laut.de-Kritik
Die Frau bastelt sich einfach selbst ein Genre.
Review von Josef GasteigerKT Tunstall hinterließ ihre ersten Spuren im kollektiven Gehör der Musikwelt mit umgeschnallter Gitarre, einer nicht nervenden Stimme und Ohrwürmern am Fließband. Doch irgendwann wollte die Schottin mit chinesischen Wurzeln mehr und suchte nach einem neuen Sound. Und sie fand Discokugel und Keyboards. "Suddenly I see", von welchem "Nature Techno" vorab stets die Rede war.
Ein Schelm, wer hier an eine Mitläuferin der momentan angesagten Elektro-Pop Damen denkt. Anleihen von La Roux, Kate Nash und besonders Florence and the Machine sind greifbar, der sympathischen KT und ihrer treuen Gitarre traut man aber Eigenständigkeit durchaus zu.
Es fiept, dröhnt und rumpelt, die Gitarrenklänge fügen sich häppchenweise in den neuen Elektro-Soundkosmos ein. Wie so etwas hervorragend funktioniert, zeigt "Push That Knot Away". Über einer schiebenden Bassdrum groovt das minimierte Gitarrengeklimper frech im Off-Beat, bevor sich Schicht für Schicht mehr Klangebenen darüber legen. Zur Halbzeit reißt KT alles mit einem breibeinigem Basslauf wieder ein, bevor es zum Finale noch mal ab auf den Dancefloor geht.
Mit diesem organischen Mix macht die Sängerin atmosphärischen Pop, der keine Mauern aufbaut, sondern direkt in die Gehörgänge fließt. Das dichte "Difficulty" zieht den Spannungsbogen auf fünf Minuten hoch und erspart sich ein erlösendes Groove-Gewitter. "Glamour Puss" empfängt mit einer gepfiffenen Hookline, "Fade like a Shadow" gräbt ein Glockenspiel aus und "(Still a) Weirdo" verbreitet mit Beatbox relaxte Stimmung.
Bei letzterem steht auch die gezupfte Gitarre wieder im Vordergrund. In Kombination mit programmierten Drumbeats und Synthie-Melodien ist die Wandergitarre gefällig, auf sich allein gestellt fällt das klassische Folk/Country-Gemisch doch etwas ab. Sanften Gitarrenpop der Marke "The Entertainer" hörte man einfach schon zu oft.
Stimmlich erinnert KT Tunstall an eine variantenreichere Mischung aus Dido und Norah Jones. Wenn sie wie auf "Glamour Puss" und "Come on, Get In" gesanglich mehr Stoff gibt, klingt auch Pink durch. Für diese Ähnlichkeiten kann KT Tunstall natürlich nichts, die Eigenständigkeit geht trotzdem auf Kosten der Gefälligkeit flöten.
Es bleiben coole Popsongs, die ohne allzu viel Anspruch nach glitzerndem Tanzschuh schreien. Die Gitarre lässt sich beim Tanzen ja bequem auf den Rücken schnallen.
3 Kommentare
KT Tunstall funktioniert einfach nur live. Mit dem Studio-Polish verlieren die Songs alles. Richtig machts Yoav (http://www.youtube.com/watch?v=hZ0O-S5u7Ng)? der klingt auf Platte so gut wie live.
"push that knot away" ist schon fetzig! denke, da werden sich bestimmt noch die remixer dran versuchen
Tolles 4-Sterne Album! Uummannaq Song und Still a Weirdo sind Hits im besten Sinne und Madame Trudeaux ist ein toller, gelungener Experiment. Chapeau!!