laut.de-Kritik
Wer das Remix nennt, hat nichts verstanden.
Review von Christoph Dorner"Galaxy Man!" und "Dirty!" – das sollen die ersten Kommentare der Boss Hog-Begründer Jon Spencer und Christina Martinez gewesen sein, als ihnen die niederländische Pop-Sample-Künstlerin Elisabeth Esselink neues Material am Telefon vorspielt. Natürlich lassen sich beide zu einer Kollaboration überreden, und folgerichtig muss das "The Defining Sound of 2020" sein. Das behauptet zumindest der mit dem Album mitgelieferte Erzähl-Comic, der ganz im kontrastreichen Neo-Noir-Stil von Frank Miller gehalten ist.
Naja, der Sound der Zukunft ist es nicht ganz, dahinter steckt natürlich eine Portion Selbstironie. Denn sowohl die an DJ Shadow erinnernden Basteleien von Esselink, die es unter dem Künstlernamen Solex immerhin auf fünf Alben und sechs Peel-Sessions gebracht hat, als auch der Punk-Blues von Boss Hog und auch Neo-Noir sind ja Ausdruck verschiedener Subkulturen der 90er Jahre.
Und doch ist "Amsterdam Showdown, King Street Throwdown" ein montiertes Album, das gehörig Spaß macht – vorausgesetzt man steht auch auf Becks wilden Soundclash der Alben "Midnight Vultures" und "Mutations". Schließlich sind die groovenden Beats von Solex traditionell aus einem Fundus aus Vinyl-Kisten mit den Genres Blues, Funk, Rock und Elektronik zusammengeleimt. Wer diese Detailarbeit Remix nennt, hat nichts verstanden.
Jedenfalls gingen diese elektronischen Soundcollagen als Bänder per Fed Ex nach New York, wo Spencer und Martinez danach fuzzige Blues-Gitarren sowie treibende Bass- und polternde Schlagzeugspuren einspielten und inhaltlich redundanten Vocoder-Gesang beisteuerten, der sich wie bei Von Südenfed von Mouse On Mars und Mark E. Smith eh ganz den Tracks unterordnen soll.
Die Gewichtung liegt hier also nicht auf Lyrics oder Melodien, sie liegt auf einem dreckigen Groove, bei dem letztlich Spencer mit aufgedrehter Gitarre sogar die Initiatorin Solex mit einem schiefen Grinsen übertönt. So kommt es, dass "Galaxy Man" mit Spencers angesoffenem Blues-Genöle und cheerenden "Baby-Baby"-Zwischenrufen von Martinez fast schon wie ein klassischer Soundtrack-Beitrag für einen Tarantino-Film daherkommt.
Bei "Racer X", wo sich Spencer und Martinez zu quietschenden Reifen gegenseitig hochschaukeln, könnte man sogar den Film nennen: Death Proof. In "R Is For Ring-a-Ding" und "Action" wiederum rapt Mike Ladd als Gast über grandios lässigen Brass-Funk. So bekommt man letztlich ein feuriges, krachiges, kurzweiliges Album mit wildem Genre-Hopping, das geil und dated zugleich ist. Wem es nicht gefällt, sei dennoch etwas bedauert.
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Remix!