laut.de-Kritik
Psychedelic Folk in epischer Länge.
Review von Stefan MertlikMit "Coral Island" erschaffen The Coral eine eigene Welt. Dafür genügt der britischen Folkrock-Band um die Brüder James und Ian Skelly das herkömmliche Albumformat nicht mehr. In ihrem Falle muss es ein Doppelalbum sein. Auf 24 Stücken führen The Coral durch das Küstenstädtchen "Coral Island", das – je nach Wetterlage – düster wie in "The Shining" oder einladend wie bei den "Goonies" sein kann.
James und Ians Großvater fungiert als Erzähler. Zwischen den Stücken beschreibt er Promenaden, Piers und Straßen. Leidenschaft und Liebe – der hörbar betagte Mann verspricht all das in "Coral Island". "The time has come for me to tell her story / Of how her sweet love dances all around / She's laughing, tells me not to worry / If the darkness falls upon this house", singt James Skelly dann auch im Opener "Lover Undiscovered".
Der psychedelische Folk von The Coral, der auch Indie- und Pop-Elemente zulässt, passt perfekt zum erzählerischen Konzept. "The End Of The Pier", "Mist On The River" und "Autumn Has Come" – allein die Liedtitel beschreiben die Tiefe und Schwere, von der dieses Album handelt. Dabei dient der Schauplatz als ständige Metapher. Mit jedem Takt scheint eine Prise Küstenluft aus den Boxen herüberzuwehen.
Die Musik verlässt sich im Kern auf die bekannten Stärken der Band. Akustikgitarren geben den Ton an, dazu singt der 40-jährige James Skelly mit seiner noch immer jugendlich klingenden Stimme. Während die erste Hälfte des Albums mit Stücken wie dem waschechten Radiohit "Change Your Mind" noch deutlich schwungvoller klingt, drosseln The Coral auf Seite B die Geschwindigkeit.
Angetrieben durch Nick Powers Orgel kommen in Stücken wie "Vacancy" oder "Golden Age" die tanzbaren Seiten der 1960er Jahre zum Vorschein. "Strange Illusions" und "Old Photographs" stimmen durch den zurückgeschraubten Schlagzeugeinsatz deutlich nachdenklichere Töne an. Dazwischen füllen The Coral die Arrangements immer wieder mit Harmoniegesang, den so auch schon die Beatles verwendeten.
Das passt, denn als ein persönliches "White Album" haben The Coral ihr zehntes Studioalbum angekündigt. 19 Jahre nach ihrem selbstbetitelten Debüt, das in Großbritannien eine Platinauszeichnung erhielt, kommt das reichlich spät. Doch möglicherweise brauchte es erst einen Lockdown, der Zeit und Gedanken für ein derartiges Mammutprojekt zuließ. "Coral Island" überzeugt, weil es zwar ambitioniert, aber auch zugänglich klingt.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Blöde Frage: Sind die beiden Herren Skelly nicht eher Brüder, als ein „Geschwisterpaar“?
Blöde Gegenfrage: Ist ein Stiefel nicht auch ein Schuh? Und wird umgekehrt einer daraus?
Er hat ja recht, habs geändert
Trotz 24 Tracks ist das Album doch nur 54 Minuten lang. Epische Länge, die auf eine LP gepasst hätte.
Unschlagbar bei Schlafproblemen
Bin neugierig. Lang her, daß ich die zuletzt gehört hab.