laut.de-Kritik
Kaugummi-Pop: durchgelutscht, ausgespuckt, plattgetreten.
Review von Deborah KatonaElektra – Königstochter einer griechischen Tragödie. Mit Elektra hat Marina And The Diamonds neuestes Werk wenig zu tun. Eher mit Trägödie. "Electra Heart", das ist so: Poppiger als Pop. Provokation mit dem Vorschlaghammer. Das ist so: Muss das sein? Brauchen wir noch so eine? Fast scheint es, als wolle die Dame mit allen Mitteln und ohne Rücksicht auf Verluste an die Spitze der Charts. Dass sie dabei an Charakter, an Einzigartigkeit verliert, scheint sie nicht zu merken oder zu stören.
Was beim ersten Album noch spannend inszeniert wurde, ist hier Kaugummi-Pop: durchgelutscht, ausgespuckt, plattgetreten. Der Alte-Kaugummi-Vergleich stammt nicht von ungefähr. Gleich zu Beginn der Platte stellt sich Marina als "Bubblegum Bitch" vor. Mal ist sie "Homewrecker", mal ein wasserstoffblondes "Teen Idol". Ein "real fake, a virgin pure, a 21st century whore". Vielleicht sollen diese inszenierten Provokationen es reißen? Es wundert jedenfalls nicht, dass sich ein Song "Sex Yeah" schimpft und Marina eben diesen mit "Sex Sex Sex Sex" einträllert.
In "Primadonna" singt sie: "Primadonna girl, yeah. All I ever wanted was the world. I can't help that I need it all: the primadonna life, the rise, the fall." Diamandis scheint - wie schon beim Debüt - die Popwelt irgendwie auf die Schippe nehmen zu wollen, verpasst ihren Songs aber einen derart gewöhnlichen Elektrobeat und pumpende Bässe. Dabei präsentiert sie sich im Look wie Katy Perry. Auf ihrer Homepage stellt sie einige mehr oder weniger Akustik-Versionen bereit. Ohne die schrecklichen Bumm Bumm-Beats muten die Titel nur noch halb so auswechselbar an und gewinnen sogar eine gewisse Coolness.
Ob bei "Lonely Hearts Club" oder "Radioactive": das Album zeigt sich trotz der Übertreibungen bei der Produktion häufig eintönig. Noch beim ersten Album bewunderte man ihr Organ, ihre Liveauftritte machen sprachlos. Doch jetzt klingelt nur das Ohr, wenn Marina ins Mikro kreischt: "Homewrecker! Homewrecker!" Der Song selbst bietet wenigstens ein wenig Abwechslung, denn die Sängerin versucht sich im Sprechgesang. Die Ballade "Buy The Stars", die Anfänge von "Power & Control" oder der einwandfreie Pop bei "Hypocrates" sind dann doch noch ganz angenehme Überraschungen.
"Electra Heart" - leider außergewöhnlich gewöhnlich. Wenn selbst Marinas Stimme manchmal nichts mehr retten kann, sollte sie sich fragen, ob sie mit ihrer "Pick a personality for free when you feel nobody"-Einstellung wirklich eine gute Wahl getroffen hat.
24 Kommentare
Danke, danke, danke, danke, liebe Debbie! Du sprichst mir soooo aus der Seele.
Also die Rezi scheint mir doch ein bisschen so "Ach ein Popalbum, hauen wir mal die üblichen Plastikkaugummibitchpopsprüche raus und tun so als ob wir uns wirklich mit der Platte befasst haben".
Ich find Primadonnagirl eigentlich sehr erfrischend, den Rest kenn ich noch nicht.
Ich wollte das Album wirklich mögen, weil mir der Vorgänger sehr gut gefallen hat, aber es. ging. nicht. Bis auf wenige Ausnahmen ("Primadonna" und vielleicht "Fear and Loathing"; "Radioactive" scheint ja gar nicht drauf zu sein) klingt das alles irgendwie gleich und nervig. Schade!
@CafPow («
ich will nicht über meine Bildung springen um Pop gut zu finden. Dafür hab ich mir die zu hart erarbeitet. Oder wolltest du etwas anderes sagen? »):
Doch, genau das wollte ich damit sagen. EINbildung ist keine Bildung. Und das kommt auf laut.de immer sehr schön rüber.
Ich war auch auf einer sogenannten "Elite-Schule" und trotzdem kann ich objektiv urteilen. Mir steckt nämlich kein riesiger Spießer-Stock im Pobbes. (Bildlich gesprochen, weil... wer weiß was da so alles ist. Haha.)
Marina and the Diamonds, unserer herrlich radioaktive Blondine, ist nach ihrer Tour und der Support-Tour zusammen mit Coldplay zurück mit schönen Neuigkeiten. „Radioactiv“ gab uns vor etwa einem halben Jahr schon ein kleinen Vorgeschmack in welche Richtung wohl das zweite Studioalbum...ganz lesen:http://packung-alex.de/2012/05/06/marina-a…
Neben "Born To Die" mein großes Album-Highlight 2012. Die Songs nutzen sich auch nicht ab, ganz im Gegenteil.