Porträt

laut.de-Biographie

Nikka Costa

Hipster dieser Welt latschen durch die Fußgängerzonen der Metropolen und präsentieren sich in Klamotten von Tommy Hilfiger, weil es eben hip as fuck ist. Die (drögen) Outfits aus jenem Hause sind jedoch mit verantwortlich, dass der Name Nikka Costa immer mehr Menschen ein Begriff ist. Ein Werbespot der Company ist nämlich mit "Like A Feather" unterlegt. Dieser Song aus "Everybody Got Their Something" läuft daraufhin prompt auf heavy rotation, obwohl zu dem Zeitpunkt eigentlich schon eine olle Kamelle war. Aber solche Starthilfe ist nicht zu verachten, und wer schaut einem geschenkten Gaul schon gerne ins Maul...

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Nikka, die am 4. Juni 1972 in Tokio als Domenica Costa zur Welt kommt, hätte sich auch auf andere prominente Schützenhilfe verlassen können. Schließlich ist sie die Tochter von Don Costa. Der Produzent und Arrangeur saß für diverse Weltstars an den Reglern. So zum Beispiel für Paul Anka, Quincy Jones, Sammy Davis Jr. und Frank Sinatra. Letzterer ist übrigens Nikkas Taufpate. Mit einer solchen genetischen Vorbelastung scheint die Karriere schon vorgezeichnet zu sein.

Tatsächlich nimmt sie als Mädchen bereits mit fünf Jahren ihre erste Platte auf - ein Weihnachtsalbum, zusammen mit dem hawaiianischen Sänger Don Ho. Mit sieben trällert sie im Zugaben-Teil bei einem Konzert ihres Vaters in Mailand. Das anwesende Publikum ist ob der Performance derart aus dem Häuschen, dass das italienische Label GCD sie fast vom Fleck weg unter Vertrag nimmt. Sie singt den Song aus der Show, "Out Here On My Own", im Studio ein und landet damit einen veritablen Nummer Eins-Hit in Bella Italia.

Mit zarten acht Lenzen performt sie auf der Chile-Tour von The Police im Vorprogramm, vor sage und schreibe 300.000 Zuschauer:innen. Das selbstbetitelte Debüt fährt in Europa und Südamerika Edelmetall ein. Um sie nicht als Kinderstar zu verheizen, erscheint das Album nicht in ihrer amerikanischen Heimat. Mit ihrem Taufpaten Frankieboy steht sie 1982 sogar gemeinsam bei einer Benefizgala auf der Bühne, um das Stück "To Love A Child" zum Besten zu geben.

1983 erscheint ihr zweites Album "Fairy Tales", für dessen Promo sie um die Welt zieht. In Paris angekommen, erfährt sie die traurige Nachricht, dass ihr Vater einem Herzinfarkt erlegen ist. Alle Termine sind somit vorerst hinfällig. Nikka nimmt nach der Trauerphase einen weiteren Anlauf, ihr Album zu vermarkten, zieht sich jedoch im Alter von elf Jahren aus dem Musikgeschäft zurück. Nur zu verständlich: Wer will schon vor einem großen Publikum Songs wie "Stay Daddy Stay" mit dem Wissen singen, dass der Daddy eben nicht bleibt.

Ihre selbst-verordnete Auszeit dauert bis 1989. Da nämlich erscheint ihre nächste Platte "Here I Am... Yes, It's Me", und die entsteht in Deutschland mitten im Eurodance-Fieber. Aufgrund ihrer Dancepop-Ausrichtung gleicht sie künstlerisch einer Fahrt gegen die Wand. Nikka übt keinerlei Einfluss aufs Songwriting aus. Den Versuch, den Flop in Kult umzumünzen und eine spanische Version dieser Katastrophe zu veröffentlichen, heißt "Loca Tentacion" und scheitert ebenso. Einige Engagements in Italien bringt sie noch über die Bühne, bevor sie auch das zweite Kapitel ihrer Karriere ad acta legt und abermals ihren Rücktritt verkündet.

Nikka Costa - Dirty Disco
Nikka Costa Dirty Disco
Must-Have für Funk- und Nikka-Fans.
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Um sich neu zu orientieren, jettet der Teenager kurzerhand nach Australien. Was der Heranwachsenden die interkontinentale Umstellung erleichtert, ist ihr Herzblatt Justin Stanley. Er jammt in der Band Electric Hippies, und die kann Down Under einiges reißen. Zusammen ziehen Nikka und Justin in die Metropole Sydney, wo sie sich das Ja-Wort geben. Das Singen hat der Kinder-Star also nicht aufgegeben, Nikka verlagert es nur in eine relaxtere und privatere Atmosphäre. Sie steht für diverse kurzlebige Tour-Bands am Mikro und feilt parallel mit ihrem Partner an neuen Songs.

Das Label Mushroom nimmt sich ihrer an und veröffentlicht den Longplayer "Butterfly Rocket" 1995. Der Ehemann hockt hinter den Reglern. Stilistisch hat die Scheibe mit Nikkas früheren Outputs überhaupt nichts mehr gemein. Blues und Rock halten Einzug. Die Scheibe bringt ihr eine Nominierung für die australischen Aria-Awards als 'Bester Newcomer' ein.

1999 gibt's nochmal einen biographischen Bruch: Das Paar kehrt zurück in Nikkas Teilzeit-Heimat nach L.A., wo sie bei Cheeba, einem Sublabel von Virgin, einen neuen Deal unterschreibt. Insgesamt zwei Jahre feilen Nikka und Justin an neuen Songideen. Befreit von jeglichem Druck, entstehen dabei Lieder, die sich stumpfsinniger Kategorisierung entziehen, sondern Genres überschreiten. Bei den Aufnahmen gehen Promi-Gäste wie Billy Preston und The Roots-Mastermind Questlove zur Hand.

Soulige Elemente, kombiniert mit einer staubtrockenen Rock-Power: Daraus entsteht eine ganz eigentümliche, aber interessante Mischung. "Meine Mom war wirklich tief im Soul, und ich liebte diese Musik immer. Dann hatte ich diese tragischen Seiten meiner Kindheit", erläutert Nikka auf der Website von Yamaha Keyboards. "Irgendwie gab mir das Hören dieser Soul-Sänger das Gefühl, dass sie in ihrem Leben noch mehr Qualen erlitten, und das sprach mich an. (...) Diese Musik war das einzige, was mir ein besseres Gefühl gab, wenn ich als Kind meine Probleme hatte. Freude und Schmerz treffen sich in der Soulmusik. Sogar in den fröhlichen Liedern stecken Tränen. Genau das berührte mich."

Das kernige Werk "Everybody Got Their Something" arbeitet formal mit dem roten Album-Faden und streut coole Interludes wie "Nikka Who?" und "Nikka What?" ein. Als Producer zeichnet ein bis dato unbekannter junger Dude namens Mark Ronson verantwortlich.

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Danach zieht es sich geschlagene vier Jahre hin, bis wieder ein Lebenszeichen auf Album-Länge zu hören ist. Eigentlich für Oktober 2004 angepeilt, verschiebt sich das Veröffentlichungsdatum ein ums andere Mal, bis "Can'tneverdidnothing'" Ende Mai 2005 in den USA erscheint. Die deutschen Fans müssen sich sogar bis Juli gedulden, lernen die Künstlerin einstweilen aber live im Vorprogramm von Lenny Kravitz kennen. Im Set hat sie nun den Track "Fatherless Child", eine ihrer wenigen konkreten und autobiographischen Stories to tell, während sie sonst ihre Texte gerne allgemein hält.

Längst hat sie das Interesse von Prince geweckt, der mit ihr ein Stück schreibt und auftritt. Seine DVD "Live At The Aladdin/Las Vegas" featuret Nikka. Ihre weiteren eigenen Releases trudeln jedoch wieder verspätet, gar nicht oder kaum beworben ein. So nimmt sie mehrere Anläufe, als Indie-Artist zu reüssieren. Der erste Versuch 2008 erfolgt in Zusammenarbeit mit Stax. Zum 50-Jährigen feiert sich das Traditions-Label aus Memphis mit einer Wiederbelebung des Katalogs und Eröffnung eines Museums, Concord kauft alle Lizenz- und Markenrechte, und gleichzeitig akquiriert man Künstler:innen, die den Stil von Stax in den 2000ern ausleben. Costa ist so eine Musikerin, und im Vertriebsnetz von Stax/Concord erscheint ihr funky Album "Pebble To A Pearl".

Die Künstlerin kümmert sich um vieles selbst: Es sind ihre Songs, sie koproduziert den Longplayer zusammen mit ihrem Mann und sie zeichnet das Cover-Artwork. Bereits der Nachfolger "Pro # Whoa!" findet keine Unterstützung eines Vertriebspartners mehr. Costa sucht, ist aber mit einer großen P!nk-Tournee busy. Letztlich bleibt ihr nur MySpace als Werbefläche. Für CDs nützt ihr dieses Tool aber nichts. Das Album versandet dann in einigen Promo-Pressungen und kommt nie in den Handel. Schade, sonst hätte man Costa in Rap-ähnlichem Sprechgesang kennen gelernt.

Immerhin schafft es die Auskopplung "Ching Ching Ching" ans Licht der Öffentlichkeit und zeigt, was für ein Potenzial die Musik in Deutschland hat: Die Single erreicht im tropisch heißen WM-Sommer 2010 Platz 69 mitsamt dem Reim "you can't blame us for the right / to be famous over night". Und das nur wegen ein paar Konzerten als P!nk-Support.

Im Gespräch anlässlich des schon fertig abgemischten Werks erzählt die Sängerin über sich und ihren Kreativ-Kumpel Keefus: "Wir haben einfach mit den Beats angefangen und haben von dort dann weitergemacht. Wir sind beide mit dem frühen Hip Hop aufgewachsen. Diese nach vorne gehenden Beats. Und dann natürlich auch mit den Keys und dem E-Bass der Achtziger. So haben wir angefangen, und das Album hat sich dann von ganz alleine aufgenommen. (...) Ich glaube, dass viele meiner älteren Fans überhaupt nichts mit "Ching Ching Ching" anfangen konnten. Denen würde ich aber am liebsten sagen: 'Macht euch locker.'"

Danach tritt allerdings eine sehr lange Pause ein. Nach Tochter Sugar McQueen kommt im Mai 2013 Sohnemann Suede zur Welt. Ein Comeback-Album mit Jazz-Standards, zwei Prince-Coverversionen und Streichquartett erreicht jenseits eingeweihter Fachkreise kein Publikum: "Nikka & Strings, Underneath And In Between". In Deutschland erscheint es im Frühling 2017 zwar beim renommierten Berliner Label !K7, geht aber sang- und klanglos unter.

Platten bedeuten Nikka dabei lange nicht so viel wie das Auftreten, beschreibt sie auf den Seiten ihres Keyboard-Herstellers Yamaha. "Das ist mein Lieblings-Part: Es zum Leben zu erwecken und [mit Publikum] in Kontakt zu kommen. Wenn ich performe, gibt es dafür keine Choreographie. Ich lasse alles so weit wie möglich auf mich zukommen. Ich habe festgestellt: Je mehr ich es laufen lasse, desto mehr bekomme ich zurück. Auftreten ist das Ultimative: Es ist eine sexuelle Erfahrung, verschwitzt und 'screamy'."

Besonders in Australien bleiben ihr die Fans zugeneigt und strömen auch in den Lockdown-Jahren in Nikkas Shows. 2024 besinnt sich die Tanzfreudige mit den Wuschellocken auf das, was beim Kollegen Kravitz auf Tour damals schon funktionierte: Funk. So eröffnet sie in verschiedenen Spielarten ihre "Dirty Disco". Während ihre Stimme nie so recht zu den unverwechselbaren Kehlen zählte, fesselt sie im Track "Slow Emotion" mit einer hinreißenden Sopran-Darbietung. Costa hat im Laufe der Jahrzehnte überhaupt bewiesen, dass sich Frauen im Dance-, Disco- und Soul-Umfeld vom Barbie-Image abheben und mit eigenen Konzepten, Lyrics und Produktionen ihre Handschrift setzen, und das sogar, wenn sie als Kids in die Branche reingerutscht sind.

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Pressefotos 2001 Soul meets Rock: starke Stimme und intelligentes Songwriting

Soul meets Rock: starke Stimme und intelligentes Songwriting, Pressefotos 2001 | © Virgin (Fotograf: ) Soul meets Rock: starke Stimme und intelligentes Songwriting, Pressefotos 2001 | © Virgin (Fotograf: ) Soul meets Rock: starke Stimme und intelligentes Songwriting, Pressefotos 2001 | © Virgin (Fotograf: ) Soul meets Rock: starke Stimme und intelligentes Songwriting, Pressefotos 2001 | © Virgin (Fotograf: )

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