laut.de-Kritik
Musik für Hochzeiten, auf denen keiner Spaß hat.
Review von Simon ConradsEs ist ja fast schon Gesetz, dass aus jeder Boygroup eine erfolgreiche Solokarriere hervorgehen muss. Take That bescherte uns einst Robbie Williams, aus *NSYNC ging Justin Timberlake hervor. und Harry Styles brach aus One Direction aus. Meistens ist es durchaus spannend die Karrieren der ehemaligen Boys mitzuverfolgen und zu sehen, wie sie sich ohne die Rückendeckung der anderen behaupten. Robbie schwamm sich mit Swing-Alben frei, Justin Timberlake erfand sich solo und auch als Schauspieler neu, Styles ist eine angenehme Abwechslung im Formatradio, er probiert noch viel aus. Alle drei eint, dass sie bereit waren, mit der Zeit zu gehen.
Anders sieht das bei Ronan Keating aus, denn der ehemalige Boyzone-Sänger hält beharrlich an seiner biederen Schnulzenmusik fest und veröffentlicht eine Platte, die er selbst als "Greatest Hits-Album mit brandneuer Musik" bezeichnet. Neben öde aufbereiteten alten Songs gibt es also öde neue.
Dazu kommen Featuregäste, deren Beiträge zwischen langweilig und überflüssig rangieren, dafür hält die Marketing-Abteilung zu jedem eine kleine Anekdote parat. Als Keating den von Robbie Williams geschriebenen Song "The Big Goodbye" zum ersten Mal hörte, brach er in der Küche in Tränen aus. Das Stück erinnert an seinen verstorbenen Bandkollegen Stephen Gately, und auch wenn der Gedanke stimmt, macht es das nicht besser. Der Song klingt wie ein zurecht vergessener Track aus den frühen 2000ern, auch wenn Robbie in seinen Parts alles gibt.
Dass sich Emeli Sandé und Clare Bowen in den Sound bestens einfügen, spricht nicht unbedingt für die beiden Sängerinnen. Die schläfrige Ballade "Of A Kind" mit Sande baut auf harmlos gezupften Gitarren auf, wird mit kitschigen Streichen zugekleistert und reiht die ausgelutschtesten Liebesbekundungen aneinander: "Your love is one of a kind / And I'm not alone anymore / Just when I thought I was lost / I saw your face and my whole life changed". Die Orchestral Version belegt am Ende, dass es gar noch pathetischer geht.
"Love Will Remain" mit Bowen wiederum klaut den halben Refrain von Aviciis "Wake Me Up", kommt allerdings kalkuliert einfallslos als Country-Pop daher. Musik, die wie dafür gemacht ist, um auf der Hochzeit von Menschen mit einer klassischen, längst überholten Vorstellung von Romantik und Liebe zu erklingen. Ein Traum in Weiß, der Fernsehklischees nacheifert, bei dem letztlich aber keiner so richtig Spaß hat, weil alles perfekt abzulaufen hat.
Erfüllung findet man in Keatings Musik nur in der Liebe, und solange die bleibt, ist alles gut. Dabei sind die Texte so unpräzise formuliert, dass sich jeder angesprochen fühlen kann: "Tonight, holdin' you close under moonlight / Don't want this moment to pass by / There's nothing that I wouldn't do". Jeder Track arbeitet mit dem selben Jargon der großen Versprechungen und seichten Liebesbekundungen, keiner kommt ohne Kitsch aus.
In der zweiten Hälfte folgenn 2020-Versionen älterer Hits, hier wird es etwas spannender. Denn selbst, wenn Keating versucht, den Stücken einen zeitgemäßen Anstrich zu verpassen, wirken sie eher wie 2000-Versionen. Was hier ausnahmsweise mal nicht negativ gemeint ist. "Lovin' Each Day" und "Like A Rollercoaster" schaffen es, Nostalgie zu wecken und wirken vor allem im Kontrast zum restlichen Schnarchbrei wie veritable Banger. Die Stücke kann man mit dem selben Maß an Ironie feiern, wie – sagen wir – DJ-Bobos Musik. "When You Say Nothing At All" wiederum kann auch Alison Krauss nichts Neues hinzufügen. Sie hatte den Song bereits vor Keating aufgenommen. Und so bleibt am Ende die Erkenntnis: Der Plattentitel ist recht gut gewählt, denn 2020 ist bisher ja auch alles andere als ansprechend.
3 Kommentare mit 12 Antworten
Für "Life is a rollercoaster" hasse ich ihn aus ganzem Herzen.
dito. Ein typischer 5. Klasse Songtext, den jeder mal irgendwie im Kopf hatte.
Ähm und euer Hass begründet sich nun darauf das ihr zu doof wart mit so einem Text, den jeder mal irgendwie im Kopf hatte, die dicke Kohle zu scheffeln?
Der Typ ist seicht, aber ihn gleich hassen deshalb?
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich glaube viel mehr, dass virpi das eher zynisch gemeint hat sollte man nicht zu ernst nehmen.
Der Song war damals einfach überall. Und ich fand ihn unerträglich. Diese penetrante Melodie, dieser dämliche Text. Das musikalische Äquivalent zum Wandtattoo. (Von Wandtattoos wusste ich damals noch nichts, aber das ändert nichts an der Sache.)
Keating als Künstler ist mir einfach wurscht. Soll er machen, was ihm gefällt.
Der Text ist wirklich selten dämlich. Ich musste in den letzten Jahren auch immer wieder dran denken. Ich denke, und da hast du wohl nicht so ganz Unrecht T9, dass ich das mal aufarbeiten sollte. Vielleicht wäre eine stationäre Behandlung hier angemessen.
Schon gut Leute, kein Stress. Kam nur anfangs etwas arg überzogen rüber mit gleich hassen und so.
Virpis Empfindung mit dem überall sein damals kann ich nachvollziehen. Da gibt es immer wieder mal solche Songs. Wobei dir Künstler da selbst meist recht wenig dafürkönnen und der ein oder andere wahrscheinlich gar nicht so glücklich ist, wenn er dann auf so einen "der läuft überall" Song reduziert wird.
Das Leben ist halt wie eine Pralinenschachtel. Manchmal ist einfach auch nichts drin.
das hast du dann ja mit der pralinenschachtel gemein
nomanscrap fährt die schweren Geschütze auf
Das stimmt. Du aber auch, wenn die Matrix beendet ist
Für die Nachspielversion von father & son mit Yusuf Islam, der den Vatertext singt, werde ich ihm ewig gewogen sein
Stimmt, der Song ist okay.
Der Song vom Mr. Bean-Soundtrack war granatenstark.