laut.de-Kritik

Die Linzer mutieren zu Natural Born Dancehall Killers.

Review von

Diesmal haben Mono & Nikitaman schwungvoll daneben gegriffen - bei der Wahl des Album-Titels. "Ausser Kontrolle" geraten hier allerhöchstens die Reaktionen des Publikums. Das ungleiche Pärchen jedoch behält die Zügel jederzeit fest in Händen und reitet prächtige Grooves, bis der Schweiß in Bächen von der Decke tropft.

Das Ganze ist oft mehr als die Summe der einzelnen Teile, weiß der Volksmund. Mono & Nikitaman konfrontieren die Welt mit dem lebenden Beweis dafür: "Wir sind mehr als nur zu zweit." Hier singt nicht etwa eine Lady mit hübsch klarer Stimme an der Seite eines Fleisch gewordenen Silben-Schnellfeuergewehrs. Im Doppelpack wachsen diese beiden über sich hinaus und mutieren zu Natural Born Dancehall Killers.

Gut möglich, dass mir Mono alleine zu süßlich, Nikitaman für sich betrachtet ein wenig monoton erschiene. Der Kontrast in den Vocals und die Power, mit der das Duo an einem Strang zieht, macht derlei Schwächen jedoch vergessen. Statt dessen hält der immer wieder aufs Neue reizvolle Gegensatz die Spannung auch dann aufrecht, wenn die Texte gelegentlich nicht auf den Punkt kommen wollen und sich in losen Aufzählungen verlieren.

Eine solide musikalische Basis trägt das Ihre zum Gelingen bei. Dass Nasen wie House of Riddim oder Rootdowns Hausproduzent Teka ihr Handwerk verstehen und ein ums andere Mal dicke Bässe, zwingende Rhythmen und eingängige Melodien zu tanzbodentauglichen Ohrwürmern verquicken, überrascht nicht wirklich. Zum Preis des über Jahre bienenfleißig erarbeiteten Ruhms gehört, dass man solches erwarten darf.

Die nächste Produzenten-Generation steht daneben aber auch bereits parat: Verantwortlich für die Single "Schlag Alarm" zeichnen Sir Jai, der mittlerweile Kool Savas den Rücken frei hält, und Rolling Tones Meska, inzwischen in den Reihen des Ex-Weltmeister-Soundsystems Sentinel aktiv. Beim Blick auf die Anfänge dieser Herren packt mich zugegebenermaßen nicht unerheblicher Mutterstolz. Ganz unabhängig davon verdient die eher schwungvoll statt wuchtig angelegte, Bläser-geschwängerte Nummer, der es dennoch nirgends am nötigen Nachdruck mangelt, vollste Hochachtung.

"Hol's Dir", Scratches und dicke Bässe inklusive, verdeutlicht einmal mehr, warum Dancehall als Hip Hops kleiner Bruder gilt. In "Tiktak" explodiert ein dunkler, gerader Ragga-Beat, während "Das Alles" auf klassisches Reggae-Repertoire setzt, um Rio Reisers "König Von Deutschland" Bashment-kompatibel zu machen. Einen Nachschlag der angenehmen, herzerfrischend naiven Utopie von der besseren Welt serviert Zion Trains DJ Perch nebst dubbigem Beiwerk.

Für "Tut Mir Leid" schaut zusätzlich zu Hermann Mayrs grandioser Posaune Labelkollege Nosliw um die Ecke. Richtig die Post geht allerdings ab, wenn Mono & Nikitaman im Verbund mit Russkaja "Von Osten Bis Westen" eimerweise Balkan-Flair in die Dancehalls gießen. "1000 Sprachen, 1000 Stimmen, versteht man nur, wenn alle singen." "Ho!", "Hey!" und "Jamann!" bleiben international anwendbar, und mit Wodka lässt es sich mindestens so gut anstoßen wie mit karibischem Rum. Nastrovje!

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Schlag Alarm
  3. 3. Kann Ja Mal Passieren
  4. 4. Ausser Kontrolle
  5. 5. Hol's Dir
  6. 6. Das Alles
  7. 7. Digge Digge
  8. 8. Nur So
  9. 9. Yeah
  10. 10. Von Ostern Bis Westen
  11. 11. Wenn Ihr Schlaft
  12. 12. Unterwegs
  13. 13. Tut Mir Leid
  14. 14. Tiktak
  15. 15. Es Kommt Anders
  16. 16. Das Alles (Zion Tain Remix)

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