laut.de-Kritik

Großes Ohrenkino und zarter Zuckerguss.

Review von

Wohl kaum eine Band hat in den letzten Jahren einen derart beeindruckenden Senkrechtstart hingelegt wie Mando Diao. In drei Jahren veröffentlichen sie drei Alben. Spielten sie im Spätsommer 2004 noch in kleinen Clubs, so sind es 2006 große Hallen und Headliner-Slots bei den großen Festivals. Das bedeutet eine Tourfrequenz, die es mühelos ermöglicht, die Band schon fünf- oder sechsmal gesehen zu haben. Bei diesem Arbeitspensum müsste den Jungs aus Borlänge doch so langsam mal die Kreativität ausgehen.

Um es kurz zu machen: An künstlerischem Schaffensdrang mangelt es Mando Diao auch heuer nicht. Das dritte Album der Band, "Ode To Ochrasy", ist - wie seine Vorgänger - überdurchschnittlich gut. Vielleicht bin ich ja blasphemisch, aber ich meine immer wieder bei Mando Diao das Songwriting der Beatles heraus zu hören. Der Melodieverlauf von "Welcome Home, Luc Robitaille" erinnert an die Fab Four, und auch den Urschrei vor dem kurzen Solo hat man schon von John, Paul, George und Ringo gehört. Das Ganze garniert mit diesem unwiderstehlich zarten Zuckerguss, mit dem Dixgård und Norén die Refrains so großzügig überziehen, avanciert zu einer Mischung, die ohne Gewalt nicht mehr aus den Ohren heraus zu bekommen ist.

Was der Song mit der kanadischen Eishockeylegende zu tun hat, vermag sich mir nicht zu erschließen, aber er vergewissert in gut viereinhalb Minuten, dass im Hause Mando Diao alles zum Besten bestellt ist und wieder ein großer Hörgenuss ins Haus steht. Doch sie bewahren sich Kanten. Das erfährt man spätestens dann, wenn "Killer Kaczynksi" aus den Boxen fuzzt. Hier dürfte es sich nicht um die Politiker-Zwillinge aus Polens handeln, sondern um Ted Kaczinsky, der als Unabomber in den USA bekannt wurde. Wer befürchtet, Mando Diao wären zu Zeigefinger schwenkenden Sozialaposteln mutiert, kann aufatmen. Das Quartett tut immer noch das, was es am besten kann: rocken, rocken und rocken. Im Falle von "Killer Kaczynski" übrigens mit großartiger Bläserunterstützung der schwedischen Jazzmusiker Goran Kajfes und Per "Ruskträsk" Johansson.

Die erste Single "Long Before Rock'n'Roll" frisst sich bei jedem Hören tiefer ins Gedächtnis. Die treibenden Big Band-Drums und der Wechselgesang von Dixgård und Norén zeigt, dass die beiden nebeneinander nach wie vor sehr gut funktionieren. Balladen haben sie immer noch drauf. "The Wildfire" ist wunderwunderschön, aber alles andere als lahm. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie mit "Ode To Ochrasy" ihr Reifezeugnis ablegen. Die Songs klingen nicht mehr so wild und unkontrollierbar wie beispielsweise "Paralyzed" vom Debütalbum, sondern brechen sich beherrscht Bahn. Und die langsamen Stücke sind einfach nur ganz großes Ohrenkino.

Das große Namedropping macht übrigens nicht bei Hockeyspielern und Mördern halt. Auch Tony Zoulias, Musikchef beim schwedischen Fernsehsender ZTV wird mit einem Song bedacht, und auch der alte deutsche Vorname Horst kommt zu Ehren. Etwas überraschen Mando Diao ihre Hörer dann doch. Die pumpenden Beats von "TV & Me" erinnern ein wenig an die Killers, das schöne "Josephine" mutet an, als hätte Jack Johnson Pate gestanden. "The New Boy" schrammt nur ganz knapp am Prädikat 'schmalzig' vorbei. Aber Mando Diao wären nicht Mando Diao, wenn sie nicht auch diese Kurve mit Verve nehmen würden. Mit dem tollen gypsy-inspirierten "Good Morning, Herr Horst" und dem flotten "Song For Aberdeen" gelingt ihnen ein ansprechender Ausstieg aus dem Album. Das akustische "Ochrasy" wirkt fast wie ein Überbleibsel der Studiosessions und hätte nicht unbedingt aufs Album gemusst.

Da Mando Diao auch mit ihrem dritten Album bestehen werden, dürften sie sich um den Rest ihrer Karriere keine Sorgen mehr machen müssen. Sie wagen keine ausgefallenen Experimente, das dankt man ihnen. Ihr Sound taugt genau so, wie er ist.

Trackliste

  1. 1. Welcome Home, Luc Robitaille
  2. 2. Killer Kaczynyski
  3. 3. Long Before Rock'n'Roll
  4. 4. The Wildfire
  5. 5. You Don't Understand Me
  6. 6. Tony Zoulias
  7. 7. Amsterdam
  8. 8. TV And Me
  9. 9. Josephine
  10. 10. The New Boy
  11. 11. Morning Paper Dirt
  12. 12. Good Morning, Herr Horst
  13. 13. Song For Aberdeen
  14. 14. Ochrasy

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