laut.de-Kritik

Der Bierernst bleibt auch diesmal im Schrank.

Review von

Spätestens, seit Andre 3000 und Big Boi mit "Speakerboxxx / The Love Below" zwei Solo-Platten im Doppelpack vorlegten, schien die Trennung von Outkast beschlossene Sache. Betrachtet man das aktuell abgeschlossene Projekt, so ist von einem Split des Duos aus Atlanta keine Rede mehr. Neue Herausforderungen, neue Ufer, neue Dimensionen: Mit "Idlewild" wagen die beiden den Sprung auf die Kino-Leinwand.

Klar, dass es bei schnöder Schauspielerei nicht bleibt. Die passende Musik zur Story um den schüchternen Klavierspieler und den extrovertierten Barbesitzer schreibt man sich gleich mal schön selbst, da weiß man, was man hat. Begleitmusik zum Film, also? Damit würde man Outkast Unrecht tun.

Anders als leider viel zu viele Soundtracks bietet "Idlewild" mehr als eine zusätzliche Einnahmequelle zur Kinoproduktion. Eingestreute Skits verbinden die Tracks zu einem eigenen - musikalischen - Movie. Nö, "Begleitmusik" ist das nicht, auch, wenn alle Nase lang Dialoge aus dem Film eingestreut werden.

Verbindungen existieren natürlich trotzdem. Die Handlung ist in den 30er Jahren angesiedelt und dreht sich zu nicht ganz unerheblichen Teilen um einen Barpianisten. Das hört man, und zwar nicht zu knapp. Hip Hop-Puristen dürfen nach Hause gehen, sie würden sich an "Idlewild" unter Garantie die Zähne ausbeißen, auch wenn es sich im Ansatz ganz ohne Zweifel um eine Hip Hop-Produktion handelt, und zwar im bestmöglichen Sinne: Big Boi und Andre 3000 greifen in jeden verfügbaren Topf - vorausgesetzt, er passt ins Gesamtkonzept. Style wird großgeschrieben. Swing, Boogie, Ragtime gefällig? Hier entlang.

Freunde ausschweifender Geschichtenerzähler kommen in "Buggface", "In Your Dreams", "Peaches" oder "The Train" auf ihre Kosten. Gesungene Refrains kontrastieren die wortreichen Verse ebenso wie gezielt eingesetzte Backgroundchöre, Streichereinlagen oder Bläserarrangements. Was wie protzige Features wirken könnte - Auftritte von Snoop Dogg, Macy Gray oder der unglaublichen Janelle Monaé - fügt sich ganz unspektakulär in die gebotene Show ein, entfaltet aber gerade ob dieser Unauffälligkeit immense Wirkung.

Allzu wichtig hat man sich bei Outkast glücklicherweise noch nie genommen. Der Bierernst bleibt auch diesmal im Schrank. Albern gesungene Refrains und ein überaus witziges, von leichter Hand arrangiertes Instrumental verleihen "N2U" nahezu Comic-Charakter. Prima Raps, eine Prise Funk, la-la-la... Wer würde es bei dieser Mixtur übelnehmen, ein "I love you - only at this moment. Maybe not tomorrow" zu kassieren?

Morgen ist ohnehin überbewertet: Outkast schwelgen in der Vergangenheit. "Mighty 'O'" zitiert "Minnie The Moocher", "Morris Brown" fährt im Hintergrund eine komplette Marching Band auf. Orgelklänge paaren sich mit knatterndem Bass: Auch von zungenbrecherischen Tempowechseln lassen sich sichere Rapper nicht aus dem Tritt bringen.

Besonders Andre 3000 verkauft sich in Nummern wie "Makes No Sense At All", "PJ & Rooster" oder "When I Look In Your Eyes" als mehr als passabler Entertainer, der eine enorme Variationsbreite von Stilen und Stimmungen kreiert, auch wenn er nicht über die elaborierteste aller Gesangsstimmen verfügt. Klimperndes Piano und schwungvolle Rhythmen entführen back in the days. Wer sich in einer jazzig angehauchten Revue nicht verloren fühlt, wird erstklassig unterhalten. "Life Is Like A Musical" - man möchte mit den Fingern schnippen.

Doch das Leben ist nicht immer nur eine einzige Tanzveranstaltung: Nachdenkliche, melancholische Momente fordern ihren Platz. "Idlewild Blue" setzt auf traditionellen, erdigen Blues mit Harp und Gitarre, während mit "Dyin' To Live" eine getragene Pianoballade an den Start geht. Was fehlt? Eine E-Gitarre? Nicht doch. "A Bad Note" lässt "Idlewild" ausklingen. Prominenter lässt sich dieses Instrument - wir befinden uns immer noch auf einem Hip Hop-Album, wohlgemerkt - schwer in Szene setzen.

Mein persönliches Bonbon habe ich mir allerdings für den Schluss aufgehoben: Der Beat erinnert - wie überaus passend - an ein Metronom. Keine Angst vor Zeitverlust: Von melancholischen Klavier mit verhaltenen Gesang in abgedrehte Synthetik dauert es nicht einmal zweieinhalb Minuten. "Chronomentrophobia" werdet ihr unter Garantie unter meinen Lieblingstracks des Jahres 2006 wiederfinden.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Mighty "O"
  3. 3. Peaches feat. Sleepy Brown & Scar
  4. 4. Idlewild Blue (Don'tchu Worry 'Bout Me)
  5. 5. Infatuation (Interlude)
  6. 6. N2U feat. Khujo Goodie
  7. 7. Morris Brown feat. Scar & Sleepy Brown
  8. 8. Chronomentrophobia
  9. 9. The Train feat. Scar & Sleepy Brown
  10. 10. Life Is Like A Musical
  11. 11. No Bootleg DVDs (Interlude)
  12. 12. Hollywood Divorce feat. Lil' Wayne & Snoop Dogg
  13. 13. Zora (Interlude)
  14. 14. Call The Law Featuring Janelle Monáe
  15. 15. Bamboo & Cross (Interlude)
  16. 16. Buggface
  17. 17. Makes No Sense At All
  18. 18. In Your Dreams feat. Killer Mike & Janelle Monáe
  19. 19. PJ & Rooster
  20. 20. Mutron Angel feat. Whild Peach
  21. 21. Greatest Show On Earth feat. Macy Gray
  22. 22. You're Beautiful (Interlude)
  23. 23. When I Look In Your Eyes
  24. 24. Dyin' To Live
  25. 25. A Bad Note

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16 Kommentare

  • Vor 18 Jahren

    Nur noch 10 Tage und dann erscheint nach dem vielleicht besten Album von 2003 (zumindest nach den Grammy-Leuten) etwas Neues vom ziemlich genialen Duo aus Atlanta.

    „Idlewild“ ist zudem auch ein Soundtrack zu einem doch recht vielversprechenden Film, der in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts spielen wird ... und musikalische Einflüsse aus dieser Zeit werden natürlich (!) eingebunden... und dass das auch eher wirklich der Fall sein wird (als bei anderen, die damit rumprahlen :whiz: ), legen diverse Vorabberichte nahe... u.a.:
    @amazon.de (« ... Singleauskopplung "Mighty O" ist gleichzeitig der erste Track seit sechs Jahren (nämlich seit OutKasts Triple-Platin-Album "Stankonia") auf dem André 3000 und Big Boi erstmals wieder zusammen rappen. Das Ergebnis ist ein ebenso raffinierter, wie infektiöser Ohrwurm, produziert vom langjährigen OutKast-Produzententeam Organized Noize. Als musikalische Inspiration diente dabei Cap Calloways 1931 erschienener Scat-Song "Minnie the Moocher". Als erste offizielle Single aus "Idlewild" erscheint der von André 3000 bombastisch produzierte Big Boi Solo-Track "Morris Brown" (featuring Scar und Sleepy Brown), welcher - Dank der "Morris Brown College Band" - den mitreißenden Sound der traditionellen Marching Bands völlig neu belebt. Diese coole "Oldschool"-Atmosphäre reflektiert jedes der insgesamt 25 LP-Stücke auf seine individuelle Art und Weise und definiert damit den neuen, ungemein erfrischenden Sound von OutKasts mittlerweile sechstem Studioalbum: Getreu dem Motto "Back To The Future" verbindet der Soundtrack stilgerecht und authentisch! die Klänge der 30er Jahre mit OutKasts pulsierend-futuristischem HipHop-Sound von heute. Das Ergebnis ist eine extrem abwechslungsreiche und dennoch sehr homogen klingende Musikmixtur aus Swing, Blues, Jazz und funkigem HipHop. »):

    [b:d6b4ffdaf1]Trackliste:[/b:d6b4ffdaf1]

    1. Intro
    2. Mighty "O"
    3. Peaches featuring Sleepy Brown & Scar
    4. Idlewild Blue (Don'tchu Worry 'Bout Me)
    5. Infatuation (Interlude)
    6. N2U featuring Khujo Goodie
    7. Morris Brown featuring Scar & Sleepy Brown
    8. Chronomentrophobia
    9. The Train featuring Scar & Sleepy Brown
    10. Life Is Like A Musical
    11. No Bootleg DVDs (Interlude)
    12. Hollywood Divorce featuring Lil' Wayne & Snoop Dogg
    13. Zora (Interlude)
    14. Call The Law featuring Janelle Monáe
    15. Bamboo & Cross (Interlude)
    16. BuggFace
    17. Makes No Sense At All
    18. In Your Dreams featuring Killer Mike & Janelle Monáe
    19. PJ & Rooster
    20. Mutron Angel featuring Whild Peach
    21. Greatest Show On Earth featuring Macy Gray
    22. You're Beautiful (Interlude)
    23. When I Look In Your Eyes
    24. Dyin' To Live
    25. A Bad Note

    Da läuft zumindest mir das sprichwörtliche Wasser im Mund zusammen. Meine Erwartungen sind riesig, trotz Snoop Dogg-Features etc. ;)

  • Vor 18 Jahren

    darf man sein. hör grad auf der Page in die Samples rein. Ich kauf die sofort, klingt einfach hinreissend!

  • Vor 18 Jahren

    Bin auch gespannt - "The Love Below / Speakerboxxx" war eines meiner Lieblingsalben 2003.

    Hatte danach befürchtet, dass sich Dre's und Big Bois Wege trennen, aber anscheinend kommt es ja anders.

    Die Gästeliste ist etwas enttäuschend - Killer Mike und Sleepy Brown sind nun wirklich keine neuen Feautures für Outkast. Sleepy ist toll, Killer Mike ist ziemlich überflüssig. Auch Snoop Dogg und Lil Wayne mag ich nicht besonders.

    Auf Macy Gray freu ich mich dann und vielleicht auch auf janelle monae, auch wenn mir das bis jetzt noch nix sagt