laut.de-Kritik

Die erste Strophe des Lieds der Deutschen ist hier nur Formsache.

Review von

Junge, Junge, Laibach waren ja noch nie dafür bekannt, vorhersehbar zu sein oder es dem Hörer besonders leicht zu machen. Als die Nachricht die Runde machte, dass sich die Slowenen an der Neuinterpretation einiger Nationalhymnen wagen wollen, konnte man sich also auf so einiges gefasst machen.

Was dabei aber letztendlich rausgekommen ist, hätte in der Art sicherlich keiner erwartet. Von den Originalstücken ist eigentlich nichts mehr übrig geblieben. Allein der Text macht beim Opener "Germania" klar, dass es sich hier um eine Adaption der deutschen Nationalhymne handelt. Dass sich Laibach dabei nicht verkneifen können, auch die erste Strophe des Lieds der Deutschen zu zitieren, ist hingegen fast schon Formsache.

"America" greift sogar stellenweise auf die Melodie des Originals zurück, ist sonst aber, wie alle anderen Stücke auch, sehr düster, ruhig und ausgesprochen atmosphärisch gehalten. Mit zahlreichen Gastsängern (meist auch in der Nationalsprache) peppen Laibach die Songs zusätzlich auf, und auch Silence-Sänger Boris Benko, der in beinahe allen Stücken mitwirkt, ist eine weitere Bereicherung.

Während "Rossiya" mit dem Kinderchor und den Sequencer einen beinahe warmen Anstrich bekommt, setzt "Francia" doch eher auf kalte Klänge. Die allgegenwärtigen Klavierklänge, die immer wieder für etwas Entspannung sorgen, ordne ich derweil einfach mal Primoz Hladnik, der anderen Hälfte von Silence zu. Für die dunklen, zum Teil sehr zynischen und auch anklagenden Zwischentöne sorgen Laibach wie immer mit den eigenen, eingestreuten Textpassagen, die zum Teil durch Audiosamples kommentiert und verstärkt werden.

Es ist mir allerdings doch ein Rätsel, welche Zielgruppe Laibach mit dieser CD ansprechen wollen. Italiens Hymne ist bestimmt ein schönes Lied, das musikalisch aber fast auch problemlos in deiner Lieblingspizzeria laufen könnte. Als tanzbare Nummer kommt eigentlich allein "Espana" daher, in dem sie (vollkommen zurecht) den glorreichen Toreros ans Bein pinkeln. "Yisra'el" hat ein wenig etwas von einem - wenn auch dämonischen - Schlaflied und "Turkiye" und "Zhonghua" (was'n das?) gehen schwer in die Industrial-Ecke.

In "Nippon" behaupte ich jetzt einfach mal traditionelle, japanische Melodiefolgen erkannt zu haben, was somit der eigentlichen Hymne wohl noch am nächsten kommen dürfte. Zu meine Favoriten zählen aber "Slovania", das sakrale "Vaticanae" und nicht zuletzt die Laibach-Hymne "NSK". Außergewöhnlich ist dieses Album auf jeden Fall. Ob es auch langfristig interessant bleibt, muss sich erst noch zeigen.

Trackliste

  1. 1. Germania
  2. 2. America
  3. 3. Anglia
  4. 4. Rossiya
  5. 5. Francia
  6. 6. Italia
  7. 7. Espana
  8. 8. Yisra'el
  9. 9. Turkiye
  10. 10. Zhonghua
  11. 11. Nippon
  12. 12. Slovania
  13. 13. Vaticanae
  14. 14. NSK

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2 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    ich finde es schade, das die rezesion durch den rezesenten in ein völlig falsches licht gerückt wird. Anstatt das Album als neutralbetrachter zu rezesieren, wird mit eigenwilligen und eigenen kommentaren die Rezession komplett "verfälscht" und geht so hinaus, das der rezessent als angehender "anti-Laibach" höhrer durch und durch das Album von anfang an als schlecht abstempelt.
    Das ist schade - denn eine Meinung ist gut - aber nicht die eines voreingenommenen

  • Vor 15 Jahren

    "Zhongua" ist natürlich die allseits geliebte Volksrepublik China. Ansonsten teile ich die Meinung des Rezensenten weniger, mir gefällt das Album wohl besser, ich weiß daran besonders die Vielschichtigkeit (mal harsch, mal sanft) zu schätzen.