laut.de-Kritik
Monster-Paket mit Live-Versionen, Demos und reichlich Merch.
Review von Stefan MertlikBaggy Pants, gefärbte Haare und ein Musikgeschmack, der zwischen Hip Hop und Rock pendelt – rückblickend punktete um die Jahrtausendwende kein Jugendlicher mit Style. Linkin Parks Debütalbum "Hybrid Theory" funktioniert aber auch 20 Jahre später noch. Als die Platte am 24. Oktober 2000 erschien und MTV das quietschbunte Video zu "One Step Closer" in der Dauerschleife zeigte, ahnte das noch niemand.
Nicht wenige bezeichneten Linkin Park als Limp Bizkit für Heulsusen. Anders als Fred Dursts Prolltruppe ist die Band aber stets relevant geblieben. Bis zu Chester Benningtons Tod 2017 veröffentlichte sie sieben Alben, die alle mindestens vergoldet wurden. "Hybrid Theory" überzeugte aber nicht nur finanziell. "Rock Sound" kürte die Platte 2012 zum "best modern classic album" der letzten 15 Jahre. Viele weitere Magazine verliehen ähnliche Auszeichnungen.
laut.de vergab damals fünf Sterne und schrieb: "Es ist schon erstaunlich, wenn ein Erstling mit einer derart geballten Power aufwartet." Und tatsächlich hat "Hybrid Theory" in den vergangenen zwei Jahrzehnten kaum an Wucht verloren. "With You", "Crawling", "In The End" – die Hit-Dichte überzeugt noch immer. Sobald die ersten Takte des Openers "Papercut" laufen, fluten Erinnerungen das alt gewordene Hirn.
Das Jubiläum feiern die Kalifornier nun mit der "20th Anniversary Edition", die in verschiedenen Versionen erscheint. Die Super Deluxe Box im höchsten Preissegment enthält fast fünf Stunden Musik. Gleich vorweg: Dieses Paket lohnt sich wirklich nur für Komplettisten. Denn 93 Lieder klingen zwar wie ein feuchter Fan-Traum, doch die Musik wiederholt sich. Allein "Points Of Authority" ist mit zwei Live-Mitschnitten, drei Demos und der Original-Version vertreten. Zudem enthält die Box das bereits 2002 veröffentlichte Remixalbum "Reanimation" sowie die 1999 erschienene "Hybrid Theory EP".
Völlig uninteressant ist all das trotzdem nicht. "B-Side Rarities" umfasst vergessene Perlen wie den Marilyn-Manson-Remix von "Buy Myself" oder "It's Going Down" mit dem DJ-Trio X-Ecutioners. "Linkin Park Underground" legt mit 18 Live-Aufnahmen und Demos nach, die bis jetzt nur in Fankreisen kursierten. "Forgotten Demos" lässt mit zwölf unveröffentlichten Rohversionen noch einmal in den Proberaum der Gruppe schnuppern. Ein 80-seitiges Buch, drei DVDs, eine Kassette mit zwei weiteren Liedern und jede Menge Merchandise runden das Inhaltsmonster ab.
"I cracked a bulletproof vest on an emcee's chest / Yes, yes, to make you sweat like a full-court press", rappt Mike Shinoda in "Dialate" recht unbeholfen, aber charmant. Das bisher unveröffentlichte Stück stammt aus einer Zeit, in der die Band noch Xero hieß und Chester Bennington kein Mitglied war. In Momenten wie diesen glänzt die "Hybrid Theory: 20th Anniversary Edition" am stärksten. Um alle Rosinen herauspicken zu können, müssen Fans jedoch Geduld beweisen und tief in den Geldbeutel greifen.
13 Kommentare mit 133 Antworten
meeeh...LP sind immer die leicht überproduzierte Variante für Teenies und das Formatradio gewesen. Wo man sich dann freut, dass mal Rock läuft, aber privat freiwillig hören würde man's nu auch nicht.
Naja, da hast du jetzt aber das "unschuldigste" Album für deine Analyse herangezogen. Trifft eher auf "Minutes to Midnight" oder das aktuelle "One More Light" zu, was du sagst.
Dieses hier allerdings ist nach wie vor fett.
Ich hab die generell so wahrgenommen, auch im Nu Metal Hype der frühen 2000er. Immer für frustrierte Teens leicht verständliche Mitgröltexte, Pathos-"Gesang" für vorgegaukelte Tiefe, Durchschnittscrossoverraps, feddich. Platin-Album.
Weiß aber auch, dass viele die ersten Alben verehren, weil sie in die eigene Adoleszenz fielen.
Was ja auch völlig normal ist .
Ich kann ja während der Adoleszenz nicht warten und sagen: ich möchte den Musikgeschmack mit Mitte 30 festigen und verzichte daher in diesem Alter auf Musikhören in Gänze oder erarbeite mit einem persönlichen Berater meine voraussichtlichen Vorlieben mit - eben - Mitte 30, um meine Adoleszenz-Mitstreiter-Freunde jetzt schon mal (nachhaltig) zu beeindrucken.
Völlig richtig, keine Frage. Aber ich find retrospektiv vieles, was ich mit 15 geil fand, heute sehr schrecklich, weil eben auf genau diese grundfrustrierte und "missverstandene" juvenile Klientel zugeschnitten Man sollte Dinge retrospektiv nicht romantisieren.
Den letzten Satz pflege ich bisher eher bei Frauen. Vielleicht sollte ich das auch bei Musik
Hybrid Theory war das Nevermind der Generation Y. In The End ihr SLTS.
"Ich hab die generell so wahrgenommen, auch im Nu Metal Hype der frühen 2000er. Immer für frustrierte Teens leicht verständliche Mitgröltexte, Pathos-"Gesang" für vorgegaukelte Tiefe, Durchschnittscrossoverraps, feddich. Platin-Album."
Kurz: Hüpfmetal
Selbst innerhalb der heterogenen hüpfmetal-szene hatten LP immer einen gewissen Boygroup Status. Dennoch, ich habe sie bis 2014 geh88ed, HT kann man schon hören
Ich hab zu der Hüpfmetal Szene gehört, weil ich aus dem Rock kam, gerade Rap für mich entdeckt hatte und die Mischung spannend fand. Leider waren Crossover Bands aber raptechnisch immer 10 Jahre hinterher. Such a Surge zb eher 20 Darum war der Hype auch schnell vorbei.
Chris, ich hoffe doch sehr, Du kennst dieses Album / Soundtrack: Judgment Night - OST (1993)
https://www.youtube.com/watch?v=SkbojpSsRdQ
Feinste Kost, nach wie vor.
Ok, jetzt wird auch ein Schuh daraus, warum du die Musik, die du mit 15 gehört hast, heute nicht mehr feiern kannst
Klar kenn ich das, Klassiker
"Völlig richtig, keine Frage. Aber ich find retrospektiv vieles, was ich mit 15 geil fand, heute sehr schrecklich"
Tja. Selber schuld, wenn mit 15 Dein Geschmack scheisse war. Ich finde fast alles auch heute noch gut, was ich mit 15 geil fand.
Kann man so sehen, muss man aber nicht. Wenn jmnd zb mit 15 Onkelz Fan war und heute noch nen Heckaufkleber hat, spricht das eher dafür, geistig keine großen Sprünge gemacht zu haben. Der wird seinen Musikgeschmack aber auch nach wie vor geil finden...
Ja. Sowas wie Onkelz fand ich mit 15 schon scheisse.
Nicht schon wieder bitte. Im Zuge der letzten Onkelz-Diskussion habe ich mir tatsächlich ein Konzert von denen angesehen inklusive Fans beobachtet.
Fazit: stinknormale Band mit Schlager-Rock und Fans die zusammen drauf abgehen und sich freuen. Ich sehe keinen Unterschied zu Helene Fischkopvska. Verstehe nicht, wieso die so polarisieren.
Behauptet ja auch keiner, dass Helene ungefährlicher ist Aber im Ernst, man muss sich schon etwas profunder damit auseinandersetzen. Allerdings sind Debatten wirklich vergebliche Liebesmüh. Ein Beispiel fand ich sie dennoch passend. Gibt ja viele ewigpubertierende mit Heckaufkleber, die meinen, sie hätten das Leben verstanden in ihrer tumben Dichotomie.
Linkin Park hat zwei Alben die man sich merken kann. Minutes 2 Midnight als Pophybrid, Thousend Suns weil Eier bewiesen. Der Rest ist cringige Wegschmeissmusik.
Deren bestes Album.
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich steh einfach auf die stimme! die gibt mir einfach immer ein gutes gefühl... ja, ein bisschen mehr esotherik und toxicnegativity in den texten wäre mir auch lieber. aber es gibt schon schöne songs auf dem album. ich mag "with you" richtig gern- man denkt der titel ist vorbei und fängt dann erst richtig an- geil. auch "crawling" und "in the end" werde ich öfter hören. nicht ihr bestes album, aber ein paar starke songs sind dabei.
Bidde ferlass uns!
Das klingt aber mittlerweile - trotz eingebauter Fehler - äußers abgespult und routiniert.
Na, langsam müde?
Die ersten beiden Linkin Park Alben sind Knüller und Klassiker, da können die üblichen Lurche hier wieder so viel verzapfen wie sie wollen. Danach hatten sie auf "Minutes To Midnight" und "Thousand Suns" durchaus auch nochmal tolle Momente.
Und Einfluss hatten und haben Linkin Park zweifellos viel, den aber natürlich nur in der eigenen Szene. Jetzt fallen mir aus den letzten 20 Jahren aber auch nicht gerade viele Gitarrenalben ein, die abseits ihrer Nische das Musikgeschehen verändert hätten, das waren mehrheitlich eher Rap oder elektronische Musik.