laut.de-Kritik
Mehr Maschine als Mensch.
Review von Kai ButterweckDie drei Thüringer sehen sich selbst "Club-Act, der sich gerne auch mal die Gitarre umhängt". Dass dem auch so ist, beweisen Northern Lite seit vierzehn Jahren und vier Alben. Anno 2011 fällt der ewige Kampf zwischen Sechssaiter und Elektrospule allerdings einseitiger aus als gewohnt.
Jene Balance ist weitgehend dahin und die Klampfen kommen nur noch sporadisch zum Einsatz. "We Are" ist beispielsweise einer der wenigen Songs auf "I Like", der mit drei warmen Akkorden diese Northern Lite-typische Mixtur aus Mensch und Maschine zum Vorschein bringt.
Auch "One Soul To Sell" bedient die Freunde der klassischen Six String-Kunst, auch wenn der Gitarrensound das letzte Mal vermutlich Mitte der Neunziger bei Heroes Del Silencio Verwendung fand. Macht nichts, denn ummantelt vom strengen Beat, leichten Synthies und Andreas Kubats markantem Organ trägt es den angestaubten Klang in die Neuzeit.
Das wars dann aber auch weitestgehend mit der Elektro-Rock-Symbiose. Der Rest des Materials zerrt die Band runter von der großen Bühne und rein die verschwitzten Clubs. Der Dreier baut dabei eine musikalische Brücke zwischen Tanzfläche und Chillout Area. Im Vordergrund bleibt stets Kubats Stimme, die sich düsterer Lyrik annimmt und dem Gesamtpaket den typischen Stempel aufdrückt.
Das Ausloten von Dynamiken zu Beginn und der damit einhergehende Tanzappeal von "Black Day" oder "Running" weicht im Verlauf des Treibens immer mehr einer reduzierten Instrumentierung und melancholischen Verstörtheit, die in "Hellborn Man" ihren Höhepunkt erreicht. Hier streifen die Erfurter durch die Marlboro-Prärie und machen sich auf den Weg zum "Memory Gardens", um ihr Soundmodul zwischen den Grabstätten von June Carter und Johnny Cash zu verbuddeln. Hypnotisch trist und dennoch vereinnahmend und bezirzend kriecht dann "I Like" in die Gehörgänge.
Auch wenn die ganz großen Momente fehlen, kann man sich der unterkühlten Atmosphäre des Albums selten entziehen. Und letztlich fühlt man sich wieder an die Zeiten erinnert, als sich Northern Lite mit "Small Chamber Works" ihre ersten Sporen verdienten.
2 Kommentare
Tja, zu "Temper" können sie damit mal wieder nicht aufschließen... Und der Gitarrensound klingt wirklich extrem altbacken. Wäre mir persönlich noch einen Stern weniger wert gewesen.
Ich bin mit der neuen Pladde wieder voll zufrieden. Es ist wieder clublastiger geworden, was meiner Meinung nach aber schon mit LS Part I anfing - "I Like" ist sozusagen die Vollendung davon. Bin mal gespannt, wie die neuen Songs live klingen.