laut.de-Kritik

Mit drei E - wie Eingängigkeit, Energie und Explosivität.

Review von

Knapp sieben Jahre und zusammengerechnet vier Soloplatten zogen seit "Next" ins Land. Doch obwohl Seeed gerade auf Albumlänge als absolute Qualitätsgaranten gelten, blickte man dem lang ersehnten Comeback nicht ganz ohne Skepsis entgegen.

Sicher, das ungewohnt rockige "Molotov" sowie das gelungene Black-Cover "Wonderful Life" gaben vor einem guten Jahr eine hörenswerte Doppelsingle her. Einen unwiderstehlichen Hit der Marke "Dickes B" oder "Release" spuckte das "beste Pferd im Stall" allerdings noch nicht aus. Schon gar nicht mit der durchaus gefälligen, aber nur bedingt eingängigen letzten Single "Beautiful".

Nun liegt das ganze Album vor, und spätestens mit "Augenbling" haben Seeed den geneigten Fan tatsächlich wieder um den Finger gewickelt. Allein der leicht orientalische Beat entpuppt sich schon nach wenigen Sekunden als unwiderstehlich tanzbar und versetzt einen im Handumdrehen in Feierlaune. "Deine Augen machen bling bling und alles ist vergessen", toastet Peter Fox lässig wie eh und je - und bringt damit nebenbei die erleichterten Gefühle des Hörers auf den Punkt.

Wer die Band im Spätsommer 2011 bei einer der rar gesäten Comeback-Festivalshows erlebte, sollte es schon bemerkt haben: Der einstige Elfer ist zumindest auf der Bühne um zwei neue Musiker angeschwollen. Fortan besteht die Brass-Section nicht mehr aus einem schmalen Duo, sondern aus Trompete, Posaune und zwei Saxophonen.

Dass sich das ausgebaute Bläservolumen nun derart deutlich auf den Albumsound auswirkt, kann man nur begrüßen. Bereits bei "Beautiful" ließen die Berliner völlig ungewohnte Big Band-Sounds aufblitzen, mit ähnlicher Power geht es bei "Deine Zeit" im fetten Dreiertakt weiter.

Auch Dembas von Streichern getragener Quasi-Solotrack "Feel For You" profitiert gegen Ende von einem herrlichen Flatterzungenpart. Richtig zur Sache geht es schließlich im instrumentalen Outro "Beautiful (Reprise)", in dem die Bläser noch einmal allen Raum bekommen und dem Album über den Harmonien der Vorabsingle ein fulminantes Finale bescheren.

Nahtlos an alte Stärken knüpft die ersehnte Roots Reggae-Rückbesinnung "You & I" an. Dem gegenüber steht etwa das aufgedrehte "Seeeds Haus", das beim ersten Durchlauf noch für eine Schrecksekunde sorgt. Wirre Technobeats und monotoner Sprechgesang - biedern sich die Dancehall-Caballeros jetzt bei Deichkind an?

Beruhigend wirkt schon wenig später die eingängige Hookline, während die Partylyrics im altbekannten Seeed-Tenor tönen. Wer sich mit dem zumindest im Soundkosmos der Berliner völlig neuen Groove anfreunden kann, dürfte den Track als legitimen "Ding"-Nachfolger ins Herz schließen.

Überhaupt kehren die Berliner dem einst stilprägenden Dancehall mit wenigen Ausnahmen den Rücken zu - was man aufgrund der Fülle neuer Ideen überraschend gut verschmerzt. Schließlich stehen auch der stimmige Cowbell-Rocker "Waste My Time" oder die großartige Soul-Nummer "Lovelee" dem bewährten Trio Ear-Enuff-Eased bestens zu Gesicht.

Ein etwas ausgiebigeres Feuerwerk hatte man sich nach sieben Jahren ohne Studioplatte allerdings schon gewünscht. Zwar profitiert das selbstbetitelte Album zweifelsohne von der Tatsache, dass Seeed wie immer radikal auf Füllmaterial verzichten. Die ein oder andere Strophe oder Bridge mehr hätte bei derart geballtem Stimmvolumen aber keinem geschadet.

In den gebotenen 39 Minuten liefern Seeed aber nun einmal ab, was sich die Fans ohne Scheuklappen erhofften: einen Aufbruch zu neuen stilistischen Ufern, stets unter Berücksichtigung der wichtigsten Qualitätsmerkmale. So stehen die drei Es auch anno 2012 für Eingängigkeit, Energie und Explosivität.

Trackliste

  1. 1. Beautiful
  2. 2. Deine Zeit
  3. 3. Feel For You
  4. 4. Augenbling
  5. 5. You & I
  6. 6. Waste My Time
  7. 7. Seeeds Haus
  8. 8. Elephants
  9. 9. Lovelee
  10. 10. Wonderful Life
  11. 11. Molotov
  12. 12. Beautiful (Reprise)

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