laut.de-Kritik

Der alte Spitzbub covert Taylor Swift.

Review von

Quelle fucking surprise, es funktioniert! Dass Taylor Swifts "1989" sowieso das Über-Highgloss-Bubblegum-Pop-Album der letzten Jahre war, auf dem jeder Song maximal sitzt und glänzt und in den Refrains aufgeht wie die Sonne über den kalifornischen Stränden, dürfte wenigen entgangen sein. Dass Ryan Adams sowieso mit allem davon kommt, was ihm - augenzwinkernd oder nicht - in puncto Coverversionen so in den Sinn kommt: auch kein großes Geheimnis.

Aber hier gelingt dem ehemaligen Whiskeytown-Sänger dann doch ein ganz schöner Coup, schon allein medientechnisch. Nachdem man nach seinem Live-Cover von "Summer Of 69" (jenem Song seines Fast-Namenskollegen, auf dessen Publikumswunsch er in der Vergangenheit oft recht pissy reagierte) dachte, Ryan könnte lustiger nicht mehr werden, verkündete er Social-Media-wirksam vor einiger Zeit, er werde sich jetzt des Opus Magnums von Kollegin "Taytay" (so nennen ihre Homies Taylor) annehmen. Schließlich kommen beide irgendwie von der Country-Musik, sind beide Fans voneinander, auf gaz unironischer Basis.

Hier ist sie also, Ryans Neubearbeitung von Taylors nicht unerfolgreichem Longplayer: für sie eine nette Ehrung, die ihr ein paar Tantiemen einbringt, für ihn das Ticket in die Kinder- und Jugendzimmer von Swifts Hörerschaft, die ihn bis dato wohl noch nicht kannte.

Sarkasmus beiseite: Der Longplayer tut schon das, was er tun soll. Ryan spielt seine stilistischen Asse aus dem Ärmel, macht aus den Nummern abwechselnd luftige, countryeske Rock-Stücke oder wahlweise Balladen. Zur Größe der Refrains muss er nicht mehr viel beitragen.

Der Opener "Welcome To New York" beispielsweise beschwört die Großstadt in bester US-amerikanischer Rockmanier, die weniger an Adams' eigene NYC-Hymne "New York, New York" erinnert als an die Hemdsärmeligkeit von Springsteens E-Street Band. Die Gitarren sind leicht angezerrt, die Synths spielen Sanft-Hymnisches. Das hört sich schön an, auch wenn man das Originalalbum bisher umschifft hatte. Wenn man "1989" aber auch in der Swift-Version kennt und noch im Gehörgang hat, macht das streckenweise sogar gut Spaß.

Am besten wirkt die Ryan-Taylor-Melange immer dann, wenn er Lust auf Balladen bekommt. "Blank Space", dieser Teufel von einem Popsong, kommt dann nämlich als zartes, intimes Akustiklied daher, mit Fingerpicking und fragiler, ins Falsett gleitender Stimme: das frühe und endgültige Highlight der Platte. "How You Get The Girl" schlägt in dieselbe Kerbe. Bei Songs wie "Style" dürfen dann wieder die E-Gitarren ein wenig heulen.

Ja, Ryan Adams beweist hier durchaus, dass die Songs von "1989" gute Songs sind. Das war allerdings auch schon vor seiner Neubearbeitung klar. Es überrascht auch wenig, dass Stücke wie "Shake It Off", "Blank Space" und wie die ganzen zahlreichen Singleauskoppelungen von Swift eben heißen, als Ryan-Adams-Songs nicht nur ebenfalls funktionieren, sondern auch als solche durchgehen würden.

Lustige Idee, gut umgesetzt, wenn auch nicht über die ganze Albumdauer aufregend. Hauptsache, er hatte Spaß, Ryan, der alte Spitzbub.

Trackliste

  1. 1. Welcome To New York
  2. 2. Blank Space
  3. 3. Style
  4. 4. Out Of The Woods
  5. 5. All You Had To Do Was Stay
  6. 6. Shake It Off
  7. 7. I Wish You Would
  8. 8. Bad Blood
  9. 9. Wildest Dreams
  10. 10. How You Get The Girl
  11. 11. This Love
  12. 12. I Know Places
  13. 13. Clean

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5 Kommentare mit einer Antwort

  • Vor 9 Jahren

    Das letzte, selbstbetitelte Album fand ich wirklich großartig, ist wohl ein Evergreen für mich. Aber hier verspüre ich irgendwie nur geringes Interesse reinzuhören..

  • Vor 9 Jahren

    Kann der Swift an Sich null abgewinnen, höchstens wohlwollend registrieren, dass sie theoretisch aus der Country-Ecke kommt (auch wenn ihre Musik - soweit mir bekannt - schon immer viel zu sehr nach Mainstream-Pop klang). Ich persönlich liebe den Alternative Country, Stichwort Uncle Tupelo etc., und das Nashville-Zeugs treibt mir oft genug die Kotze hoch.
    Für Ryan Adams hab ich die letzten 15 Jahre nichts als Liebe und Hochachtung - manchmal gar Verehrung - empfunden, nach John Lennon ist er im Grunde mein Lieblingsmusiker. Insofern bin ich auch auf dieses Album sehr gespannt, einfach weil Ryan musikalisch schlicht zu versiert und kompetent ist, um ein Album zu verbocken (ich fand selbst 'Orion' irgendwo ganz gut... ^^).
    Zuletzt war er deutlich rockiger Unterwegs, die Country-Instrumentierung verschwand teils ganz (KEINE Pedal-Steel auf Tour dabei!), und kurz hatte ich schon befürchtet, dass er das Thema erstmal ganz an den Nagel gehangen hat. Sein Konzert in Hamburg im Juli war trotzdem absolut fantastisch, laut, ausufernd, extatisch... Ich liebe seine Musik aber gerade auch wegen seines Whiskeytown-Country-Sounds und daher freut es mich total, dass er diese Elemente für dieses Album anscheinend wieder ausgepackt hat.
    Werd mir das Album jedenfalls gleich mal bestellen!

    • Vor 9 Jahren

      Kommt Taylor Swift nicht vom "amerikanischen Country", also dem Ami-Pendant zum deutschen Schlager? Und eben nicht vom "klassischen" Country?

  • Vor 9 Jahren

    Alles besser als die letzte Platte ... Gitarren ohne Song ...

  • Vor 7 Jahren

    Ob sich Richard Ashcroft mal die Scheibe angehört hat?

  • Vor 7 Jahren

    Noch mal reingehört, gefällt mir überhaupt nicht. Das liegt aber wohl schon mehr am Songwriting als an der Adaption.
    Ich bleibe lieber bei 'Ryan Adams' und 'Prisoner', das hier kann gleich wieder weg.