laut.de-Kritik

Junk-Pop aus dem Märchenwald.

Review von

"Der sicherste Weg, authentisch wahrgenommen zu werden, ist einfach authentisch zu sein", sagt Steffen Brückner, Gitarrist des neuesten X-Factor-Produkts Mrs. Greenbird. Mit der Authentizität ist das allerdings so eine Sache. Modisch zwischen Hippie und Hipster treffen die Kölner mit ihrer poppigen Folk-Melange die "Yolo"-Generation direkt ins Retro-Herz.

Wer trotz des giftgrün gehaltenen Albumcovers noch Gelüste auf Russisch Brot bekommt, der sei gewarnt. Spätestens wenn einem im Booklet der Grinseonkel seine Zunge entgegenstreckt, dann kann sich das Gebäck schon einmal seinen Weg zurück nach oben bahnen. Artwork gehört offensichtlich nicht zur Kernkompetenz des Projekts. Aber es geht ja schließlich um die Musik.

Obwohl Mrs. Greenbird durch die VOX-Maschinerie X-Factor bekannt und zum massentauglichen Produkt modelliert wurden, haben Saitenstreichler Steffen und Sängerin Sarah Nücken neun von elf Songs selbst fabriziert. Naja, zumindest sind sie in der langen Liste von Co-Autoren auch genannt.

Die anderen beiden Tracks sind ambitionierte Coverversionen: "Blitzkrieg Bop" von den Ramones und der Radiohead-Klassiker "Creep". Zur Abwechslung klingt es ja ganz possierlich, wenn die geschrammelten Power-Akkorde durch weich gepickte Griffe ersetzt werden. Eine eigene, neue Note kann man den Songs nicht absprechen, was vordergründig an der markanten Singstimme liegt. Ganz und gar nicht glatt und zeitweise piepsig - nicht jeder wird sich mit Nückens Organ anfreunden können.

Unabhängig davon sät die Single "Shooting Stars & Fairy Tales" alsbald ihre Melodie in des Hörers Hirnwindungen. Darin liegt gleichzeitig die größte (und vielleicht einzige) Stärke der Platte: Es ist unmöglich, sich den Ohrwürmern zu entziehen. Beflügelnd schlängeln sich recht prägnante und simple Notenläufe durch die Stücke. Mal mit stramm durchgezogenen Akkorden auf der Western-Gitarre ("Box Of Colors") oder mit ganz abwechslungsreichem Fingerpicking ("After All") erzeugt, dann mit zweistimmigem Gesang garniert, der eigentlich immer harmonisch klingt.

Wer die Tracks allerdings nach weiteren Rosinen abtastet, der wird enttäuscht. Die Scheibe macht genau das, wozu sie ausgelegt ist: Sie geht geschmeidig den Rachen runter und ist schnell verdaut. Zu viele Facetten der Songs erscheinen wenig ausgereift. Ein Resultat mangelnder Arbeitszeit? "It Will Never Rain Roses" hält einfache, kindlich-trivial anmutende Reime aus dem Schulenglisch bereit ("roses - noses", "mess - wilderness"). Die vielen Versuche, durch "dum-dum" und ein wenig Love und Peace die beständige Inhaltsleere zu verschleiern, fruchten nur wenig.

Seine Krönung erreicht das artifizielle Hippietum im Titel mit der Nummer zehn, wenn einem in countryesker Instrumentalumgebung unaufhörlich die Phrase "Love Makes You Free" verbal an den Kopf geworfen wird. Gänzlich unerträgliche Momente halten sich auf dem Album trotzdem in Grenzen - die rockige Anmaßung an Jeanette Biedermann ("Let Go") einmal ausgelassen. Gezwungen verpopter Roots-Rock steht weder der Band noch ist er aufregend.

Am Ende steht sich das Casting-Konzept einmal mehr selbst im Weg. Was wäre bloß gewesen, hätte man Mrs. Greenbird ein wenig mehr Schaffenszeit gelassen? Vielleicht hätten sie sich ja doch zum authentischen Gesamtpaket gemausert ...

Trackliste

  1. 1. Come By
  2. 2. Blitzkrieg Bop
  3. 3. Shooting Starts & Fairy Tales
  4. 4. Box Of Colors
  5. 5. After All
  6. 6. Let Go
  7. 7. One Little Heart
  8. 8. It Will never Rain Roses
  9. 9. Love Makes You Free
  10. 10. It's Always You
  11. 11. Creep

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LAUT.DE-PORTRÄT Mrs. Greenbird

Mrs. Greenbird heißt ein Musik-Duo aus Köln. Seit Herbst 2010 machen Steffen Brückner und Sarah Nücken gemeinsam Musik, schon vier Jahre länger sind …

178 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Folk und die Yolo-Generation? What?

  • Vor 11 Jahren

    Wer es für nötig hält Blitzkrieg-Bop zu covern und das ganze auch noch auf Platte zu pressen, der ist bei mir schon unten durch. Der Song ist so ausgelutscht, den ertrage ich nicht mal mehr im Original. Und dann noch Creep, hörmiraufdu.

  • Vor 11 Jahren

    Aaaaaaaaaaaaaaaaaaalso:
    9 von 11 Songs waren vor X-Faktor schon fertig, das sind eigene Songs, teilweise mit befreundeten Musikern zusammen geschrieben.
    Die Stimme von ihr ist grandios, geht runter wie Öl, umschmeichelt den Gehörgang und ist nie fiepsig.
    Die Coverversionen Creep und Blitzkrieg Bob sind so einzigartig arrangiert, dass es fast schon neue Songs sind, nicht im geringsten ausgelutscht, sondern ENDLICH mal frische Cover-Versionen dieser beiden Klassiker, ebenfalls lange vor X-Faktor im Live-Programm der beiden gewesen.
    Da alle Songs bereits fertig waren und nur noch überarbeitet und neu aufgenommen werden mussten ging das alles so schnell und ich habe mich ehrlich gesagt gewundert, dass das Ding nicht schon zum Weihnachtsgeschäft kam.
    Da entspringt dem Casting-Dreck EINMAL was eigenständiges und von wahren, fertigen und vor allem GUTEN Musikern und dann wird es immernoch verrissen, ts.