner Videos mal nicht geäußert, dass man das seiner meinung nach wunderbar in die Vitrine stellen kann?