laut.de-Kritik
Realkeeper-Schamanismus mit Feuerkraft.
Review von Yannik GölzEs ist ja schon eine vorbelastete Sparte Rap, für die Presslufthanna da ins Rennen zieht. Gerade in Deutschland wirkt es mitunter ziemlich peinlich, wenn es so plump auf die Nase thematisiert wird: "Nein, es geht, nicht um Likes, es geht um Liebe zum Scheiß / Um Texte die mich bewegen wie mein klappriges Bike" oder "Sie spielen zwar dicke Beats aber sparen an Gefühl / Denn die meisten MCs spitten nur noch mit Kalkül/".
Ja, diese Presslufthanna ist ein Trueschooler der allerübelsten Sorte. Jemand, der so exzessiv Hip Hop-Phrasen und Vokabeln drischt, dass vermutlich sogar Samy Deluxe in den "Malaria"-Sessions gesagt hätte: "Okay, ganz ruhig, schnall die Baggy etwas enger". Die gute Nachricht ist jedoch: Die Kielerin verkauft diesen Stil fantastisch.
Es liegt vermutlich am Biss und am Nachdruck, mit dem sie rappt, dass man ihr eine ganze Menge "Real Hip Hop, ich freestyle den ganzen Tag um brennende Mülltonnen"-Pathos nicht nur nicht übel nimmt, sondern geradezu abfeiert. Das ist beeindruckend, denn derartigen Realkeeper-Schamanismus verkaufen in dieser Dekade eigentlich nur noch wenige überzeugend, und bei den meisten (Retrogott, Shacke One, MC Bomber) ist es zumindest auf einer gewissen Ebene self-aware.
"Eingangsbereich" hat aber die Feuerkraft, um sich hinter keiner Ironieebene verstecken zu müssen. Presslufthanna beweist bereits auf den Openern "Eingangsbereich" und "Priorität", dass sie ein technisch extrem versierter Spitter ist, und auch wenn manche One Love-Bekundungen etwas drüber sein mögen, kompensiert sie doch auch immer wieder mit äußerst cleveren Zeilen: "Wie verrückt muss man sein, um hier normal zu bleiben? / In einer Welt in der wir Business mehr als Wangen streicheln".
Die explosive Energie, mit der ihre Flows immer wieder ihrem (fantastischen) Namen gerecht werden, werden von druckvollen Samplebeats aus der Feder von Oskar Hahn und Plusma befeuert. Die zimmern nicht nur tanzbare Drumgrooves mit einer fast Figub Brazlevic-esken BoomBap-Attitude, auch die Auswahl der minimalistischen Samples zielt treffsicher zwischen Battlerap und Melancholie. Dazu kommen perfekt getroffene Cuts und stimmige Songwriting-Entscheidungen wie der atmosphärisch äußerst gelungene Übergang in den Outro auf "Suchtverhalten".
Auch die ernsteren Töne jenseits des Battleraps funktionieren auf "Eingangsbereich" einwandfrei. Ob es über die Auswirkung alter Denkmuster auf die Gegenwart wie auf "Vergilbtes Foto" oder die Absurdität des Lebens auf "Witzfiguren" ist: Presslufthanna performt eindringlich und einfühlsam, die Texte überzeugen genauso: "Die Welt ist voller Witzfiguren, es gibt nur einen Haken: Sie verkörpern nichts Witziges/".
"Eingangsbereich" ist ein Debüt, dem man zu Gute halten muss, wie präzise es der eigenen Vorstellung von dem gefolgt sein muss, was es sein und erreichen will. Denn so einfach es gewesen wäre, das Konzept des radikalen Realkeepens mit gesellschaftskritischen Tönen in einem weiteren, klischeebeladenen Projekt in den Sand zu setzen, um so mehr beeindruckt es, wie unapologetisch und radikal der Ansatz von Presslufthanna aufgeht. Das Debüt klingt druckvoll, eingängig und zeigt einen facettenreichen und versierten MC, der im Subgenre noch einiges reißen dürfte.
8 Kommentare mit 21 Antworten
Bin hin- und hergerissen...Rap a) aus Deutschland und b) von einer Frau widerstrebt mir innerlich massivst, aber irgendwie habe ich das Bedürfnis es mir anzuhören und wenn nur um danach weiter abhaten zu können.
für deinen dritten monitor ist die aber nix
Nene, dafür ist sie gänzlich unbrauchbar, das hab ich natürlich - ganz der oberflächliche Sexist der ich nunmal bin - direkt abgecheckt und mit Ernüchterung wahrgenommen.
schade, da wäre wenigstens einmal ein weibliches wesen auf deiner bildfläche gewesen
Hallo Busfahrer.
Ich meine, ja, das ist eine geile EP, aber Presslufthanna kommt aus Kiel. Nur weil blumeblau ein Label aus Münster ist, kommt sie nicht gleich daher. Ausserdem, blumeblau, nicht Blumenblau. Ein bisschen bessere Recherche wäre nice gewesen.
EP selber halt wirklich echt stark. Manchmal etwas zu monoton musikalisch, aber ist ja noch ihr Debüt, kann sich ja noch deutlich bessern.
Was hörst du denn sonst so, um diese Bewertung von Dir ein wenig einordnen zu können?
Eigentlich nur Rap, egal ob Deutsch oder Amerikanisch. Manchmal ein paar Sachen die aus meiner Kindheit übriggeblieben sind, aber 95% nur Hip-Hop.
Kiel also, hm? Danke für den Hinweis, ist geändert
Der grundgute Lösch-Gauger kümmert sich sofort darum, kein Problem!
Höhö. "Recherche". *Schaut auf Autorenname* Gab vermutlich noch keine Review zu dem Release, in der sowas mit drin stand.
"Um Texte die mich bewegen wie mein klappriges Bike"
Was ist das bitte für ein endlos whacker Vergleich?
Ist doch authentisch, sehe das Problem nicht. Lieber so als dass sie sich irgendwas überzogenes ausdenkt.
Kennt die noch wer?
https://youtu.be/RCQtlP7IaNw
....kam mir gleich in den Kopf war dann tatsächlich überrascht das da vor zwei Jahren was neues kam.
Nice.
Die klingt wie Galla von RAG. Im positiven und negativen Sinne.
Geht klar das Album. Die Beats sind schön, die Texte sind mir zu... sehr Rucksack. Teilweise trüben für mich Stimmeinsatz und Stimme das Hörvergnügen, aber auch ich hör mir das alle Male lieber an als Mero, Fero, Tero und Lero (nicht unbedingt Bero, Bero Bass ist der beste *ero)