laut.de-Kritik
Papa Thurston, Mama Kim und die Lausbuben Kurt Cobain und Dave Grohl.
Review von Josef GasteigerAls Regisseur Dave Markey im August 1991 zu einer zweiwöchigen Reise nach Europa aufbricht, um ein Tourvideo für Sonic Youth zu drehen, sollte er mit einer Vorband der Sonics für diese Dates mitfliegen. Am Flughafen traf er drei ziemlich fertig dreinschauende Gestalten mit langen Haaren und eher unsauberen Klamotten. Sie kamen gerade vom Videodreh ihrer neuen Single "Smells Like Teen Spirit".
Die Vorgeschichte allein taugte zur Legendenbildung - und lässt der Wiederveröffentlichung von "The Year Punk Broke" entgegenfiebern. Sonic Youth, eine Band, die ihre künstlerische Integrität bis heute bis aufs Blut verteidigt und sogar Labelfleißaufgaben etwas Positives abgewinnen kann, verdient sich aber einen etwas weiteren Blick. Denn eigentlich ging es damals ja um sie.
"Daydream Nation" und das Majordebüt "Goo" platzierten sie soweit auf dem Radar der Öffentlichkeit, dass einige Festivaldates und Clubshows auf dem alten Kontinent anstanden. Um das für ein mögliches Tour- oder Livevideo festzuhalten, luden sie Dave Markey ein, sie zu begleiten: ohne Kamerateam, ohne eigenen Bus, nur den Filmemacher selbst mit einer Super8-Kamera und einem Koffer voller Film im Gepäck.
Mit keiner wirklichen Agenda im Hinterkopf ließ Markey seine Kamera rund um die Uhr laufen. Wenngleich er vorwiegend mit Sonic Youth unterwegs war, liefen ihm auch oft genug Persönlichkeiten der Supportacts oder andere Bands der Festivals vor die Linse. Allen voran Nirvana, aber auch Mudhoney, Dinosaur Jr, Gumball, die Ramones und viele mehr. Sogar Courtney Love wankt hin und wieder durchs Bild.
Zwischen allesamt großartigen Performances all dieser Bands (der Schwerpunkt liegt auf den Sonics und Nirvana), zeigt Markey allerlei Backstage-Blödelei und auch Ausflüge der Protagonisten in die Welt abseits der Trailer- und Bandzelte. Die Kamera wackelt, der Sound ist manchmal schlecht, es wirkt oft wie ein Heimvideo einer Familie auf Sommerurlaub. Mit Thurston und Kim als Eltern, Kurt und Dave als Lausbuben und den leicht schrägen Tanten und Onkel (Babes in Toyland, Dinosaur Jr.).
Der Film beginnt mit einer mehr als bizarren, dreiminütigen Sequenz, in der Sonic Youth-Fronter Thurston Moore ein Hip Hop-Mantra vor sich hin rappt, in Szene gesetzt mit Interpretationstänzen auf Bahngleisen von Kim Gordon und Kurt Cobain. In diese Richtung geht es auch weiter, entblößt den trockenen und beißenden Humor von Sonic Youth, besonders den von Thurston.
Fast kindliche Freude bereitet es ihm, in das an der Kamera angeschlossene Mikrofon seine Gedanken zu sprechen, ängstliche Passanten anzuhauen und den ganzen Tag nur dem Blödsinn frönen. Halbwegs ernst gemeinte Momente sind kaum vorhanden. Doch das macht den Charme von "The Year Punk Broke" aus. Dazu gehört auch viel Vorwissen, zum Beispiel wie die jetzige Silberlocke J Mascis vor 20 Jahren ausgesehen hat, sonst erkennt man ihn fast gar nicht.
Markey verfolgt keine These, er bildet meistens nur ab. Er stellt keine der Charaktere vor, lässt auch die Chronologie weitestgehend außen vor. Gleichzeitig ist er aber näher an den Bands dieser Zeit dran, als jeder andere Filmemacher vor ihm. So zeichnet er das Bild von einem Haufen junger Menschen, die die ganze Maschinerie hinter ihrer Musik irgendwie lächerlich finden und nach und vor Shows ihren Dampf genauso ablassen, wie ihre Altersgenossen überall auf der Welt.
Wenn ein noch jugendhafter Dave Grohl das Backstagebuffet mit einem köstlich Akzent erklärt und daraufhin zerstört, Thurston, Kim und Kurt mit einigen Fans auf einem Parkplatz Flaschendrehen spielen oder Courtney Hole ein MTV-Interview sabotiert - in diesen zwei Wochen quer durch Europa (die Hälfte davon bei Gigs in Deutschland) kam der Spaß sichtlich nicht zu kurz.
Besondere Bedeutung bekam der Film durch Nirvanas Abflug in den Rockolymp wenige Wochen nach Ende dieser Tour. Frühe und entfesselte Livedarbietungen von "Teen Spirit", "Polly" und "In Bloom" und Kurts legendärer Sprung ins Drumkit beim Reading Festival '91 bannte Markey fast zufällig auf Band, war aber schon sichtlich beeindruckt von der eigentlichen Vorband.
Dass durch Nirvanas Höhenflug der Schnitt und die Veröffentlichung des Films extrem kompliziert wurden, erklären die Beteiligten auch in der Fragerunde aus dem Jahr 2003, die als Bonusmaterial der DVD-Veröffentlichung beigelegt wurde. Da verrät Regisseur Markey zum Beispiel, das er ursprünglich "Smells Like Teen Spirit" nicht im Film haben wollte, weil es zu jener Zeit wirklich rund um die Uhr lief.
Ein weiteres Extra ist der 40 Minuten lange Bonusfilm, der mehr großartige Sonic Youth-Livemomente bereithält und wieder Mixtape-artig Backstagemomente darunter legt. Man hätte ihn genauso nahtlos an den Originalfilm anhängen können, und es würde keinen stören. Trailer und ein Liveedit von "Teenage Riot" runden die Sache standardgemäß ab.
"The Year Punk Broke" (so genannt übrigens weil Mötley Crüe den Sex Pistols-Klassiker "Anarachy In The Uk" spielten und das jeder der hier Versammelten zum Schießen fand) hält lustige, skurrile, verstörende, aber vor allem ehrliche Momente einer Gruppe von jungen Musikern fest, die damals an ihr eigenes Schicksal kaum Gedanken verschwendeten.
Die Geschichte, die nach diesen zwei Augustwochen folgte, macht dieses Material zwar erst bedeutsam, trotzdem erfreut man sich an der puren Spiel- und Lebenslust von Sonic Youth, Nirvana und Co. So sympathisch wurde die Generation X selten abgebildet.
2 Kommentare
Klasse Text! Aber wer sind eigentlich diese "Nirvana", von denen hier die ganze Zeit geschrieben wird?
Need!