laut.de-Kritik

Afterhour-Mucke zwischen Trip, Halbschlaf und Existenzkrise.

Review von

Da muss jemand die Gelegenheit gesehen und genutzt haben: Souly ist jetzt seit ein paar Jahren absolut hot. Zumindest in der Kategorie "Typ, von dem man irgendwie schonmal gehört hat, war der nicht ... hier als Feature für die Hook auf dem einen Album drauf?" geht der Mann mit dem generischen Namen absolut fünffach Gold. Mit zwei Tapes schon unterm Gürtel hat er spätestens mit dem skizzenhaften "Bossbaby Tape" letztes Jahr definitiv gezeigt, dass er auch alleine kann. Dazu hat der Viralerfolg von "Bundeswehr" ihm vermutlich den bisher größten Schub seiner Karriere gegeben. Wenn also das Durchbruchs-Album für Souly kommt, dann muss es jetzt kommen. Und "Traence" zeigt, dass Souly das absolut verstanden hat.

Ich bin ehrlich fast ein bisschen überrascht darüber, wie gut "Traence" funktioniert. Das hier ist eines der stimmigsten und kohärentesten Deutschrap-Tapes der letzten Jahre. Die Grundprämisse ist dabei so simpel wie originell: Wir bekommen den klassischen Blend von Soulys Amirap-Inspirationen, aber dieses Mal über eine europäische elektronische Klangpalette gesamplet. Wie der Titel des Albums es schon andeutet, haben wir es hier mit Sounds und/oder Samples zu tun, die die Fundamente von Trance, Psy oder Techno machen würden. Und so klingt dieses Album in seinen besten Momenten, als wäre dir knapp vor der Überdosis auf dem Comedown-Floor Young Thug am Himmelszelt erschienen.

Anfangs kann man dabei noch das klassische moderne Deutschrap-Spiel spielen: Welchen Ami referenzieren wir hier gerade? "Maske Weg" zum Beispiel flippt den titelgebenden Future-Track "Mask Off" verbatim und legt ihn über ein Instrumental, das sehr nach dem A$AP Rocky-Flip von Mobys "Porcellain" klingt. Wenn Souly dann rappt "wen bitest du sonst, wenn nicht mich", dann kann das ein bisschen ulkig wirken, vor allem, weil die Dichte an Referenzen und Interpolationen von guten Amiflows nicht dünner wird.

Aber vielleicht muss man das auch einfach als einen Istwert der Deutschrap-Gegenwart sehen. "Den Film peilen" ist ohne Scheiß vermutlich eine ehrenwerte Metrik dessen geworden, was du als MC wert bist - und du erkennst einen guten deutschen Rapper oder eine gute deutsche Rapperin doch einfach an Stilsicherheit und Kurationsfähigkeit, die besten Referenzen zu setzen. "Kann Nicht Warten" erinnert mich zum Beispiel sehr an G-Eazys einen Überbanger "No Limit", was die Vocals angeht. Auf "Soft" tappt er kurz in den "Parallelen"-Flow von Celo & Abdi, um über den Genozid in Gaza zu sprechen. "Nichts Hittet" könnte von der Vocal-Melodie ein moderner YSL-Trap-Track sein, vielleicht so etwas wie "Surf", "Ski" oder gar ein Track von Lil Keed oder Lil Gotit.

Der Skill daran, diese ganzen Sounds zu emulieren, liegt eben am Ende des Tages zum einen daran, dann noch etwas Eigenes damit zu machen - und bestenfalls noch ein eigenes Charisma mitzubringen. Und beides erfüllt Souly absolut. Tatsächlich geben die ganzen elektronischen Sounds dem Tape einen extremen Eigenwert, weil sie so verdammt europäisch klingen. Und man kennt diese Stimmungen und diese flächige Verklatschtheit, unter die standesgemäß sonst eigentlich ein Outdoor-Rave-tauglicher Technobeat gehören sollte, einfach nicht in diesem trappigen, Cloud-Rappigen Kontext. "Traence" klingt dementsprechend transatlantisch wie extrem zwischen den Stühlen.

Vor allem, weil Souly dann auch noch eine sehr schöne Spannungskurve rauskitzelt. Das Tape fängt schon mitnichten nüchtern an, aber die Dichte der Banger und Representer am Anfang macht doch ein bisschen wacher. Aber schon von "Soft" an verdichtet sich ein Strudel ins immer Abgefucktere, Psychedelischere und Traurigere, der bis zum Ende des Albums nicht nachlässt. Die Hörerfahrung ist nebelig, wolkig und zunehmend depressiv. Entweder brüllt er Goodlife-Plattitüden so verzweifelt gegen die apathisch-betäubten Beats an ("mein Money geht dumm, mein Money geht ~mental~"), dass man ihm erst nicht so recht trauen kann. Oder er versinkt einfach akut im Selbstmitleid, rattert herunter, wie er auf den gut gemeinten Rat seiner Geschwister scheißt und in der eigenen Dekadenz unterzugehen droht. Das gipelt mit "M.p.x" in einem der geilsten Beats des Deutschrapjahrs - das hier ist wirklich die purste Afterhour-Mucke, irgendwo zwischen Trip, Halbschlaf und Existenzkrise, die ich seit einer Weile gehört habe.

Und Souly kann als MC immer wieder gut mithalten. Ja, sein ganzes Ding inspiriert sich offensichtlich von Artists wie Future, Rocky oder Travis, die er wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht nicht unbedingt als Lyricists liest. Aber er kriegt doch immer wieder Lines rein, die ihn als Charakter greifbar und die Szene plastisch machen. Auf "Dreh Den Auf" rappt er zum Beispiel "Ich mag dich sehr, aber halt kurz dein Maul", kurz bevor der Beat wieder einsetzt. Das ist überraschend gutes und simpel-effektives Storytelling, das sich ein paar mal über das Tape hinwegzieht. "Nichts Hittet" wird das emotionale Zugpferd des Albums, an das er dann auch auf mehreren Tracks wieder anknüpft und zitiert, als wolle er diesen apathischen Strudeln mit den immer langsamer-trippyer werdenden Songs noch unterstreichen. Manchmal können die Bilder schon ein bisschen random wirken ("500 Joints"), aber die Grundintention und das Storytelling über das Album funktionieren wirklich bis zum Schluss beeindruckend. Man merkt, dass hier ordentlich etwas durchdacht wurde.

Abzüge in der B-Note gibt es allerhöchstens für ein paar ungenutzte Chancen. Ja, die Kohärenz ist geil, aber vielleicht hätte man die Banger im ersten Drittel ein bisschen mehr ausreizen können. Vielleicht einen kleinen Akzent-Track für den Anfang, der von den Trap-Drums weggeht, ein paar Akzente mehr nach links und rechts. Irgendwie fühlt sich außerdem im letzten Viertel jeder Track für sich wie ein dramatischer Outro an, ein klein bisschen hätte man da wahrscheinlich kürzen können. Aber ganz ehrlich? Das ist absolute Korinthenkackerei an einem Album, das es absolut wert ist, auf unser aller Radar zu sein. Nicht nur, weil Souly einmal mehr sein sehr gutes Gespür für Sound und Atmosphöre beweist, sondern weil "Traence" wirklich aufbahrt, dass ein Rapper im Aufwind hier sein großes Statement setzen wollte. Es ist ein Album, das es wahrscheinlich langfristig verdient, in den großen Kanon unseres Genres aufgenommen zu werden. Denn als Maßstab für Mainstream-Qualität in 2025 wird man hieran erstmal heranreichen müssen.

Trackliste

  1. 1. All White
  2. 2. Maske Weg
  3. 3. Kann Nicht Warten
  4. 4. Dreh Den Auf
  5. 5. Soft
  6. 6. Mein Blut
  7. 7. Nichts Hittet Mehr
  8. 8. Bentley
  9. 9. Pop (d.P.)
  10. 10. Kronleuchter
  11. 11. Du
  12. 12. 500 Joints
  13. 13. M.p.x
  14. 14. Manie
  15. 15. Triff Mich Halben Weg
  16. 16. Dónde

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