laut.de-Kritik

Wer schreit, ist im Unrecht: Kein Raum für den Gesang.

Review von

"Wer schreit, ist im Unrecht", wissen sprichwort-sichere Großmütter. In deren Ohren muss Kelly Clarkson ganz schön falsch liegen: Die Frau plärrt sich auf "All I Ever Wanted" - völlig unnötigerweise - die Lunge aus dem Hals.

Vermutlich soll so der Eindruck von Dynamik, Energie und Rotzigkeit vermittelt werden. Gut gemeint entpuppt sich in diesem Fall jedoch wie so oft als das Gegenteil von gut. Im Brüll-Modus kann Kelly Clarkson ihre stimmlichen Fähigkeiten schlicht nicht ausspielen.

Immer dann, wenn die Instrumentierung etwas in den Hintergrund rückt, wenn die Interpretin selbst einen Gang zurückschaltet, entfaltet sich in ihrem Gesang Wärme und Tiefe. Tritt sie jedoch das Gaspedal durch, wird es sehr schnell grell, aufdringlich und viel zu laut - Girlie-Rock für Hörgeschädigte und solche, die es werden wollen.

Erscheint das Gitarrenintro zu "My Life Would Suck Without You" noch recht ungewöhnlich, fährt die nachfolgende Nummer "I Do Not Hook Up", die ich nebenbei bemerkt schon in der Version von Katy Perry überaus ätzend fand, ein nahezu identisches Szenario auf.

Versehentlich auf Repeat gedrückt? Nein, hab' ich nicht. Um so seltsamer, als Kelly Clarkson im beiliegenden Promoschreiben wie folgt zitiert wird: "Das Schlimmste für mich wäre, wenn alle Songs auf einem Album gleich klingen würden." Nun, in meinen Ohren tönt es äußerst ähnlich.

Sei's drum, zum Glück steht dann ja eine Ballade auf dem Programm. "Cry" eröffnet die Engtanzrunde mit dunklen Streichern. Zumindest zu Beginn bleibt ein wenig Raum für die Sängerin, ehe der Titel erneut mit völlig überdimensionierter Instrumentierung zugestopft wird - gegen die dann wieder angeschrien werden muss.

Wo einmal ein bisschen dezenter zu Werke gegangen wird, zermalmt spätestens der Refrain den aufkeimenden guten Eindruck. Einzig die Produktionen von One Republics Ryan Tedder legen etwas mehr Fingerspitzengefühl an den Tag.

So springt der Chorus des ruhigeren "Already Gone" einem zur Abwechslung einmal nicht mit dem nackten Arsch voran ins Gesicht. Neben dem klassichen Balladen-Setup mit Akustikgitarre und Piano bleibt dem Gesang Platz zum Atmen. Tedder fährt hier den großen Bahnhof inklusive interessanter Drum-Einlagen zwar auch noch auf, konstruiert den Song jedoch wesentlich behutsamer als zuvor aktive Reglerschieber.

"Impossible" besticht durch seine Schlichtheit. Selbst die Dancefloor-taugliche Uptempo-Nummer "If I Can't Have You" mit schnurgeradem Beat, Claps und einem gut passenden Hauch von Plastik auf der Stimme wächst sich unter seiner Regie zum Hit-Kandidaten aus.

Ganz gruselig gerät dagegen mit "Whyyawannabringmedown" der ebenso angestrengte wie anstrengende Ausflug in den Punk. In bonbonfarbener Hochglanzverpackung wirkt dieser Versuch in etwa so echt, wie kunstvoll mit der Nagelschere zerschnittene zerschnittene Strumpfhosen löchrig aussehen: kein bisschen.

Am Rande bemerkt: Der versprochene "souligen Seventies-Rock-Vibe" muss mir entgangen sein. Wie sich eine junge Dame als "lyrics girl" bezeichnen kann, die textlich kein Stück über den Tellerrand emotionaler Befindlichkeiten hinauskommt mit Titeln wie dem schmollenden "If I Can't Have You", dem eigentlich nur noch ein Mit-dem-Fuß-Aufstampfen zur vollendeten Impression einer bockigen Fünfjährigen fehlt ... vielleicht mag es mir jemand erklären.

Trackliste

  1. 1. My Life Would Suck Without You
  2. 2. I Do Not Hook Up
  3. 3. Cry
  4. 4. Don't Let Me Stop You
  5. 5. All I Ever Wanted
  6. 6. Already Gone
  7. 7. If I Can't Have You
  8. 8. Save You
  9. 9. Whyyawannabringmedown
  10. 10. Long Shot
  11. 11. Impossible
  12. 12. Ready
  13. 13. I Want You
  14. 14. If No One Will Listen

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23 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Also ich find das Album sehr gut. Ich find auch nicht das man angeschrien wird, wenn man sich die Texte genauer durch liest weiß auch warum. Außerde hat jeder Künstler seinen eigenen Stil. Wer es nicht mag, soll es sich auch nicht kaufen. Ich finds auf jeden Fall übertrieben wenn man schreibt, dass man das Album nicht ertragen kann, weil man nur angeschrien wird. Man konnte das auch eigentlich bei der ersten Single erratne, das es diesmal ein anderes Album wird. Naja ist meine Meinung. :D

  • Vor 15 Jahren

    also weiss ja ned was ihr euch angehört habt, aber das album was ich hier zu stehen hab von kelly is meiner meinung nach eines der besten von ihr, fand eher das letzte etwas enttäuschend. jetzt is hier endlich wieder mal n album aufgetaucht das man wirklich vom 1. bis zum letzen lied anhören kann. von schreien kann nich wirklich die rede sein, klar sie wird etwas lauter aber mit der power in der stimme die sie hat kann sie sich das auch erlauben und trotzdem hört man welch talent in ihr steckt

  • Vor 15 Jahren

    Also ich finde das Album klasse! Weiß gar nicht was ihr habt.... Die Songs passen, die Stimme passt und vor allem Kelly passt!!!! Sie ist meiner Meinung nach einer der besten Sängerinen dieser Zeit. Gesanglich von der Stimme kann ihr niemand so einfach das Wasser reichen!