laut.de-Kritik
Deutscher Straßenrap ist tot und soll es bleiben.
Review von David Maciej Laskowski"Sie sagen, mit echtem Rap machst du keine Hits mehr. Und es wird schwer, mit so einem Album zu landen. Aber das bin ich, Olexiy Kosarev. Ich geb' euch, was ihr braucht." Mit diesem Statement beginnt Olexesh, bürgerlich Olexiy Kosarev, sein neuntes Album "Olexiy Kosarev" auf dem Opener "Olexiy Kosarev". Okay, schon einmal ganz schön viele Olexiy Kosarevs. Wir wissen alle, was das bedeutet, vor allem, nachdem er sich bei seinem letzten Album einen, stilistisch betrachtet, eher langweiligen Urlaub in lateinamerikanischen Gefilden gegönnt hat. Wenn Rapper anfangen, einen Song oder gar ein ganzes Album mit ihrem bürgerlichen Namen zu betiteln, erwartet einen zumeist etwas, das den Urheber wieder back to the roots bringt. Oder, dass es ein persönliches Album wird. Oder sogar beides. Wollen wir mal hören, was der Bratan so zu sagen hat.
Den Großteil der Produktion dieses Albums übernimmt LuciG, der unter anderem schon für US-Stars wie Pop Smoke oder Rod Wave produzierte. Tatsächlich fängt das Album vielversprechend an, zumindest im Vergleich zu seinen letzten. Die Messlatte liegt dementsprechend nicht besonders hoch. Doch der Opener bietet einen melancholischen Boom-Bap-Beat mit ein paar sanften Streichern und einem Piano, Olexesh holt einen schön in die Fresse gehenden, gleichzeitig trotzdem sehr lässigen Flow raus und richtet sein Feeling beim Rappen so ein, dass es an hungrigere und ambitioniertere Tage des Rappers denken lässt: "Bruder, mach' die Heizung aus, damit ich hungrig bleib' / Denn es muss kalt sein, wenn ich schreib', damit ich spür' das Eis." Er erfindet das Rad nicht neu, aber: durchaus ein sehr solider Einstieg.
Die Reminiszenz an alte Zeiten geht mit der Single "Ich Werd Rapper" weiter, diesmal begleitet von einer ordentlichen 808 und einem fiesen Synth, der an einen alten Tastenhandyklingelton erinnert. Simpel, aber effektiv, um gute Blockhustler-Stimmung zu bringen. Manchmal wirkt es ein bisschen krampfhaft, wie Olexesh versucht, sein
Album als "echten Rap" zu verkaufen, wenn er Lines droppt, wie "Das ist kein Liebeslied, kein Techno, Schlager oder Rock / Ich weiß, du hörst am liebsten 'Magisch', aber darauf hab' ich Bock" oder "Fans sagen: 'Wegen dir hör' ich wieder Rap' / Weil sein Vorbild ist am Arsch und ist jetzt auf Crack." Ansonsten funktioniert der Song trotzdem gut.
Mit "Schüttel Den Block" kriegen wir einen schönen, orchestralen Trapbanger mit Hanybal. Die Hook geht gut nach vorne, doch ab hier macht sich das Kernproblem dieses Albums allmählich bemerkbar, das sich besonders in "64. Stock" vernehmen lässt: "Spielos, rauche die Kilos, mache Minus / Siehst du? Mir vertrau'n nur Jungs aus der Siedlung / Tiefpunkt, Schulden bei Kripo / Kein Problem, ich hol' mir Haschisch von Primo, dann Casino." Oder: "Ich bin kaputt, ich geb' zwei Million'n für Klamotten aus." Solche Zeilen machen so ziemlich die Hälfte oder gar zwei Drittel dieses Albums aus und finden auf genau diesem Niveau statt. Olexesh rattert generische Straßenrap-Floskeln und Stereotype wie Checklisten runter. "strong>64. Stock" kommt obendrein mit der Mutter aller typisch deutschen Straßenrap-Beats, diese Art, die rund um 100 BPM stattfindet, stets versucht, episch, rough oder düster zu klingen, und nicht weiß, ob sie jetzt Bushido-Type-Beat oder Trap sein möchte.
Ähnlich maue Ergebnisse bringen dementsprechend Songs wie "OL Im SL" mit Amo oder "Handschellen Aus Chrom" mit Celo & Abdi. Zwischendurch versucht Olexesh, mit "Ghetto Alpha" featuring VS Mosquito, "Gangsta Rap" mit Baba Saad oder "Rosen Im Beton" mit Gesangshook von Gini, doch wieder auf klassischeren Boom-Bap-Beats Fuß zu fassen. Allerdings fallen die Ergebnisse nicht so spannend aus wie beim Opener.
"Gangsta Rap" missfällt besonders, wenn sich da ein Baba Saad auf das Album schleicht und in typischer Asi-Proll-Attitüde von sich gibt: "Und wenn du Nutte fragst: 'Was hat dieser Saad vor?' / Sag' ich: 'Ich mach' deutschen Gangster-Rap wieder hardcore.'" Ach herrje, kann einer solchen Rappern mal sagen, dass sie bitte damit aufhören sollen, ständig davon zu labern, Rap wieder hart machen zu wollen? Diese Floskel kriegt man schon seit Ewigkeiten aufgetischt. Als ob harter Rap fast komplett ausgerottet wurde. Dabei ist das komplette Gegenteil der Fall, oder Rap hat sich einfach nur weiterentwickelt. Saad und Konsorten wollen sich aber stilistisch nicht bewegen. Wenn Saads Beitrag auf diesem Album seine Vorstellung von "hardcore" ist, die wieder etabliert werden sollte, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass deutscher Straßenrap einfach nur tot ist. In dieser Form sollte er es am besten auch bleiben.
Kennt ihr diesen wahrscheinlich schon zu einem Meme gewordenen Spruch, dem nach harte Zeiten starke Männer, starke Männer gute Zeiten, gute Zeiten schwache Männer und schwache Männer harte Zeiten kreieren und der Kreislauf dann wieder von vorne beginnt? Ein waschechter, zertifizierter Manosphere-Klassiker. Und, siehe da: Olexesh bringt das in "Rosen Im Beton" fast identisch zum Ausdruck: "Du weißt, harte Zeiten fordern harte Männer." Genial. Kombiniert mit "Glaub' an Gott und an das Leben nach dem Tod / Gott ist zwar groß, aber klein war das Boot", und der ach so gottesfürchtige Traum eines jungen Konservativen ist perfekt. Obendrein wieder so ein Klischee, das wir in unserem Straßenrap-Bingo abhaken können.
Trotzdem entkommt das Album noch ein paar Mal mehr oder weniger dem Sumpf der Belanglosigkeit. "Ich Liebe Dich" widmet Olexesh seinem kleinen Sohn gewidmet, für den er versucht, trotz Tour und all dem Hin und Her so gut es geht da zu sein. Diese Art Song ist zwar auch nichts Neues, aber irgendwie fällt es schwer, etwas Negatives zu so einem Stück zu sagen. Noch dazu ist die Hook, die sich Olexesh mit den Liebesbekundungen seines Sohnes teilt, eine hübsche Idee.
"Wassereis" klingt mit den hochgepitchten Vocals wie eine abgespeckte Version seines Klassikers "Purple Haze" und kommt textlich mit diesem einen nicht sehr innovativen Lovesong-Konzept um die Ecke, in dem ein Rapper allerlei Dinge mit seiner Traumfrau unternimmt: Kiffen, zu unterschiedlichsten Orten verreisen, sie mit Luxusgütern beglücken und so weiter. Wer aber ansonsten einen guten Track zum Chillen benötigt, ist mit diesem hier trotzdem gut bedient. Das Outro "Träum Groß" überzeugt zumindest noch mit guter Atmosphäre.
Ex-AON-Stammproduzent Maestro ist auf zwei Produktionen vertreten. "Bunnies" gab mir mit dem Einstieg noch die Hoffnung, einen fetten Boom-Bap-Banger à la SSIO oder Xatar zu bekommen. Jedoch artet der Song kurz darauf zu einem handelsüblichen, stereotypisch orientalisch klingenden Club-Anthem aus: schon bouncy, aber echt nichts Weltbewegendes. Da klingt die eher asiatisch angehauchte Produktion Maestros auf "Limo Stretch" schon etwas interessanter.
So erhalten wir mit "Olexiy Kosarev" erneut ein sehr mäßiges Olexesh- und allgemein wieder einmal ein kaum herausstechendes Straßenrap-Album. Wirklich nicht weiter erwähnenswerte Songs wechseln sich mit passablen und, seltener, guten Songs ab, wobei die passablen und guten Songs immer noch darunter leiden, dass Olexesh in den meisten Fällen absolut nichts Interessantes zu sagen hat. Die ganzen Rap-Features retten das ebenfalls nicht, weil sie mehr oder weniger nach demselben Schema wie Olexesh rappen. Ausnahme bildet Urgestein Curse, der auf "Regen Und Wind" den mit Abstand besten Part auf diesem Album bringt.
6 Kommentare mit 5 Antworten
curse part is so fire oh boy
Er kann es tatsächlich immer noch, wenn er nur will
Schüttel den Block mit Hulk Type Geige, ist schon krass. Die Singles sind auch gut, aber Ami Rap etc ballert einfach krasser.
Ich glaub das hat alles mit Feelings zutun. Rosen im Beton ist crazy, konnte es mir aber glaube nur einmal anhören, weil ich sonst bisher nicht in der Stimmung war.
Ist schwer, ich glaube aufgrund von Hinterhofjargon, ist er etwas limitiert im Texten und dadurch auch nicht direkt zugänglich. Etwas für die Insider, aber sonst ein korrekter und humble Dude laut Stoked Interview.
Ein musikalisches Abenteuer wie ein IKEA-Regal: Anfangs verwirrend, aber am Ende steht da was, das jeder in seinem Wohnzimmer zu stehen hat.
Zenit vor 10 Jahren, seitdem maximal kolportagenhafte Verwaltungsstagnation bis deutlicher Rückschritt
Stimme Dir zu, würde jedoch sogar anzweifeln ob er jemals nen Zenit hatte, oder ob es einfach eine zehnjährige Talfahrt ist.
"Masta" war so sein Bestes, doch auch das hatte schon damals unpassend kontextbefreite Blödelsongs eingestreut
Ich raff nicht, wo ihr einen Unterschied zwischen dem früheren und dem jetzigen Olexesh seht. Der war immer schon genauso scheiße wie jetzt.
Ah, der klassische „War schon immer scheiße“-Take. Ist halt leichter, alles in einen Topf zu werfen, als sich mit der Entwicklung auseinanderzusetzen.
Größtenteils stabile Review, stimme in den meisten Punkten zu. Aber, woher der Autor die Annahme „Rap hat sich einfach nur weiterentwickelt“ nimmt, bleibt rätselhaft. Zumindest bezogen auf Deutschrap. Sehe da keine Entwicklung, zumindest keine positive. Falls doch: bitte um Beispiele.
1.Deutschrap hat sich massiv von Boom-Bap und einfachen Loops hin zu komplexeren, genreübergreifenden Produktionen bewegt.
2. Es gibt heute mehr Diversität bei Themen und Perspektiven, nicht nur Gangster-, Battle- oder Representer-Rap.
3. Auch technisch wurde Deutschrap variabler, individueller und internationaler.
4. Der Begriff „Deutschrap“ umfasst heute viele Subkulturen.