laut.de-Kritik
Die beste Fahrstuhlmusik, die man sich vorstellen kann.
Review von Dani FrommIhre Namen stehen längst nicht mehr nur in Reggae-Kreisen als Markenzeichen für astreinen Sound: Mit Robbie Shakespeare am Bass und Sly Dunbar hinter den Drums kann überhaupt nichts schief gehen. Statt sich erneut von Stars gleich welchen Genres engagieren zu lassen oder - was Sly & Robbie nie aufgegeben haben - einem weiteren aufstrebenden Newcomer den Rücken frei zu halten, legen die beiden Uralt-Hasen im Geschäft nun wieder eine eigene Produktion vor.
Der Titel verrät bereits, womit zu rechnen ist. "Blackwood Dub" birgt genau, was draufsteht: mit Hilfe von Produzent Alberto Blackwood in Form getrimmte Dub-Tunes. "Strictly dub, no vocals." "No vocals!" Die Verantwortlichen bei Amazon müssen recht zart besaitet sein, kennzeichneten sie doch trotzdem jeden einzelnen Track mit dem Zusatz "explicit". Ja, solche Instrumentalversionen können schon ganz schön unanständig sein.
Dabei geht es auf "Blackwood Dub" eigentlich ziemlich gesittet zu. Sogar eine "The Bomber" betitelte Nummer quakt eher freundlich daher. Sly & Robbie schöpfen aus dem klassischen Instrumentarium des Dub: Gitarren und Keyboards setzen Akzente, elektronische Effekte dienen als Garnitur. Doch natürlich stehen Bass, Drums und Percussion unangefochten im Zentrum des Geschehens.
Statt auf ruhige, getragene Sounds, die hallende Weiten durchwehen, setzen Sly & Robbie auf ungewohnt frickelige, kleinteilige Rhythmen. Statt der hypnotischen Ruhe, die sich im Dub häufig ausbreitet, könnte man beinahe in Hektik verfallen, erdete nicht der stete, unaufhaltsame Groove sämtliche Nummern.
Bässe blubbern mal träge wie heißer Vanillepudding, schäumen dafür aber an anderer Stelle wie überkochende Milch. Das Spiel mit Kontrasten treiben Sly & Robbie in "Communication Breakdown" auf die Spitze, indem sie - nach einem Einstieg mit jazzigem Klavier - blecherne Schläge auf die runden, weichen Bässe regnen lassen.
Entwicklungen vollziehen sich im Rahmen der einzelnen Tracks nie abrupt, sondern immer schleichend. Die Fülle der verwendeten Details erschwert oft das Ausmachen eines roten Fadens. Eher, so scheint es, zwirbeln Sly & Robbie pro Tune gleich ein halbes Dutzend davon umeinander.
Es fällt einigermaßen schwer, seine Konzentration beisammen zu halten. Auf dem Gerüst aus auf- und abkletternden Basslinien kraxeln die Gedanken in alle Richtungen und schwindelnde Höhen. "No vocals", eben. Es steht kein Bob Marley, kein Lee 'Scratch' Perry, kein KRS-One und auch sonst kein Kollege parat, um die Hörerschaft mit Soul-Rebel-Pose, gepflegtem Wahnsinn und/oder messerscharfen Lyrics zu fesseln.
Neue Erkenntnisse oder gar die endgültige Erleuchtung beschert "Blackwood Dub" also nicht. Dafür liefert das Album auf ganzer Länge die handwerklich wohl am besten gemachte Nebenbei-Plätscher-Musik, die man sich vorstellen kann. In einem damit beschallten Fahrstuhl würde ich mich ohne Zögern häuslich einrichten.
1 Kommentar
Leider ist "No Vocals" nicht wirklich was für mich. Dennoch machen die beiden hier Top-Reggae.
Und Frau Fromm hat wieder einmal ihre unglaublichen schreiberen Fähigkeiten bewiesen. Big up!