laut.de-Kritik
Magnolia hielt nicht fest genug :(
Review von Franz MauererOk, bear with me, wie der Ami sagt: "The Magnolia Electric Co." ist das letzte Album von Jason Molinas Band Songs: Ohia, bevor er diese in Magnolia Electric Co. – ohne The – umbenannte, und ist nicht zu verwechseln mit Molinas Solodebüt "Pyramid Electric Co.". Molina selbst sah "Didn't It Rain" als letztes Album von Songs: Ohia und dieses Album als Debüt der neuen Band, nahm das Album aber mit dem Ohia-Lineup auf (und tourte mit ihnen) und änderte die Besetzung erst danach.
Wirklich wichtig ist es eigentlich nur, sich zu merken, dass der sich leider früh totgesoffene Molina ein bis heute einsam stehendes Tierchen ist. Seine Mischung aus Blues, Rock und Folk wird es so wohl nicht mehr geben, und sein Legendenstatus ist so verdient wie bei Vic Chesnutt oder Elliott Smith. Dieses Album steht wohl vor dem Beginn des starken Alkoholismus Molinas, es ist aber wichtig zu betonen, dass auch "Josephine" von 2009 an dieser Stelle stehen könnte - solange er physisch noch konnte, also bis ca. 2010, war Molina eine sichere Bank.
"MGC" hat ein großes Pfund: Es beginnt mit einem der unumstößlich besten Songs aller Zeiten. "Farewell Transmission" hat einen dermaßen unwiderstehlichen Swag, Groove und eine Coolness, die nie ablehnend, sondern umarmend, konspirativ hineinziehend wirkt. Und das ist nur die eine Seite des Songs, bis Molina die düstere Seite des Monds beschwört und die Grabesstimmen das herrlichste Grabgejaule starten, bis die Seele davonschwebt auf den Gitarrenspuren. "The real truth about it is / No one gets a ride", singt Molina und natürlich bleibt es bei seinen Topi, wie er sie ebenso schön wie niederschmetternd vortrug: Vom Versuchen und vom Versagen beim Versuchen und vom Vorher-Wissen, wie das ausgehen wird. Weniger vom Mangel an Optionen, sondern vom Suhlen in dieser Aussichtslosigkeit, weil sie einem Molina wenigstens einen Determinismus gibt, der ihm überhaupt erst die Kraft gibt, anzukämpfen.
Auch musikalisch legt der Opener richtige Spuren: Mit diesem Album war Molina kein Indie-Liebling mehr, sein Kumpel Will Oldham hatte abgefärbt, und Molina war ab dann mal mehr, mal weniger klar irgendwo zwischen Country, Folk, Blues und Roots Rock angesiedelt – in Ermangelung eines besseren Begriffs also Americana. Jennie Benfords wunderschönes Schmachten charakterisiert diese Melange glänzend auf "I've Been Riding With The Ghost", bevor Rob Sullivans Bass, Dan Brenners Hawaiigitarre und vor allem die vielen Schichten um Dan Sullivans, Dan Macadams und Molinas Gitarren den Song rockig losschießen, wo er sich in einem sehr coolen, ewigen Lechzen verliert.
Diese exzellente Truppe mit so viel Erfahrung prägt die Scheibe. Brenner ist Hundertbandveteran (Keyboarder Three Nickel Grabowski auf lokaler Ebene auch), Dan Sullivan schreinerte die Möbel für die Serie The Bear, und die allermeisten machen bis heute Musik – aber nie wieder wirklich erfolgreich. Das gilt selbst für die Gastmusiker. Lawrence Peters Karrierehöhepunkt waren die lead vocals auf "Old Black Hen", er macht bis heute Country. Der Song ist der mit weitem Abstand klassischste Countrysong auf dem Album und ein kleiner Außenseiter, auch wenn das typische Molina-Wiegen deutlich erkennbar ist. Scout Niblett kann heute noch ein Begriff sein, veröffentlichte aber zuletzt 2013. "Peoria Lunch Box Blues" zeigt sie und ihre tolle, gebrochene, quiekige Stimme zu Zeiten ihres Großwerks "I Am". Wie sie sich Molinas Songwriting anschmiegt und es umtänzelt ist eine Wonne, sie fühlt sich merklich pudelwohl.
Mit Andrew Miller und Mike Mogis hatte Molina schon früher absolute Spitzenproduzenten gewonnen, aber die raue Kraft, die "MGC" heimsucht, liegt eben auch an Steve Albini. Weiß man, dass er hier an den Reglern saß, fällt es einem wie Schuppen von den Augen, wie unmittelbar die Gitarren nach vorne gemischt sind, wie physisch spürbar die Drums sind, alles riecht nach dem Werkverständnis des Pasadenans, der ab dann Hausproduzent Molinas wurde. Albini gefielen bestimmt die Texte auf "Just Be Simple", der Titel eine Ansage der Ex, der der ewig traurige, verkopfte Molina nicht gerecht werden konnte: "This whole life it's been about / Try and try and try". Was anfängt als im Vergleich zu den ersten beiden Songs zugänglichere, seichtere Nummer, entpuppt sich rasch als totfinsterer Rumpler, der besonders mitnimmt, wenn er so oft stockt und weglässt. So viel Zeit lässt einem das von Grabowskis Wulitzer und einer Myriade an Gitarrenspuren dominierte "Almost Was Good Enough" niemals, zu keinem Zeitpunkt. Eine Americana Wall of Sound erdrückt die im Titel schon ersichtliche Lebensfreude: "C'mon, did you really believe / That everyone makes it out?". Ein ebenso perfekter wie aufwühlender Fiebertraum aus Saiten – das Anschlagblatt der Wulitzer scheint man im Trommelfell zu spüren.
Einen amerikanischeren Song als "John Henry Split My Heart" wird man schwerlich finden. Henry ist ein afroamerikanischer Volksheld, ein schwarzer Sisyphos-Arbeiter. Er gewinnt als Stahlarbeiter einen Wettstreit mit einer Maschine, nur um an der Anstrengung elendig zu verrecken. "Split My Heart" meint ein unmittelbares Nahegehen, Molina singt von der eigenen Urgewalt, die ihm Erfolg überhaupt erst ermöglicht, aber droht, ihn umzubringen (was sie dann auch tat). Die Rockoper greift den Opener auf und reißt ab, was der übrig ließ. Es folgt der ursprüngliche Closer "Hold On Magnolia". Ein Liebes- und Hochlied auf eine Frau, die Molina sehr half, nur, um ihn dann doch zu verlassen. Macadams Geige bekommt mehr Raum und nutzt ihn trefflich für einen aussichtslosen, ruhigen und monolitisch schönen Closer, ewig bleibt einem im Ohr, wie Molina fleht "Hoooold oooon, Magnoooliaaaa".
Die Bonussongs "The Big Game Is Every Night" und "Whip Poor Will" berücksichtigen wir hier nicht aus ordnungspolitischer Überzeugung, sondern weil es sträflich wäre, sie zu vernachlässigen. Das große Spiel hört sich an wie ein Bastard aus Wovenhand und Slim Cessna und ist an Dunkelheit und Tiefe kaum zu überbieten. "Whip Poor Will" dagegen ein zartes, wunderschönes Duett zwischen Molina und Benford, das nur seine Gitarre und ihre Mandoline bestreiten und in dem sie vergeblich aufbegehren für die Schwachen. Der perfekte Closer eines perfekten Albums.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
1 Kommentar
Schön, dass Ihr Jasons Werk ehrt. Wenn man sich die Texte auf Didn't it rain anhört, versteht man die tiefe Traurigkeit von Jason Molina. Wenn man das Werk von Songs: Ohia charakterisieren sollte, dann bleibt das vorgenannte ruhige Album als großer Eckstein- 4/5. Axxess & Ace und Lioness sind ähnlich gelagerte Alben, wobei ersteres auch große Songs enthält: vor allem das sehr ruhige Redhead, was Tendenzen zu Ghost Topic dem Ausnahmealbum=5/5 besitzt. Das folgende Capt Badass bringt dann wieder mehr Schwung hinein und Come Back to your Man würde auch auf den Soundtrack zu Dead Man passen. Ebenso das folgende Champion. Beide mit tieftrauriger Geige und erfreifender Melodie. Lioness ist im Vergleich zu Access auf dem gleichen hohen Niveau, beide auch mindestens 4/5. Wenn man das hier besprochene Album als das erste Magnolia Electric Album ansieht, was ebenso wie Ghost Topic eine 5/5 erreicht. Der Nachfolger, im ähnliches Cover Artwort enthält die Klassiker Dark dont Hide it, Leave the City, Hard to Love a Man und geht gegen Ende etwas ruhiger zu, 4/5. Fading Trails als kurzes Album ist dicht gespickt mit guten Songs, auch gegen Ende wieder ruhiger werdend 4/5. Das letzte Album, Josephine, hat einen derart waremen schönen Sound, dass man es alleine deswegen schon gerne durchlaufen lässt. Die Lieder sind insgesamt im mid Bereich und sanfter arrangiert. Der Opener O Grace ist einfach nur schön. Die Highlights sind für mich Handing Down, Map of the Fallings Sky und das originelle Sad Eyes. Das Album schließt mit Arrow in the Gale, wobei sie auf der Tour diesen dann absichtlich etwas schräg und leiernd gesungenen Song als Opener verwendet haben und ihn in Sad Eyes haben über gehen lassen. siehe YT "Sweden, 2009". Josephine verdiente 4.5/5. Ruhe in Frieden da wo Du bist Jason; und Danke für die Musik.