laut.de-Kritik
Autoradio-Poprock der 1990er-Schule
Review von Markus BrandstetterDie Schule des Autoradio-Poprocks der 1990er Jahre schickt eine ihrer bekanntesten Protagonistinnen wieder ins Rennen. Sie wollte damals einfach nur ein wenig Spaß haben, bevor sie stirbt – und sie ist damit nicht die einzige, argumentierte sie weiland. Dieses Bekenntnis zur Spaßgesellschaft namens "All I Wanna Do" brachte Sheryl Crow Weltruhm, zahlreiche Grammy Awards und ein paar veritable Radio-Hits. Irgendwo zwischen sonnigem Pop, ein bisschen Rock und etwas Country hat Sheryl Crow nie so wirklich daneben gegriffen.
In den 2010er Jahren hatte Crow dann Lust auf ein bisschen Abwechslung, veröffentlichte 2010 das Memphis-Soul-inspirierte "100 Miles From Memphis". Drei Jahre später veröffentlichte sie sich mit „Feels Like Home“ eine reine Country-Platte. In den USA ist Country ja ein eigener kommerzieller Kosmos – für Crow ging die Rechnung nicht so wirklich auf. Für ihr neues Album, so die Künstlerin im Vorfeld, wolle sie sich von allen kommerziellen Gedanken lösen. "Be Myself" deutet eine Ankunft – oder eine Rückkehr – zu sich selbst an. Also wieder Autoradio-Poprock, auch gut.
Dafür hat sie sich für mit Jeff Trott und Tchad Blake auch wieder ihre alten Hawara (wienerisch für Pappenheimer) ins Studio geholt – es wurde drauflos musiziert ohne große Erwartungen, irgendwann waren ein paar Songs fertig und bald darauf eine ganze Platte. Die könnte auch aus den 1990ern stammen und zeigt Crow in gewohnter Stärke.
Sonniger Rock mit viel Twang, guten Hooks und Radio-Refrains. "Baby, if you dare / Will you meet me halfway there?", singt sie in der ersten Single-Auskoppelung. Na klar, wir sitzen doch sowieso gerade im Auto, machen wir halbe Strecke. Aber, man ist ja auch nicht mehr ein Jungspund mit nur Unsinn und Spaßhaben im Kopf, diesmal soll auf der Autofahrt auch über andere Dinge geredet werden als nur Fun, Fun, Fun.
Gott nämlich und die digitale Entfremdung. Die Liebe, sowieso, das Älterwerden. Über iPhones und die ganze moderne Technologie, die uns nicht immer nur eint und verbindet, sondern auch ein wenig vereinsamen lässt. Und über das komische Misstrauen, dass derzeit jeder gegenüber jedem hat. Über die Einsamkeit des Post-Kapitalismus (gut, sie drückt es ein wenig anders aus). Und darüber, wie wundersam die moderne Zeiten mit Selfies und Hipstern so sind. Lyrisch ist das nicht immer hochinteressant: "Hanging with the hipsters is a lot of hard work / How many selfies can you take before you look like a jerk?" – singt sie im Titeltrack. Es geht noch weiter: "I took an Uber to a juice bar to hear a new indie band play / They got 99 million followers in only one day". Am Ende geht sie dann doch wieder in ihre Lieblingsbar. Das ist auch gut so: Three Cords and the truth und so.
Kurzum: Wer Alben wie "Tuesday Night Music Club", "Sheryl Crow", "The Globe Sessions" oder "C'mon, C'mon" mag, kann hier bedenkenlos zugreifen.
2 Kommentare mit 10 Antworten
Extreme Entwicklung, sehr naise!
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Weißt du, was sich noch extrem entwickelt hat? Die heutige Tageszeit. Der Morgen ist quasi nahtlos in den Vormittag übergegangen und in #gromky ist immer noch keine Spur von dir...
Sitten wie bei den Barbaren!!!
Damit fing alles an:
https://www.youtube.com/watch?v=Vy7TK74zps4
Eigentlich damit
https://youtu.be/A1MGCNYU4WE
@niko_laus Das hab ich grad echt nicht kommen sehen. Musste sogar eben Wiki anschmeißen um nachzulesen, ob das tatsächlich Sheryl ist...
Oh, es stimmt also? Krass.. war mir völlig unbekannt.
Auf MJ abzugehen gehört zu meinen jugendsünden hab ihn dreimal live gesehen
Was für Jugendsünden? MJ regiert für immer. Hab ihn leider leider nie live gesehen..
Als ich neulich mal zufällig "All I wanna do" im Radio gehört habe, ist mir aufgefallen, wie gut der Text eigentlich ist. Nach kurzer Recherche habe ich dann gelernt, dass er auf einem Gedicht von Wyn Cooper basiert. Crow hat in den 90ern aber auch einige richtig schöne eigene Texte und Songs geschrieben. Meiner Meinung nach eine sträflich unterschätzte Künstlerin. Allerdings waren ihre Alben in den 00er-Jahren ziemlicher Murks.
Das Debut und das Country-Album habe ich gerne gehört, den Rest habe ich nur am Rande mitbekommen. Interessant mit dem Gedicht.