laut.de-Kritik

Ruhrpott-Rap mit Tiefgang in den Texten und flachen Beats.

Review von

"Ich weiß nicht, ob ihr's schon wisst: Jetzt ist Pottzeit! Snaga und Pillath sind zurück. Jetzt ist Pottzeit." Bescheidene Ziele passen nicht zu Jungs dieses Kalibers. Hier wollen zwei mit Nachdruck dafür sorgen, dass der Ruhrpott ein für allemal seinen Eintrag auf der Rap-Landkarte erhält. "Das ist mehr als Representen, das ist Heimatliebe." Um Pionierarbeit handelt es sich dabei zwar nicht, deutliche Markierungen, wo der Pott zu verorten ist, hinterließen schließlich schon andere. Dennoch: ein ehrenhaftes Vorhaben.

Ganz nebenbei möchte das gewichtige Duo "Aus Liebe Zum Spiel" gleich noch eine Jahresbestleistung erbringen: "Hier kommt das Album des Jahres", heißt es bereits im "Intro". Wir haben Juli, meine Herren. Das wollen wir doch erst mal sehen.

Auf vorangegangenen Mixtapes profilierten sich Snaga und Pillath hauptsächlich als Punchlinekatapulte. Damit war zu rechnen, das Battlestyle-Feuerwerk verspricht auch Labelboss Samy Deluxe, der in "Pottzeit" als Gast an Mikrofon wie an den Reglern zu begrüßen ist. Wieder einmal frage ich mich, wann die Zeit diesen Mann, der ihr raptechnisch einst so weit voraus war, nicht nur ein- und überholt sondern auch gleich noch meilenweit hinter sich gelassen hat. Samys Part fährt nichts, aber auch gar nichts auf, das in irgendeiner Form bemerkenswert wäre und über "Samy hat die besten im Land gesignt" hinaus ginge.

Ja, aber draufschlagen, das können Snaga und Pillath. Wir erleben "die Rache der Kartoffelrapper". Die Schlampe Deutschrap wird ausgiebig drangenommen, und auch sonst lassen die schweren Jungs nicht mit sich spaßen. "Links - rechts - links, wie die Klitschkos auf dem Tandem", "Pillaths Rap macht aua-aua wie 'ne Arschenthaarung". Die kosmetischen Maßnahmen erweisen sich dabei als recht einträglich: "Jetzt ist mein Konto so fett, es hat Schwangerschaftsstreifen."

Die dicken Kumpels ergänzen sich bei alledem nicht wirklich: Der überaus ähnliche, um nicht zu sagen vollkommen identische Rap-Stil von Snaga und Pillath liefert eher einen Beleg für die Gültigkeit von "Gleich und Gleich gesellt sich gern". Auch Labelgenosse Manuellsen sticht nicht wirklich heraus, auch wenn er mit der Zeile "Ich komm straight aus den 80s wie ein Oberlippenbart" die Lacher auf seiner Seite hat. "Ich schmeiße mit Geld, ich bin ein Scheinwerfer": Zum ersten Mal seit langem amüsiere ich mich über Sidos "Asozialen-Lifestyle". "All-Star", das abschließende Familientreffen, verrät dagegen wenig Neues. Wen wundert schon, dass die mehr oder weniger talentierten Kollegen von Kee-Rush über Fard bis MoneyMo sämtlich mit königlichen Rüsseln ausgestattet sind?

Um so erstaunlicher, dass "Aus Liebe Zum Spiel" durchaus Geschichtenerzählerisches, noch dazu mit einigem Tiefgang, zu bieten hat. Erfreulich ehrlich und reflektiert kommen Snaga und Pillath in "Wer Will was Von Wem" auf den Punkt: "Ich bin Rapper und kein Gangster, deshalb kann ich's erzählen." Sich die Maske des Bösewichts aufzusetzen: völlig unnötig, wenn man weiß, wovon die Rede ist. Wer halbwegs genau hinsieht, kapiert auch ohne mit prophetischen Gaben gesegnet zu sein: "Kleine Jungs, die auf der Straße spielen, werden in zehn Jahren Jungs, die auf der Straße dealen."

"Bruder" kommt glaubwürdig und nur ein klein wenig rührselig daher. In "Keine Zweifel" wird in Rückblende der eigene Werdegang dargelegt. Gespickt mit persönlichen Details wird auch die hundertste derartige Story hörenswert. In "Einen Tag" befassen sich Snaga und Pillath, mal aus der Beobachterperspektive, mal über einen realistisch anmutenden Erfahrungsbericht, mit der Endlichkeit des Daseins. Wer solche Szenarien ersinnt, ist ganz gewiss nicht blöd, nur weil er Boxer werden wollte.

Hinter dem irreführenden Titel "Pillath Skit" versteckt sich keineswegs nur ein Füll-Schnipsel, wohl aber eine amtliche, handlungsreiche Nummer. In "Snaga Situation 7" regieren Rache, Wut, Schmerz, Blut und Tränen. "Ich spuck diese Zeilen mit Verachtung" - was wirklich nicht zu überhören ist. Wer so wenig Freude an seiner Tätigkeit hat, sollte aus eigenem Interesse vielleicht doch mal in Erwägung ziehen, sich einen "richtigen" Job zu suchen.

"Ich schwör', ich schneid' mir 'nen Arm ab, wenn das nicht das Album des Jahres ist." Derartige Ansagen würde ich mir gut überlegen. Zumindest in meine Spitzengruppe wird es "Aus Liebe Zum Spiel" trotz zahlreicher positiver Überraschungen wohl eher nicht schaffen. Obwohl es an keiner Stelle an Kraft mangelt, zerrt die immer gleiche Stimmung der Beats gehörig an den Nerven. Man mag kaum glauben, dass eine ganze Reihe unterschiedlicher Produzenten ihre Finger im Spiel hatte, so ähnlich tönt es über die komplette Album-Länge.

Über wuchtige Bässe klimpern wahlweise filigrane Synthies, die altbekannten Handclaps oder, wenn es melancholisch werden soll, auch mal ein Piano und die unvermeidlichen Streicher. Sobald Gefühle mitschwingen, muss in der Hookline gesungen werden. Nicht einmal der überstrapazierte Gewitterregen bleibt in der Schublade mit den Stereotypen. Der Einstieg zu "Es Ist Wie Es Ist" erinnert verteufelt an den Anfang von "Men In Black", und nicht nur Kollege Dobler vermeint, bei "R.U.H.R.P.O.T.T." Jay-Z und R. Kelly um die Ecke grüßen zu sehen.

Auf der guten Seite vermerke ich Brisk Fingaz' gescrewte Zeilen aus "I'm A Star". Mit Südstaatensound war ich schließlich noch immer zu erwischen. Und noch einer plättet mich mit einem Panzer von einem Beat, der sich völlig frei von klischeehaften Bombast in "SP" seinen Weg bahnt: Sagte ich's nicht? Joe Rilla sollte nicht rappen. Der Kerl soll bitte, bitte produzieren. Allen anderen mache ich den Vorwurf, den Snaga und Pillath so trefflich formulierten: Euch fällt nix Neues ein wie Don Kings Friseur.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. R.U.H.R.P.O.T.T.
  3. 3. I'm A Star
  4. 4. Wer Will Was Von Wem feat. Decino
  5. 5. Bruder feat. Braheem
  6. 6. Pottzeit feat. Samy Deluxe & Manuellsen
  7. 7. Asozialen-Lifestyle feat. Sido
  8. 8. Pillath Skit
  9. 9. Einen Tag feat. Braheem
  10. 10. Es Ist Wie Es Ist
  11. 11. Bis Wir Gehen
  12. 12. Feelin Good feat. Illmatic
  13. 13. SP
  14. 14. Keine Zweifel feat. Cassandra Steen
  15. 15. Snaga Situation 7
  16. 16. Die Zeit Ist Gekommen
  17. 17. All-Star feat. Kee-Rush, Adel, PsychoVaysol, FortyFive, SAW, Fard, MoneyMo

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148 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Ich muss immer Schmunzeln und grinde immer hart an Lachflashs vorbei, wenn ich euch Hobbymusikpsychologen debattieren seh. xD
    Aber es scheint unzählige Foren und Plattformen zu geben, wo Menschen, die von sich behaupten "Ahnung" zu haben, sich das Maul über das Machwerk anderer zerreissen und tatsächlich glauben sie hätten das Recht Kritik zu äußern. Seien es Filme, Bücher oder Musik. Überall sitzen Menschen die nichts anderes zu tun haben, als überall ihren "Fachsenf" dazu zu geben.

    Wenn ich bei Filmkritiken lese welchen Psychologischen Aspekt und Hintergrund der (Dreh)Buchautor wohl gehabt hat, dass er den Film so geschrieben hat...wenn ich die Motive und Absichten und sozialen Hintergründe ergründet sehe von Menschen die Musik machen... echt lachhaft! xD

    Punkt 1: Egal was es ist, jeder hat seinen eigenen Geschmack! Entweder es gefällt einem, oder nicht!

    Punkt 2: Wenn euch was nicht gefällt, fresse halten und weitergehen, es sei denn euch fragt jemand nach eurer Meinung!

    Punkt 3: Bevor ich mir Kritik über die filmischen, autorischen oder musikalischen Leistungen eines anderen erlauben kann, muss ich erstmal selbst was geleistet haben um überhaupt wissen zu können, was nötig ist um sowas zu leisten!

    Der Beat knallt, die Texte gefallen mir. Ich sitze bouncend vorm Rechner und hab meine Creative-Anlage auf Anschlag. Der Subwoofer lässt den PC-Schrank wanken.
    Ruhrpott FTW!

    Peace!

    • Vor 10 Jahren

      Halt den Rand, du Flachwichser. Dich hat keiner nach deiner Meinung gefragt. Ergo hast du auch nicht die Berechtigung, hier deine Grützwurst stehen zu lassen. Jetzt geh wieder in dein Zimmer. Aber lass dich ja nicht von Mama beim Wichsen erwischen. Sonst setzt es wieder eine Woche Internet-Verbot.

  • Vor 10 Jahren

    du kommst mit deinem geseier mindestens 5jahre zu spät, aber sonst is bei dir hoffentlich alles im lack!? naja, in der industriebrache fehlen halt die alternativen...

  • Vor 10 Jahren

    Fand die früher relativ grausam, besonders Pillath mit seinem Jammerflow...rückblickend muss man aber sagen, dass die immer noch geilere Mucke gemacht als heutige Vertreter mit ihren Trap/Synthie-Verbrechen.

    Feuer über Deutschland...Team Selfmade vs Team Schalke - legendär (schlecht) :D