laut.de-Kritik
Die Blondpause für Helene Fischer ist zurück.
Review von Yan VogelMichelle ist eine Marke. In ihrer 25-jährigen Karriere war ihr Kurs starken Schwankungen unterworfen, aktuell befindet er sich wieder im Aufwärtstrend. Als Jurorin bei DSDS steigerte sie ihre Medienpräsenz an der Seite von Dieter Bohlen enorm. Nun wuchtet die 46-jährige ihr neues Album "Tabu" in die Läden, das es sogar als Doppel-CD gibt und somit satte 85 Minuten Schlagerpop-Unterhaltung bietet.
Die Blondpause für Helene Fischer oder Beatrice Egli schlägt somit geballt zurück und reklamiert einige Claims, die ihre Kolleginnen in den letzten Jahren für sich abgesteckt haben, wieder für sich. Die Platte könnte auch heißen: Auf der Suche nach dem nächsten "Atemlos".
Dabei nutzen Michelle und ihre Manager die Zeiten als gefallenes Schlagersternchen (Depression, Insolvenz, Jens Riewa) ebenso geschickt wie ihre medialen Sternstunden als Playboy-Model, letzteres etwa in Form des Sex Sells-Artworks.
Musikalisch greift sie auf ein Heer an Autoren zurück (Klienten u.a.: Glasperlenspiel, Helene Fischer, Jennifer Rostock, Christina Stürmer), die ihr die Songs auf den nur halb verhüllten Leib schneidern. Müßig zu erwähnen, dass ihr Name nicht in den Credits auftaucht.
Image und Musik kokettieren gerade so viel mit dem Reiz des Verbotenen, um ein wenig aufzufallen. Brüche oder gar verletzte Tabus sind nicht auszumachen. Die aus Kalendersprüchen zusammengegoogelten Titel erhalten ihr musikalisches Gerüst in bekannter Manier. Es geht einmal queerbeet durch den Fernsehgarten mit simplen Plastik-Beats, den immer gleichen Synthie-Plug-Ins, dezentem Gitarrengezupfe sowie Pianogeplätscher.
Mal schnell, mal langsam, dabei stets auf Wohlklang bedacht. Auch wenn bei "Karma Konto" und dessen Bollywood-Ramsch dem ein oder anderen zünftigen Hüttenbewohner das Kruzifix von der Wand fallen dürfte. Über allem schwebt die autogetunte Stimme von Michelle, ähnlich gut frisiert wie deren Eigentümerin auf den Promo-Pics.
Textlich gilt: Wer immer wieder dasselbe sagt, behält Recht. Spätestens mit dem Track "Lieben, Lieben, Lieben" ist die Marschrichtung vorgegeben. Mal ist er weg, mal ist er da. Dazwischen gibt es nichts. Besondere Erwähnung gebührt dem Duett mit Matthias Reim, dem Grand Canyon des deutschen Schlagers und Ex-Durchgangsstation von Michelle. Thema in "Nicht verdient" ist natürlich die verdampfte Liebe der beiden. Da kann sich jeder seinen Reim drauf machen.
Die Single "In 80 Tagen um die Welt" könnte auch als Joint Venture mit einem bekannten Reiseunternehmen durchgehen. Ich war noch niemals in New York? Aber hallo und überall sonstwo auch. Paris, London, Rom, singt sie. Mailand oder Madrid, Hauptsache Italien, denkt der Rest. Ansonsten erfährt der versierte Bunte-Leser nicht viel mehr, was er nicht eh schon weiß.
Vielleicht muss der Schlagerfan das Album so nehmen wie der Katholik den sonntägliche Kirchgang - da kommt es schließlich auch nicht so drauf an, was der Pfarrer redet. Für alle anderen gilt: Ein Anagramm von tabu lautet Tuba. Besser wegducken!
9 Kommentare mit 4 Antworten
Wäre schön gewesen, wenn der Produzent mit selbiger, wie auf dem Cover dargestellter Geste in seinem Studio gesessen und damit diese fürchterliche Ausgeburt an Notenmüll verhindert hätte. So bleibt ein Album, dessen freiwilliger "Hörgenuss" - quasi der Tabubruch - eigentlich mit der Todesstrafe geahndet werden sollte.
ich glaube das hat sie auch gemerkt und fürs Cover einseitig blank gezogen. Aber ganz so mutig war sie dann doch nicht und hat die nackte Brust ein bisschen abgedeckt. Alle bei denen das Gehirn in der Hose sitzt werden vielleicht die CD kaufen..aber bestimmt nicht wegen ihrer tollen Stimme oder der wunderbaren Musik..ganz allein wegen ihrer schönen Augen .
Bestimmt war das ein voll deepes Statement zum Thema Sexismus.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Schöne Titten!
So sollten sie das Album nennen!
Warte auf ein Kollaboalbum mit Matthias Reim.
Kinners, warum schenkt ihr diesem Album Beachtung? Weil's Spaß macht ein Album zu zerreißen und Klicks generiert? Jeder denkende Mensch weiß doch, dass das Album Müll ist, aber die nicht denkende Fanbase kauft es halt ungeachtet der Kritiken.
Statt dieser Haudrauf-Review hättet ihr schon das neue (leider sehr mittelmäßige) Chvrches-Album rezensieren oder das gute Stephen-Malkmus-Album nachholen können.
Bewirb dich doch und schreib die Rezensionen selbst.
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.