laut.de-Kritik
Isolation, Gefühlsbetäubung und die "Rettung" im Rap.
Review von Thomas HaasNMZS ist tot. Am 20. März 2013 entschied sich Jakob Wich für den Freitod. Diese Meldung überschattet unweigerlich sein Album "Der Ekelhafte", das nun posthum veröffentlicht wurde.
Bei allem Respekt liegt die Neugierde in der menschlichen Natur. Also begibt man sich auf die Suche nach versteckten Hinweisen oder Anspielungen, die NMZS' Tat verständlicher machen. Auf schwammige Interpretationen etwaiger prekärer Zeilen möchte ich trotzdem verzichten.
Fakt ist, dass NMZS sich auf der Platte stellenweise selbst zu seiner beklemmenden Lage äußert. "1984", unterteilt in drei Fragmente, reißt grob den Werdegang des Düsseldorfers an: Schulzeit, erster Kontakt zum Rap, aufkeimende Selbstzweifel. Der Song endet (noch) mit einem optimistischen Blick in die Zukunft: "Aber bin gespannt, was noch alles in ihm steckt / Raupe, Kokon – Butterfly Effect."
Bedrückend wird es, wenn er von seiner Studienzeit in "Siegen" erzählt. Soziale Isolation, Gefühlsbetäubung durch Drogen und die "Rettung" im Rap sind da nur die oberflächlichen Erscheinungsbilder. "An diesem Ort hab ich einen Teil meiner Menschlichkeit verloren", resümiert er. Im Kontext des Geschehenen geht der Song verständlicherweise doppelt und dreifach unter die Haut.
Die Ausgrenzung gründet in seiner Abneigung gegenüber der Gesellschaft, die an verschiedensten Punkten von "Der Ekelhafte" durchblitzt: "Ich fühl mich missverstanden wie Heidegger und Nietzsche / Euer Widerstand ist Attitüde – Teil einer Maschine". NMZS war "Nie So Wie Ihr". Besonders abgesehen hat er es dabei auf eine neue entstandene Jugendkultur, die der Hipster. Sein unverblümter Wunsch, der sich perfekt in die Reihe oftmals überspitzter Lines einreiht, lautet: "Scheiße - fickt euch - nein, sterbt aus, fickt nicht".
Zwischen Representern und leider auch inhaltlosen Tracks zeichnet NMZS Bilder, die seinen zuweilen makaberen Humor durchscheinen lassen. "Wenn die Ärzte mit mir sprechen, weil ich Schmerzen hab beim Lächeln / Spuck ich Erbsensuppenreste in ihre Fressen". Die unterhaltsamste Anspielstation lautet hier wohl "Frag Mich Nicht", die zwar das ausgelutschte rhetorische Fragen-Modell aufgreift, dabei aber fundamentale Überlegungen à la "Warum gibt es manchmal zwei Strahlen, wenn ich pisse" zum Vorschein bringt.
Den einzigen Störfaktor bilden die Produktionen Pitlabs, die sich nicht so recht zwischen Synthie-Geballer, pompösen Bässen und stimmungsvollen Gitarren-Riffs entscheiden können und so eine Unbeständigkeit erzeugen, die das Gesamtbild signifikant trübt. Die Lyrics hingegen sind die gesamte Spielzeit über gleichermaßen anspruchsvoll wie unterhaltsam.
Bezeichnenderweise heißt das Outro "Jetzt Ist Es Vorbei". Mit "Der Ekelhafte" schuf NMZS zweifelsfrei einen würdigen Abschluss.
9 Kommentare mit 65 Antworten
Wie ekelhaft es ist zu schreiben, er schuf mit diesem Album einen "würdigen Abschluss". Respektlos. Nichts verstanden.Wie wenn es um einen würdigen Abschluß ginge. Beurteilt das Album gefälligst als Werk, und lasst die Frage raus, ob das jetzt würdig für seinen Tod sei, denn diese Frage ist ekelhaft anmaßend.
Sehe ich genauso! Geht gar nicht!
Kann der Review weitgehend zustimmen, die ziemlich billigen Beats stören wirklich im Gegensatz zu den sehr guten Lyrics, Songs wie Siegen oder Jetzt Ist Es Vorbei hört man selten. Wirkt auf mich einfach viel ehrlicher und aufrichtiger als der meiste andere Deutschrap.
Danke @ yoloyeah.
Meiner Meinung nach noch respektloser zu schreiben, das Album stelle zweifelsfrei einen würdigen Abschluss (seines Lebens? Seiner Rapkarriere?) dar, und es dann mit 3 von 5 Sternen zu bewerten ^^
Ja lasst uns allen, die sich umgebracht haben 5 Sterne geben, ganz geich was er abgeliefert hat, das ist respektvoller! Facepalm...
Was erwartet man von einem yoloyeah?
ich habs jetzt die letzten tage massiv (höhö) gepumped. ein saugeiles album. ok, vllt weil ich finsteren scheiss mag, aber es ist irgendwo zwischen morbidem galligen humor und totaler beklemmung und depression. ein bisschen wie das lebenswerk "slow, deep and hard" von type o negative,
5 Punkte, na klar!
kein gutes Album, aber ein Künstler der Potential hatte und einzelne wirklich coole Songs hat
empfehlen kann ich die ältern Tracks wie Leberhaken