laut.de-Kritik

Überbordende Detail-Fülle und neue Horizonte.

Review von

Wer, soviel vorab, ein Problem mit Patrice' ausgesprochen spezieller Stimme hat, kann "One" genauso vergessen wie sämtliche seiner Veröffentlichungen vorab. Obwohl die Instrumentierung noch komplexer und ausgefuchster ausfällt: Der Gesang steht mehr denn je im Zentrum des vielgestaltigen Geschehens.

Für alle Patrice-Fans, die die Besonderheiten seiner charakteristischen Klangfarbe goutieren, brechen entsprechend rosigste Zeiten an. Alles, was "Free-Patri-Ation" abging: "One" liefert es im Überfluss. Die leise Langeweile von damals: mit Stumpf und Stiel ausradiert.

Gleich die Einstiegsnummer zeigt, wie gekonnt Patrice diesmal scheinbare Gegensätze unter einen Hut bekommt. "This is the calm after the storm" - die Gewalt von Letzterem hängt aber noch greifbar in der Luft.

Die wuchtige Hintergrundstimmung von "The Maker" kontrastiert die zarte Akustikgitarre. In Patrice' Gesang begegnen sich vor einem dramatischen Finale, wie es alte Soul-Nummern auffahren, endlose Qual und unbeugsame Stärke, Liebe und Leiden - der rote Faden einer Platte, die sich nicht nur inhaltlich zwischen diesen beiden Extremen bewegt. Patrice setzt aber auch auf musikalische Vielfalt.

Von der eigensinnigen Neuauflage des Nina Simone-Hits "Ain't Got No (I Got Life)" springt er über die atmosphärische und aufwändig arrangierte Singleauskopplung "Walking Alone" zum Ska von "Ten Man Down".

Eben noch überraschend träge den "New Day" gefeiert, treibt "Wiggle & Rock" vergnüglich nach vorne. Herzerwärmende Love-Tunes klingen wahlweise nach bescheidenem Singer/Songwritertum wie "Nothing Better", oder aber reiten eine satt tropfende Basslinie, die in "Nobody Else's" zudem reizvolle Dub-Effekte krönen.

"Knockin'" kokettiert mit dem Charme Mackie Messers. "We've got a Situation here", warnt Patrice unmittelbar darauf schon wieder vor breit bratzendem Hintergrund. Noch erstaunlicher als der Einfallsreichtum, der Wagemut und die erfrischende Unverfrorenheit, die Patrice an den Tag legt, fällt der Umstand aus, dass sich all diese Gegensätze kein bisschen beißen wollen.

Pop, Soul, Reggae, Singer/Songwriter, Rocksteady, Dancehall und Dub tanzen, statt sich auf die Füße zu treten, einen bunten Reigen. Der illustriert die im Titel versprochene Einheit besser als tausend Worte. Dabei bleiben Letztere keineswegs ohne Belang. Immer schon ein kritischer Geist, spricht er unbequeme Wahrheiten aus, und erzählt - Beispiel "Don't Cry" - unter die Haut gehende Geschichten.

"Everybody want to be entertained. Tell me how's it going, they all sound the same." Statt mit dem Einheitsbrei zu schwimmen, lässt Patrice lieber King Tubby und Bob Marley aus den Boxen wummern. In diesem Fall gehts auch mal mit "no message" - was ja schon wieder gar nicht stimmt: als sei eine verdiente Huldigung der alten Recken nicht Botschaft genug. "Kingfish" jedenfalls unterhält bestens.

Nach vielen schönen Platten, die trotzdem nicht an seinen ersten Longplayer heranreichen, schließt Patrice nun den Kreis. "One" könnte "Ancient Spirit" endlich den Rang ablaufen. Dabei blickt dieses neue Werk nicht etwa wehmütig zurück. Es eröffnet mit seiner überbordenden Detail-Fülle neue Horizonte. Auf gehts.

Trackliste

  1. 1. The Maker
  2. 2. Ain't Got No (I Got Life)
  3. 3. Walking Alone
  4. 4. Kingfish
  5. 5. New Day
  6. 6. Ten Man Down
  7. 7. Wiggle & Rock
  8. 8. Nobody Else's
  9. 9. Nothing Better
  10. 10. Knockin'
  11. 11. Situation
  12. 12. Don't Cry
  13. 13. Visions

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