laut.de-Kritik

Deutschrock statt Mittelalter – und ein Schmankerl für die Fans.

Review von

Der Albumtitel weist in die Antike, die Bandgeschichte ins Mittelalter, musikalisch stehen Saltatio Mortis anno 2018 aber ganz klar in der Gegenwart. Mittelalter Rock ist "Brot Und Spiele" nur noch auf dem Papier – jedenfalls in der Standard-Edition.

"Große Träume" könnte 1:1 so auf einer Scheibe der Toten Hosen stehen, ohne Dudelsäcke natürlich. Obwohl die auf "Brot Und Spiele" eigentlich auch nur noch pro forma erklingen. Fast alle Melodien, die Falk Irmenfried von Hasen-Mümmelstein, El Silbador und Luzi Das L auf den Sackpfeifen spielen, ließen sich im Kontext der Lieder mühelos auf E-Gitarre übertragen. Man fragt sich, wie die Truppe nach wie vor acht Musiker beschäftigt. Songs wie "Europa" kämen auch wunderbar mit klassischer Gitarre-Bass-Schlagzeug-Gesang-Besetzung aus. Naja, "Ohoho"-Chöre klingen schon besser mit einem Handball-Team im Rücken.

Die Entwicklung hin zum geradlinigen Deutschrock ist allerdings nichts Neues im Hause Saltatio Mortis und die Songs werden ja nicht schlechter, nur weil einige Fans den Mittelalter-Faktor vermissen. Ähnlich wie In Extremo profitieren Saltatio Mortis enorm von der Punk-Attitüde ihres Frontmanns. Alea der Bescheidene war schon immer wesentlich dafür verantwortlich, dass die Band aus dem Pool des Minnerock heraussticht – und er rückt noch mehr in den Vordergrund, um so zeitgemäßer die Songs werden. Kurzweilig, eingängig und im selbst gesteckten Rahmen durchaus abwechslungsreich führt er die Band durch die zwölf Songs (plus Intro).

Auf die dudeligen Partynummern "Nie Wieder Alkohol" (für die Punk-Fraktion) und "Mittelalter" (für die Gaukler) könnte man gut verzichten, ebenso auf das schwülstige Schlager-Duett "Spur Des Lebens" (mit Die Happys Marta Jandová). "Bist du bereit für diese Zeit, mein nicht gezeugtes Kind / Meine Spur des Lebens, in dieser dunklen Zeit / Mein kleiner Funke Hoffnung, mein Stück Unsterblichkeit" – der Graf wäre stolz.

Solche Momente gleichen Saltatio Mortis aber etwa mit dem starken Titeltrack wieder aus, einem Kommentar zu Aufmerksamkeitsgeilheit, oberflächlichem Entertainment und im Zuge dessen auch irgendwie der Fußball-WM: "Brot und Spiele für die Massen / Fußball für den Zeitvertreib / Gebt uns noch mehr nackte Titten, Bild-Zeitung und Medienhype." Mittelalter my ass – und was für eine starke Hook! Ausgerechnet dieses eigentlich durch und durch modern ausgerichtete Stück bietet der Pfeifendelegation die Möglichkeit, mehr als nur Begleitmelodien zu spielen. Andererseits leben die Gitarristen hier ihre aggressivere Metalseite aus, zwischen Stone Sour und In Extremo.

Kurz vor Schluss wettern Saltatio Mortis noch gegen den Rechtsruck. Als "Besorgter Bürger" hat man auf ihren Konzerten eher nichts verloren, bringt Alea bzw. Texter Lasterbalk es mit dieser Zeile doch schön auf den Punkt: "Hör gut zu besorgter Bürger / Das Abendland, das sind auch wir / Und müssten wir gerettet werden, dann nicht durch dich, sondern vor dir."

Als Käufer der Standard-Edition wäre man nach dem folgenden "Sie Tanzt Allein" – ein live garantiert zündender launiger Up-Tempo-Closer – am Ende angelangt. Allerdings lohnt sich im Falle von "Brot Und Spiele" besonders für langjährige Fans der Griff zur Deluxe. Für vier Taler mehr spendieren Saltatio Mortis nämlich noch das Bonus-Album "Ad Fontes". Auf noch einmal zwölf Nummern frönen die Musiker hier dann doch noch ausführlich dem Mittelalter: akustisch, mehrsprachig und teils sogar rein instrumental wie bei "Drachentanz".

Trackliste

  1. 1. Ein Stück Unsterblichkeit
  2. 2. Große Träume
  3. 3. Dorn Im Ohr
  4. 4. Ich Werde Wind
  5. 5. Europa
  6. 6. Spur Des Lebens
  7. 7. Brot Und Spiele
  8. 8. Nie Wieder Alkohol
  9. 9. Träume Aus Eis
  10. 10. Mittelalter
  11. 11. Brunhild
  12. 12. Besorgter Bürger
  13. 13. Sie Tanzt Allein

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8 Kommentare mit 9 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Die Deluxe ist (finde ich) ein muss! Ohne das zweite Album hat das Album für mich einen etwas faden Nachgeschmack, weils mir in vielen Stücken einfach zu sehr nach den Toten Hosen klingt. Das zweite Album gleicht das ganz gut aus. Ich finde es zwar toll, wenn Bands sich weiterentwickeln, allerdings finde ich es nicht so schön, wenn die eine Band plötzlich wie die andere klingt. Die Texte finde ich aber insgesamt sehr gelungen!

  • Vor 6 Jahren

    Sehe ich auch so. Als 2-CD funktioniert das Album wunderbar, ohne die Mittelalter-CD nicht ganz so gut. Die Deutschrock-Elemente sind konsequenter eingebunden, die Produktion wuchtiger und die Mittelalter-Elemente machen im Gegensatz zum Vorgängeralbum nicht mehr den Eindruck, als seien sie nur noch Mittel zum Zweck. An dem erhöhten Deutschrock-Anteil kann man sich trotzdem stören, völlig legitim. Die Texte sind meiner Meinung nach aber immer noch ordentlich. Hin und wieder etwas plakativ, aber meine persönliche Grenze wurde offenbar nicht überschritten.

  • Vor 6 Jahren

    Weiß noch nicht, was ich davon halten soll. Die Lyrics sind wie immer wunderbar und einige Songs sind wirklich gut, aber genauso viele Songs sind auch einfach nur beliebig. Vielleicht sollten SaMo das Tempo ihrer Veröffentlichungen drosseln und sich mehr Zeit fürs Songwriting lassen. Lieber ein grandiises Album in 4 Jahren, als 3 mal Standardkost ^^

  • Vor 6 Jahren

    ich gehe ja nur sehr selten aus. aber es war fantasy filmfest vor 2 oder 3 jahren, da war ich nachher noch im Burgerking am HBF. Da standen dann so 4 undefinierbare gestalten. glaubs 3 männer und eine frau. aber in der szene ist das schwer zu unterscheiden. naja, einer hatte ein t-hemd an, auf dem stand "Blasen gegen rechts" was wohl ein saltatio mortis ding ist. ich bin dann hin und habe gemeint, wenn er mir jetzt einen bläst, darf er sich den aufnäher von meiner jacke schneiden, den er am meisten "rechts" empfindet... wollte er leider nicht. auch die anderen drei nicht :(

  • Vor 6 Jahren

    Das ganze Album kann man mit "Kein Song gegen Pegida" von Prezident schon ganz gut abstempeln.

    Fand es insgesamt echt langweilig anzuhören, 1-3 Songs die interessant klangen und ein bisschen hängen bleiben waren dabei, aber um die aufzuzählen müsste mans vermutlich mehr als einmal anhören.

    Finde 3/5 vielleicht sogar noch etwas hoch, wobei es das Album relativ gut beschreibt, der Großteil ist eher Durchschnitt bis unterer Durchschnitt, wird aber durch die Passagen, in denen man merkte, dass es genug stumpfdummen Deutschrock gibt und man ja eigentlich anders angefangen hat, nochmal etwas aufgewertet.

    Finde die Vorstellung aber witzig, wenn sie auf nem Mittelalterfestival vor ner Horde Leute spielen, die möglichst dem alltäglichen Politikgejammer aus dem Weg gehen wollen. Das kommt definitiv gut an. Auf facebook gibt es ja ausreichend viele Angehörige der Muddi-Fraktion, die jegliche Art von nicht-zu-hartem Rock mit Texten in der einzigen Sprache, die sie halbwegs verstehen, feiern.

    Insgesamt irgendwie ekliges Gesamtbild, hoffe es wird nicht noch schlimmer

  • Vor 5 Jahren

    "Gewalt und Hass sind keine Lösung. Nicht für uns und nicht für dich"
    MEME
    "Wir wissen was du bist .. Du bist ein Arschloch und Rassist"
    Das meinen die doch nicht ernst..

    Leider zu viel Mainstream-Deutschrock. Ansonsten ist die Mittelaltermusik spitze.
    2/5