laut.de-Kritik

Psychedelic Folk in epischer Länge.

Review von

Mit "Coral Island" erschaffen The Coral eine eigene Welt. Dafür genügt der britischen Folkrock-Band um die Brüder James und Ian Skelly das herkömmliche Albumformat nicht mehr. In ihrem Falle muss es ein Doppelalbum sein. Auf 24 Stücken führen The Coral durch das Küstenstädtchen "Coral Island", das – je nach Wetterlage – düster wie in "The Shining" oder einladend wie bei den "Goonies" sein kann.

James und Ians Großvater fungiert als Erzähler. Zwischen den Stücken beschreibt er Promenaden, Piers und Straßen. Leidenschaft und Liebe – der hörbar betagte Mann verspricht all das in "Coral Island". "The time has come for me to tell her story / Of how her sweet love dances all around / She's laughing, tells me not to worry / If the darkness falls upon this house", singt James Skelly dann auch im Opener "Lover Undiscovered".

Der psychedelische Folk von The Coral, der auch Indie- und Pop-Elemente zulässt, passt perfekt zum erzählerischen Konzept. "The End Of The Pier", "Mist On The River" und "Autumn Has Come" – allein die Liedtitel beschreiben die Tiefe und Schwere, von der dieses Album handelt. Dabei dient der Schauplatz als ständige Metapher. Mit jedem Takt scheint eine Prise Küstenluft aus den Boxen herüberzuwehen.

Die Musik verlässt sich im Kern auf die bekannten Stärken der Band. Akustikgitarren geben den Ton an, dazu singt der 40-jährige James Skelly mit seiner noch immer jugendlich klingenden Stimme. Während die erste Hälfte des Albums mit Stücken wie dem waschechten Radiohit "Change Your Mind" noch deutlich schwungvoller klingt, drosseln The Coral auf Seite B die Geschwindigkeit.

Angetrieben durch Nick Powers Orgel kommen in Stücken wie "Vacancy" oder "Golden Age" die tanzbaren Seiten der 1960er Jahre zum Vorschein. "Strange Illusions" und "Old Photographs" stimmen durch den zurückgeschraubten Schlagzeugeinsatz deutlich nachdenklichere Töne an. Dazwischen füllen The Coral die Arrangements immer wieder mit Harmoniegesang, den so auch schon die Beatles verwendeten.

Das passt, denn als ein persönliches "White Album" haben The Coral ihr zehntes Studioalbum angekündigt. 19 Jahre nach ihrem selbstbetitelten Debüt, das in Großbritannien eine Platinauszeichnung erhielt, kommt das reichlich spät. Doch möglicherweise brauchte es erst einen Lockdown, der Zeit und Gedanken für ein derartiges Mammutprojekt zuließ. "Coral Island" überzeugt, weil es zwar ambitioniert, aber auch zugänglich klingt.

Trackliste

  1. 1. Welcome To Coral Island
  2. 2. Lover Undiscovered
  3. 3. Change Your Mind
  4. 4. Mist On The River
  5. 5. Pavillions Of The Mind
  6. 6. Vacancy
  7. 7. My Best Friend
  8. 8. Arcade Hallucinations
  9. 9. The Game She Play
  10. 10. Autumn Has Come
  11. 11. The End Of The Pier
  12. 12. The Ghost Of Coral Island
  13. 13. Golden Age
  14. 14. Faceless Angel
  15. 15. The Great Lafayette
  16. 16. Strange Illusions
  17. 17. Summertime
  18. 18. Side D: Telepathic Waltz
  19. 19. Old Photographs
  20. 20. Watch You Disappear
  21. 21. Late Nights At The Borders
  22. 22. Land Of The Lost
  23. 23. The Calico Girl
  24. 24. The Last Entertainer

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