laut.de-Kritik
Strandparty-Vibes für durstige Kehlen in Malle oder Bulle.
Review von Dominik KautzNach dem letzten, noch gemeinsam mit Sarah aufgenommenen Album "Teil Von Mir" verkündete Pietro Lombardi, dass er das berufliche Dasein als Sänger doch eigentlich lieber gegen einen bürgerlichen Job eintauschen wolle. Zu mannigfaltig seien die Schattenseiten im Rampenlicht, der Stress und die resultierende Überlastung zu hoch.
Doch die Mühlen der Industrie mahlen bekanntlich nachhaltig und so vertagt der Karlsruher mit "Lombardi" den Berufswechsel erst einmal auf unbestimmte Zeit. Man weiß ja nie, wann die Karriere wieder strauchelt. Solange die Fans noch Milch geben, muss die Show schließlich weitergehen. Anno 2020 zwar selbstredend ohne seine ehemals angetraute Sarah, dafür aber erneut mit reichlich Hits nach dem Bauplan: Kennste einen, kennstse alle.
"Mein neues Album bedeutet einen riesigen Schritt vorwärts auf meinem Weg. Ich habe lange darüber nachgedacht, wohin die Reise diesmal gehen soll" verkündet der 27-jährige "Ausnahmekünstler" bedeutungsschwanger im Vorfeld der Veröffentlichung seines fünften Albums. Allzu lange kann der Denkvorgang zu seinem "bisher persönlichsten und facettenreichsten Longplayer" allerdings nicht gedauert haben. Denn obwohl er sich auf diesem öffnet und intime Einblicke in sein tiefstes Seelenleben gibt, regiert auf der Platte vor allem Dienstleistung am Fan mit erwartungsgemäß vorhersehbarer Kost.
Nach der schnulzigen, selbstverständlich mit rührseligen Streichern unterlegten Ode an die ewige Zweisamkeit "Bis Der Vorhang Fällt" gilt die neuentdeckte, introspektive Seite des DSDS-Jurors dabei vor allem seinem vierjährigen Sohn Alessio. In der äußerst sentimental geschluchzten Klavierballade "Kämpferherz" erzählt Pietro die Geschichte der schwierigen Geburt des Sprösslings und wie ihm dessen Überleben Energie schenkt. Leider ertränkt er den Song so derart in triefendem Pathos, das man am liebsten abschalten möchte.
Es irrt gewaltig, wer da hofft auf Besserung. Die bei so viel Gefühlsduselei herannahende Eingebung eines weiteren Unheils verdinglicht sich recht bald im prophetischen "Es Tut Schon Wieder Weh". Obwohl Pietro hier von Trennung, Sehnsucht und Herzschmerz erzählt, wählt er in dieser offenbar an seine Ex-Frau gerichteten Schmonzette eher optimistische Klänge. Leicht gerappte Worte wie " Es tut schon wieder weh / denn es ist vorbei /.../ ja, du warst die eine / ich wollte sonst keine / keine nur dich /.../ doch ich weiß / du willst es noch nochmal probieren" erscheinen da seltsam entfremdet. Die stereotypen, im Hintergrund tickenden 1/16-Schläge der Hi-Hat vervollständigen dieses im wahrsten Sinne schmerzauslösende Bild. Eine Impression, die sich im Verlauf des Albums zum roten Faden entwickelt.
Auf diese emotionalen Ausflügen in das Innerste des Protagonisten folgt ein wenig plattes Empowerment à la "Echte Freunde bleiben ewig" wie in "Guapa". Doch was könnte es Besseres geben als ein Duett, um die Freundschaft zu feiern? Genau dieses liefert er gemeinsam mit Kumpel und Ex-Bro'Sis-Sänger Giovanni Zarrella in "La Familia". Eine kalkulierte Wahl, das Leben "In Diesem Moment" mit einer akustischen Untermalung aus Schunkelschlager und prätentiösem Pop zu versehen, denn das geht schließlich immer. Da das alles ohne die Fans nicht möglich wäre, spricht er diese mit anerkennenden Worten in "Ohne Euch" auch direkt dankend an.
Es wäre keine echte Lombardi-Platte, gäbe es nicht gleich eine ganze Menge an Strandparty-Vibes für durstige Kehlen in Malle oder Bulle. Besonders der bereits vergangenen Mai veröffentlichte Sommerhit "Bella Donna" funktioniert mit seinen lyrischen Perlen "Du bist heißer als der Sommer / deine Haut ist braun wie Mokka / bist gefährlicher wie ne' Kobra" garantiert auch im Inland bei merklichem Verlust des Sprachvermögens und zunehmendem Paarungswillen aufgrund erhöhten Alkoholgenusses.
Als ob die musikalische Qualität nicht schon unterirdisch genug wäre, regiert spätestens an dieser Stelle Lombardis Tanzmodus und damit der Latin-Retortenpop im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit. Dass in diesem Falle die Quantität keine Rückschlüsse auf die Qualität zulässt, verdeutlicht wohl am besten das bereits zwei Jahre alte "Descapito"-Soundalike und Kay One-Feature "Señorita". Der Track verbucht auf Youtube mittlerweile 139 Millionen Klicks. "Macarena", das zweite Feature mit Kay One, klingt fast zum Verwechseln ähnlich – schafft es aber nur auf knappe 7 Millionen Aufrufe. Nur gut, dass der fast schon unverschämt offensive Klickbait-Titel "Drake & Rihanna" da sicherlich Abhilfe schafft.
Das Händchen für schlagereske Texte beweist Lombardi auch mit "Phänomenal". Die Verse "Zeig mir deinen Hüftschwung / bitte nochmal (ey) / so phänomenal / bist erste Liga, so wie Real (ey)" sprechen da eine deutliche Sprache. Musikalisch hält die Nummer mit seichtesten Dancehall- und R'n'B-Beats immerhin passend das Niveau des Textes. Weil es so schön ist, landet der Song auch gleich ein zweites Mal in Form einer klavierunterlegten Ballade auf der Platte.
In "Standort" erzählt Feature Dardan dann noch wenig geistreich von seinem schwierigen Spagat zwischen dekadentem Rapperleben aus edlen Uhren, unbegrenzten Geldquellen, SUVs und bodenloser Einsamkeit. Zum Abschluss steuert auch Dieter mit "Du Bist Die Eine" als Bonustrack noch den obligtorische Bohlen-Song zum Album bei. Man lässt sich ja nicht lumpen.
Der "Unterhaltungshörer ist der, auf den die Kulturindustrie geeicht ist, sei es, dass diese, nach ihrer eigenen Ideologie, ihm sich anpasst, sei es, dass sie ihn erst schafft oder hervorlockt" schrieb Theodor Adorno in seiner Musiksoziologie. Diese etwas trockene Theorie füllt Pietros "Lombardi" mit Leben.
7 Kommentare mit 9 Antworten
Ist laut dieser Promo-Texte nicht jedes Album von diesen Poptröten das bislang "persönlichste und facettenreichste"?
So etwas nennt man Weiterentwicklung.
Lächerliche Rezi. Gerade in so schwierigen Zeiten wie diesen ist alles erlaubt, das den Menschen ihre Lebensfreude zurückgibt und dass Lombardis Output dafür nun einmal bestens geeignet ist - Malle-Urlauber können es bestätigen - sollte außer Frage stehen.
Lol, schon klar. Wenns aber scheiße ist,... dann ist es nun mal scheiße.
Gute Satire, wäre fast drauf reingefallen.
wie ein weiser mann mal sagte...
hast du scheisse am schuh
hast du scheisse am schuh!!!
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Leute die Lombardi hören, sind um 100% gefährderter sich mit Corona anzustecken, da die dämonischen Geräusche dieser Platte das Immunsystem stark abschwächen!
Also mir hat das Album eher Lebensfreude geraubt anstatt mir welche zurückzugeben...
Bei Menschen mit einem IQ über 80 ist beim Genuß dieser Platte wher eine Abnahme des Lebenswillen zu beobachten.
Die scheibe ist wie ein unschöner stuhlgang. es muss raus, aber wenn es schmiert wie atze, helfen auch keine 20 klopapierrollen.
„Bist erste Liga so wie Real“ - alter. Anbiedern an die fussballaffine Cloudraphörerschaft, aber dass Real Madrid in der ersten Liga spielt ist jetzt mal echt kein Qualitätsmerkmal des weißen Balletts. Selbst Paderborn spielt erste Liga.
Hätte man da nicht wenigstens Champions League nehmen können?
Was für ein Traumpaar: Corona schädigt die Lungen, Lombardi die Hirne.
Also wenn man ganz fair sein will: Es ist einerseits erträglicher als der sonstige Pop-Schlager a la Helene Fischer und co, andererseits auch erträglicher als der ganze fürchterliche Deutsch-Trap-Rap-Schrott. Viel erträglicher sogar. Allein dafür hätte das Album zwei Sterne verdient.
Das geringere Übel zu sein ist kein Pluspunkt. Unhörbarer Müll bleibt unhörbarer Müll.