laut.de-Kritik

Der 'Ghetto-Ballerina' gelingt eine wahre Wundertüte.

Review von

Es sei ihre "Eintrittskarte in das Business". Drei Jahre nach ihrer Debütsingle "Rohdiamant" und zwei Jahre, nachdem sie mit einem Künstlervertrag beim All-Female-Label 365XX die "Spitze der Maslow-Pyramide" erreicht hat, veröffentlicht Skuff Barbie ihr erstes Album "Passiflora". "Ich will mir alles nehmen, was geht. Deswegen steck' ich mich nicht gerne in eine Schublade", kündigte der "bunte Punk" im Backspin Podcast ein Potpourri unterschiedlicher Sounds an, "Ich möchte mir als Künstlerin und als junge Frau die Möglichkeit geben, alles zu erkunden und mir einmal alles anzuschauen."

Skuff Barbie steigt gleich mit dem Highlight ein. "Es geht einen Schritt vor und keinen zurück!", konstatiert sie vergnügt und siegessicher in "Big Mäc". Während Deutschrap seit einiger Zeit bevorzugt Trauer trägt und selbst ein in wolkigen Erfolgshöhen schwebender Star wie Apache 207 den Verlockungen der Tristesse erliegt, hat die Münsteranerin grundsätzlich Freude an ihrer Tätigkeit. Der Opener setzt auf zurückhaltenden Dancehall, den Stammproduzent Boomboii ihrer Stimme gebrauchsfertig serviert. Für eine Produktion Seeed'schen Ausmaßes fehlte ihr womöglich noch die Kraft.

Gleichberechtigt neben der verspielten Skuff Barbie tritt sie in Stücken wie "Locker" sensibel und für Genre-Verhältnisse ungewöhnlich erwachsen auf. Boomboii weist ihr den Weg in den Kristallpalast ihrer Gefühlswelt, wo sie einen Verflossenen abzuschütteln versucht, von dem sie sich selbst noch lösen muss: "Ich rieche dein Parfüm noch auf meinem Kissen." In eine ähnliche Richtung stößt das mit leisem Bedauern erzählte "Toxic" vor. "Distanziert" reißt den Hörer hingegen fast selbstparodistisch aus dem um Wahrhaftigkeit ringenden Setting heraus ("Warum sind die Feelings so deep?").

Im Großen und Ganzen tänzelt die Münsteranerin geschickt zwischen aufgelockertem Dancehall und R'n'B-Reflektion. Die Rolle der Femme fatale steht ihr dagegen weniger gut zu Gesicht. "Gib es doch zu, du hast Angst, dich bei mir zu verlieren", singt sie verführerisch zum Schlangenbeschwörer-Sound von "On Fire", "Du musst einiges tun, willst du 'ne Frau wie mich." Für eine geheimnisvolle Aura wirkt Skuff Barbie schlicht zu offen und sprunghaft. Das misslingt gleichermaßen in "Löwenfell" und "J-Lo", in dem sie punktuell die gebieterische Rolle einer Domina annimmt: "Für guten Sex muss er betteln."

Tonangebend tritt Skuff Barbie auch in Songs mit Rap-Schwerpunkt auf. Mit Leila Akinyi bemüht sie sich in "Popular" darum, Zähne zu zeigen, nimmt aber stets die Abkürzung zum nächsten Klischee. Sie inszeniert sich als "Player", der "Batzen" zählt und sich über das von "Ratten" bevölkerte Musikgeschäft ärgert. "Wer von euch kennt die Bedeutung von Realness?", fragt die Gastrapperin das eingeschlafene Publikum. "Meine Freunde, Deine Feinde" bewegt sich ebenso stereotyp auf Grundschulniveau: "Diese Bitches - alles Snitches, komm vergiss es. Meine Freunde machen Business, Bootylicious."

Doch es bleiben lässliche Schwächen einer Debütantin. Zu offensichtlich ist "Passiflora" das Produkt einer Künstlerin, die vor Ideen übersprudelt und dennoch weit von einer klar definierten Rolle entfernt ist. Sorgloser Dancehall ("Big Mäc", "Löwenfell") wechselt sich mit der sparsamen Pianobegleitung von "W.I.S.S.", der lauschigen Atmosphäre von "Wo Du Warst" oder dem Jackie-Brown-Flavour von "Passiflora (Outro)" ab. Skuff Barbie gelingt eine wahre Wundertüte. Und dabei bleibt die "Ghetto-Ballerina" im Herzen "Deutschrap, aber nicht so wie 'Die Da!?!'."

Trackliste

  1. 1. Big Mäc
  2. 2. On Fire
  3. 3. Locker
  4. 4. W.I.S.S.
  5. 5. Distanziert
  6. 6. Popular (mit Leila Akinyi)
  7. 7. Löwenfell
  8. 8. J-Lo
  9. 9. Wo Du Warst (mit Wunso)
  10. 10. Toxic
  11. 11. Passiflora (Outro)
  12. 12. Meine Freunde, Deine Feinde (Bonus)

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1 Kommentar

  • Vor 11 Monaten

    Jetzt erst ausgecheckt, ganz naise, probs. Hat mehr Aufmerksamkeit verdient.

    "der sparsamen Pianobegleitung von "W.I.S.S.", "

    In dem Song sind ein Piano, Drums, Strings und minimum zwei verschiedene Synthesizer zu hören. Das ist keine "sparsame Pianobegleitung", zu allem Überfluss ist die Pianomelodie sogar teilweise kontrapunktiert.