laut.de-Kritik

Ein Monster von einem Storytelling-Album.

Review von

"Ich halte das blutige Mic, solange wir kämpfen müssen / und trampel mit Stahlkappenstiefeln durch deine Gänseblümchen." Einen langen Weg hat Banjo vom Talent zur landesweit bekannten Rapgröße zurücklegen müssen, mit Album Nummer drei erreicht er sein Ziel. Charteinstieg auf Platz 38, Album des Monats in der Juice für einen sehr kontroversen, kantigen Rapper ohne fuffieschmeißende Majorlabels im Rücken.

Kontrovers, weil Banjos Rapstyle enorm anstrengt. Wer sich gemütlich zurücklehnen und cruisen oder Spliff rauchen und Playse zocken möchte, sollte eher auf Kollegen aus Berlin zurückgreifen. Wenn der Aschaffenburger eine Wortkolonne nach der nächsten auf die ahnungslose Hörerschaft abfeuert, trifft die Bezeichnung 'Wortakrobat' endlich mal wieder ins Schwarze.

Allein das Auseinandernehmen dieser monströsen Konstrukte nötigt deutlich mehr als nur einen Durchgang ab. Auch inhaltlich befriedigt Banjos Mischung aus anspruchsvollem Wortwitz und messerscharfer Kritik jegliche Ansprüche.

Respekt verdient Olli nicht nur für die nicht-alltäglichen Absurditäten in seinen Stories, sondern auch für seinen omnipräsenten Flow. Ob er von einem Ku Klux Klan-Mitglied beim Beischlaf mit seiner Tochter inflagranti erwischt wird ("Black Boys"), mit einer ordentlich runtergepitchten Eidechse Drogendeals abwickelt ("Don't Do Drugs") oder seine Freundin im Bett Mehmet Scholl nennt ("Bayern München"), er tut es mit atemberaubendem Wortschatz und rhythmischer Sicherheit. Doch auch die persönliche Seite kommt keinesfalls zu kurz.

Besonders erwähnenswert in der Rubrik Seelenstriptease sind das Porträt seines Vaters ("Papa") und der unwahrscheinlich ehrliche Track an seine Exfreundin, "Deine Sprache", den ich in diesem Wortlaut vollkommen unterschreiben möchte. Zur absoluten Höchstform läuft der Rapper jedoch in "Frei" auf: Ob es an dem sich langsam aufbauenden, orgastischen Erzählstil liegt, dem völlig aufs Auge passenden Gospelinstrumental von Monroe oder den brillanten Metaphern, diese Anarchorap-Hymne zählt definitiv zu den besten Tracks in Olli Banjos bisheriger Karriere.

Wer mit der Lupe suchen möchte, findet sicherlich genug Argumente, wieso "Lifeshow" nicht die Höchstpunktzahl erhalten sollte. Benni Blanco patzt bei der Beatauswahl zur ersten Single "Tagesschau". Und obwohl die Beats größtenteils einzeln überzeugen, sind mit Haustproduzent Roe Beardie, Monroe, Crada und 5ive7even zu viele Köche am Werk, um den Brei homogen zu gestalten.

Sicherlich gehört Banjo auch zu den ganz wenigen deutschen Rapartisten, deren Gesangstalent nicht nur rudimentär vorhanden ist - aber R'n'B-Hooklines hätte dieses Monster von einem Storytellingalbum kaum nötig gehabt. Es ist anstrengend, das Stück Deutschrap, das uns die selbst ernannte Nummer "Eins, zusammen mit Eminem" hier vorlegt.

Von musikalischer, aber insbesondere auch von lyrischer Seite her. Wer nicht minutiös auf die Texte Banjos achtet, verzichtet damit auf den größten Teil des Hörvergnügens. Wer es tut, bekommt das beste, was deutscher Rap im Jahr 2007 bisher zu bieten hatte. Es ist mir völlig unbegreiflich, wie sich so etwas Anspruchsvolles zwischen Sido und Bushido halten kann. Aber es lässt hoffen.

Trackliste

  1. 1. Vorhang Auf!
  2. 2. Lifeshow ft. Jonesmann
  3. 3. Ich Bin Frei
  4. 4. Tagesschau
  5. 5. In Deine Fresse
  6. 6. Live Dabei (Skit)
  7. 7. Ich Hasse Dich
  8. 8. Am Riden ft. Chamillionaire
  9. 9. Dein Vadder (Skit)
  10. 10. Papa
  11. 11. Don't Do Drugs
  12. 12. Olga & Gladys (Skit)
  13. 13. Black Boys
  14. 14. Alzheimer (Skit)
  15. 15. Bayern München
  16. 16. B.S.S.K.
  17. 17. Gimme The Light ft. Schivv
  18. 18. Deine Sprache
  19. 19. Komm Ans Fenster

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62 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    @freddy (« @anzil (« freddy, wie stehst du eigentlich zu oli banjo? hab noch nie von dir ne meinung über ihn gelesen »):

    ich hatte noch keine lust, mir das neue album anzuhören. dazu kann ich also nix sagen. ansonsten: ich hab olli banjo versehentlich dreimal live gesehen, das war dreimal grottige scheiße. und die früheren alben und die paar parts, die ich kenne, haben mich nicht vom hocker gerissen. »):

    Geht mir ähnlich, Schizogenie angehört, auch mehrfach versucht es mir zu geben aber es war nichts für mich.

    Weder die Beats noch die Raps sagten mir zu, gab nur ganz wenige Tracks die ich mir anhören konnte.

    Das neue Album habe ich mir auch angehört, gefällt mir schon viel besser.

    Das erste Highlight erfuhr mich bei »Ich bin frei«, für mich einer der besten Beats die ich je vernehmen durfte.

    Banjo flowt wunderbar, die Reime und Ideen stehen dem in nichts nach.

    Mit Tagesschau kann ich auch recht gut was anfangen, mir sagt der Beat ehrlich gesagt auch zu, die Themen sind zwar mehr oder weniger bekannt aber Ollis Art sie rüberzubringen macht das wieder wett.

    »Ich hasse dich« ist schon vom Konzept her schon von Schizogenie bekannt, der Beat ist mir ein wenig zu krass, ein wenig Rock oder ähnliches einzubringen geht klar aber das war zu viel. Zudem ist der Refrain auch recht dämlich.

    Mit Papa kann ich mich auch noch nicht so wirklich anfreunden, im Gegensatz zu »Don't do Drugs«, interessant gemacht.

    »Black Boys« zeigt Rassismus in schön sarkastischer Form, ungewöhnlich aber hör ich irgendwie ganz gern.

    »Bayern München« ist für mich weder in Songform noch im realen Leben etwas für mich, genauso wie der Track.

    Für »B.S.S.K.« sollte er verprügelt werden, wer Jever beleidigt sollte direkt verbannt werden (Das hat mich schon so sehr verwirrt bei den Beginnnern :(). Wieder ist es der Beat der mich am Track scheintern lässt.

    Zum Ende hin läuft Olli nochmal in Bestform auf, wie bei »Ich bin frei« stimmt auch bei »Gmme the Light« alles ("Ihr seid Katalog-Menschen, Seele kommt per Nachnahme, als Bonus für lästige Werte der Sargnagel"). Zudem tut es gut mal wieder was von Schivv zu hören.

    »Deine Sprache« stellt für mich wohl einer der schönsten Abrechnungen mit seiner Ex dar, auch wenn Olli ihre Sprache nicht versteht so weiß um so besser Gefühle in unserer zu vermitteln ("Mir fehlt ein Vermittler von Gedanken zur Sprache, jeder Satz ist wie Unterwasser rennen, ich komm nicht voran). Kommt keineswegs schnulzig rüber sondern verdammt nochmal ehrlich.

    Auch beim letzten Track versteht er es seine Gedanken zur Sprache zu bringen, man möchte ihm schon fast wirklich vertrauen. Die hochgepitchte Stimme ist nervig, aber das macht ja nur einen kleinen Teil des Lieds aus.

    Habe ein paar Lieder ausgelassen, in meinen Augen steht dem Herrn Banjo definitiv die gesellschaftskritische und gefühlsbetonte Welt um einiges besser wenngleich er seine ironische Seite nicht außer acht lassen sollte. Wünsche mir ein Album nur mit solchen Liedern, dann wären auch die Topwertungen gerechtfertigt.

    Nach laut.de Wertungsschema würde ich wohl 3 Punkte geben, für 4 Punkte reichts nicht, da sind zu viele Tracks drauf die mir nicht gefallen und 2 wären eine Frechheit für diese.

    Finde aber sowieso dass es bei 5 Punkten sehr schwierig ist eine genaue Bewertung abzugeben.
    Einige Alben haben definitiv mehr als 3 Punkte verdient, vor allem wenn man bedenkt was einige Alben mit 2 Punkten an Output geliefert haben.

  • Vor 17 Jahren

    also ich find das album verdammt stark! beim ersten hören konnte ich die 5 punkte auch nich verstehen!

    aber nachdem ich es jetzt doch schon einige male gehört haben, find ichs persönlich verdammt geil!!

  • Vor 14 Jahren

    Deine Sprache ist so unfassbar gut.