laut.de-Kritik
Musikalische Flatrate-Party, Kopfschmerzen inklusive.
Review von Mirco LeierEnde letzten Jahres prophezeite Fler das Ende der 187 Strassenbande. Schaut man auf die Releases, die die Crew seitdem tätigte, fällt es schwer zu widersprechen. Natürlich fällt der kommerzielle Erfolg der Hamburger nicht einfach von heute auf morgen vollständig in sich zusammen, alle der drei parallel veröffentlichten neuen Alben stiegen erneut in die Top 10 ein, jedoch lassen sich in der Musik erstmals deutliche Ermüdungserscheinungen ausmachen, die sich ultimativ auch auf deren Langlebigkeit auswirken.
"Obststand" und dessen Fortsetzung erreichten über die Jahre Kultstatus, an ein Album wie "Kein Plan" wird sich schon in ein paar Monaten niemanden mehr erinnern. Man kann Maxwell für viele Dinge kritisieren, die er auf diesem Album anstellt, aber das Verheerendste ist schlichtweg, dass es einfach keinen Spaß macht. Schon das Cover macht im Grunde deutlich wieso: Nicht nur sind die Sounds, derer sich Maxwell bedient, allesamt jahrelang überholt, auch das Versprechen von Geld, Sex und Drogen trügt. Die Party die Maxwell mit "Kein Plan" schmeißt, wirkt furchtbar aufgesetzt. Der Schnaps ist alkoholfrei, der DJ viel zu high und die Frauen musste man allesamt dafür bezahlen, um dort zu sein.
Dass Maxwell schlichtweg nicht fähig ist, ein Album alleine zu tragen, beweist die unendlich lange Feature-Liste. Das Lustige daran: Trotz dieser Vielzahl an Gästen bleibt Maxwell durch die Bank der größte Schwachpunkt seines eigenen Albums. Bonez, RAF, Gzuz, Sa4: Egal wie sie heißen, sie alle degradieren den Hamburger zum größten Störfaktor seiner eigenen LP. Sein Flow klingt über weite Strecken unglaublich holprig, seine Stimme nie so, als habe er gerade Spaß, sondern als gäbe er sich Mühe, besonders besoffen zu klingen, und suche nur einen Grund, um die nächste Schlägerei vom Zaun zu brechen. In der Welt von 187 gehören zum Hedonismus schließlich auch immer ein paar ausgeschlagene Zähne dazu.
Hinzu kommt, dass Maxwell in seinem Drogenrausch glatt ein paar Jahre in die Vergangenheit gereist ist: die Beats klingen wie die Resterampe der letzten Bonez und RAF Camora-Alben. Plastik-Dancehall, der schon auf "Palmen aus Plastik 2" seine Halbwertszeit überschritten hatte, reiht sich an die gleiche Soße, mit der The Cratez seit Jahren vehement das Klangbild des Deutschrap-Mainstreams zumüllen. Ganz schlimm wird es auf Songs wie "Billy Boy" oder "Jägermeister", wenn Maxwell versucht, uns ein Nostalgie-Gefühl für Capital Bras LeLeLe-Genuschel und 2010er EDM-Geschrammel zu entlocken.
Das Album klingt dann am kompetentesten, wenn Maxwell die Party-Masche einfach mal kurz beiseite legt, und sich auf die Art von beinharten Straßenrap fokussiert, mit der sich seine Crew ursprünglich einen Namen machte. Auf "Alles Gut!" stellt ihm Jambeatz einen der wenigen funktionalen Beats der LP zur Verfügung, und im Tandem mit Kadafi kommt Maxwell auch nahe dran, einen guten Song auf die Beine zu stellen. Auch das Gzuz-Duett "Shotz" funktioniert gerade aufgrund seiner wirklich starken Hook erstaunlich gut.
Was jedoch selbst den gelungenen Momenten ultimativ das Kreuz bricht, sind die Texte, die über weite Teile auch von einem 16-Jährigen stammen könnte, der gerade seinen ersten Saufurlaub auf Ibiza hinter sich hat. Die Vulgarität, mit der Maxwell über Drogen, aber vor allem über Frauen und Sex rappt, lassen vermuten, dass der Mann mindestens so viel Zeit auf Pornhub wie im Studio verbringt.
Lines wie "Runter auf den Boden, halber Liter ins Gesicht (Splash) / Sie sagt, sie mag es hart, ich spritze in sie rein" sind so widerlich und frei von jeglichen Humor vorgetragen, dass man unentwegt gegen seinen eigenen Würgereflex ankämpfen muss. "Sex Mit Mir" ist diesbezüglich sicherlich das traumatisierendste Beispiel, aber im Grunde findet sich nahezu auf jedem Song eine Zeile, die den Gesamteindruck erheblich ins Negative verzerrt. Selbst der pathetische Closer "Hab's Überlebt" ist nicht vor einer Line wie "Und ein Mädchen auf E sieht mein'n Penis und bläst (Fotze)" gefeit.
"Kein Plan" gibt einem das Gefühl, auf einer Flatrate-Party mit Testosteron-Überschuss gelandet zu sein, auf der man unentwegt von allen Männern ins Ohr gespuckt bekommt, wie geil die Weiber hier sind, wie viele sie davon heute noch ficken wollen, und ob noch jemand Koks hat. Wenn am Ende des Abends das Licht angeht, blickt man in desillusionierte Gesichter, und bekommt als Abschiedsgeschenk eine auf die Zwölf gezimmert. Der Kater am Tag danach ist die Hölle, aber dennoch leichter zu ertragen als dieses Album.
4 Kommentare
Erinnert mich direkt an die grausige b-tight phase 2008. Selbe cover ästhetik
Der Soundtrack zu dieser Huso Com hier
Trap einfach das schlimmste was Rap passieren konnte. Und ich habs, als es neu und aufregend war, echt geliebt.
Soundtrack zur Abschlussfahrt der H9.