laut.de-Kritik
Ordentliche Instrumentals und Endlos-Loop aus cringen Lines.
Review von Moritz LinkIn seinem Instagram-Profil beschreibt sich Prinz Pi alias Friedrich Kautz selbst als "Gesellschaftsbeobachter und Wortakrobat". Das wäre bestimmt auch ganz witzig, wenn er es bloß nicht so ernst meinen würde. Auch in seinem neusten Schaffenswerk "Polaris" verfängt sich der 44-Jährige in dem altbekannten Mix aus Nostalgie und Gesellschaftskritik, wobei sein übertriebener Pathos mit einer inhaltlichen Ambitionslosigkeit und bisweilen peinlichen Lines kollidiert. Zumindest findet das Ganze auf gewohnt hochwertigen Beats statt.
Vorab sei zu Pis Verteidigung gesagt: Die EP ist lediglich ein sechs Tracks starkes Gimmick aus einer Jubiläums-Box, sie erhebt also nicht den inhaltlichen Anspruch eines vollwertigen Albums. Die Songs sollen in Anlehnung an sein bis dato erfolgreichstes Tape "Kompass ohne Norden" aufgenommen worden sein, bei zwei Tracks handelt es sich sogar um direkte Fortsetzungen bzw. zweite Parts. Ein textlicher Fokus auf dem Altbewährten ist somit zwar naheliegend, aber nicht weniger ärgerlich.
In "Vor Der Zeit" rappt Prinz Pi mit gefilterter Stimme über einen Gitarrenbeat mit 2000er Hip Hop-Einschlag von den früheren Zeiten. Es geht um alte Freunde, die geschiedenen Eltern und das vergangene Lebensgefühl. Das klingt auch ganz ordentlich, liefert aber nichts, was Pi nicht schon in zahllosen Songs auserzählt hätte. Mit Lines wie "Und die Designerstücke, die füll'n eine Lücke / Tief in uns drin, wir vergessen, wofür wir kämpfen" kommt auch der gewohnte Pathos zurück, welcher längst zu einem seiner zweifelhaften Markenzeichen herangewachsen ist.
Die vermeintliche Tiefgründigkeit wird in "Moderne Zeiten Pt.2" dann auch auf Songlänge durchexerziert, wobei es immer wieder auf bedeutungsschwangere Zeilen wie "Sehen kann man nur von weitem, aber wir sind mittendrin / Alles, was ich sehen kann, ist Chaos, sag, wo geht das alles hin?" herausläuft. Während Pi auf vorherigen Alben durchaus frische Perspektiven aufmachte, verfängt er sich nun wieder voll und ganz in seiner Verklausulierung von melodramatischen Phrasen über das schlimme Weltgeschehen.
"Ey Mr. Officer, ich bin ein bеsoffener / junger Bürgеr, auf mein'm Pullover steht 'Der Boss ist da'" wirft uns Prinz Pi in "Sommer 2000" entgegen, womit dann auch der Tiefpunkt der EP erreicht wäre. Der heftige Umschwung von Gesellschaftskritik zu oberflächlichem Prinz-Porno-Pöbel-Trap verwirrt und untergräbt nur weiter die zuvor aufgesetzte Ernsthaftigkeit. In dem Track soll es um Pis wilde Vergangenheit in Berlin-Zehlendorf gehen, die in den unter zwei Minuten Laufzeit aber kaum über ein "Wir verfüttern unsre Renten an die Enten" hinausgehen kann.
Aus ganz anderen Gründen deplatziert wirkt das Anti-Spießer-Manifest "Dumm Pt.2", in welches Pi mit der absolut selbstreflektierten Diagnose "Ich wär so gerne dumm / Ich wär so gerne wie die meisten meiner Nachbarn auch" einsteigt. Zwar ist seine Kritik an der kleinbürgerlichen Gesellschaft durchaus interessant, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Pi selbst seit Jahren das eigene Spießertum zelebriert. Gleichzeitig ist der Text eine direkte Referenz an den Vorgänger aus "Kompass ohne Norden", damals konnte man die Lines aber noch wesentlich besser verpacken.
Eine weitere Anspielung auf vergangene Songs findet sich bei "Mario Bros" wieder, wenn Prinz Pi den Sonnenbank-Flavour-Flow aus der Nostalgie-Designertruhe holt, in Anlehnung an seine 2006er Parodie "Bonzenlandflavour". Natürlich ist das für Langzeit-Anhänger toll, mehr als Fan-Service wird aber auch hier nicht geliefert.
Mit "Gin Tonic" schafft Prinz Pi dann allerdings doch noch einen letzten Lichtblick. Zwar entkommt auch dieser Track dem Endlos-Loop aus cringigen Lines nicht, zumindest überzeugt aber ein angenehmer Laid-Back-Beat mit entsprechend souligem Sample, auf dem Pi routiniert flowt. Thematisch hangelt er hier sein letztes Lieblingsthema ab, den Love-Song.
Insgesamt klingen alle Instrumentals ordentlich, der vermehrte Einsatz von Akustikgitarren schafft ein kohärentes Klanggerüst, auch wenn die Beats von "Dumm Pt.2" und "Mario Bros" leider nahezu identisch klingen. Dass Prinz Pi rappen kann, steht ebenfalls außer Frage, was es umso beklagenswerter macht, dass er sich inhaltlich so sehr im Kreis bewegt. Wer über die Substanzlosigkeit, die texlichen Aussetzer und den aufgesetzten Pathos hinwegsehen kann, findet mit "Polaris" bestimmt ein nettes Nostalgiepaket vor. Trotzdem wäre es schön, wenn Prinz Pi in seinem nächsten, vollwertigen Album wieder etwas zu sagen hätte.
14 Kommentare mit 19 Antworten
Der Typ heißt Friedrich Kautz...mehr muss man halt garnicht sagen.
Hätten mehr Leute die Neopunk verstanden, wäre uns dieses ganze schlimme "Ich mache jetzt nur noch Musik für Abiturientinnen" Ding erspart geblieben. Wobei, richtig schlimm wurde es erst, als er meinte, wieder Porno sein zu müssen.
Vielleicht gibt es ein Paralleluniversum, in dem Neopunk (gutes Album immer noch) ein Riesenhit war und Pi danach 10 Jahre immer schlechter werdenden Electrorap gemacht hat, bis er bei den Atzen rausgekommen ist.
So parallel kann das Universum gar nicht sein, dass das 10 Jahre gedauert hätte, glaub ich
Frauenarzt war ja immerhin auch schon drauf gefeaturet. Also/bzw, ganz so stumpf-ballermännisch wär er wahrscheinlich wirklich nicht geworden, aber durch Glückskeksisierung vergleichschlimmt ganz bestimmt.
Tatsächlich wäre Neopunk das Album von ihm, dass ich mir am ehesten nochmal anhören wurde. Aber auch da waren einige Sachen, die kritikwürdig af sind.
Oh Friedrich..hast du jetzt dein Abi?
mit "KON" war er auf dem Zenit (naja, eigentlich ja mit "Rebell ohne Grund") und fort-folgend könnte man feststellen: "Von nun an ging's bergab"... Sehr schade, hat er doch Klassiker wie "!DonnerwetteR!" oder "Neopunk" in der Vita... das Letzte leichte Aufbäumen war 2015... Ich erwarte nicht mehr
Muss schon zugeben, dass mich Donnerwetter damals sehr abgeholt hat. Fand, dass der Dude einfach gut Geschichten erzählen konnte. Mittlerweile ist er wohl Deutschraps personifizierter Dunning-Kruger-Effekt, schade
6/5, gehört natürlich. Bester Mensch.