laut.de-Kritik
Frühjahrsputz: Der barocke Indie-Pop hat ausgedient.
Review von Kerstin KratochwillFrühjahrsputz in Montana: Ihren barocken Indie-Pop räumen die Decemberists auf "I'll Be Your Girl" zugunsten elektronischer Klänge in den Keller. Mit Vintage-Synthies und düsteren Indie-Melodien fällt der Renovierungsdrang jedoch nicht allzu rabiat aus.
Das achte Studioalbum der Amerikaner beginnt geradezu flehentlich. Wie es sich für eine Band gehört, die sich nach dem Weihnachtsmonat benannt hat, äußert sie den Wunsch, dass einmal im Leben mal etwas richtig oder anders laufen könnte - frei nach dem Smiths-Mantra "So for once in my life, let me get what I want". Die charakteristischen Folk-Gitarrenklänge ergänzen in "Once In My Life" Synthieflächen und verkünden damit einen kleinen musikalischen Neuanfang.
Während oft eingesetzte, warme Instrumente wie Wurlitzer-Piano oder Hammond-Orgel die düstere Dezemberstimmung der Songs transportierten, sorgen kühle Synthie-Klänge für die dunklen Momente. Als Vorbilder dienen Glam-Größen wie Roxy Music, Synthie-Hymnen-Macher wie Depeche Mode oder die Electropop-Pioniere New Order: Letztere stehen bei dem melancholischen "Cutting Stone" mit flirrendem Synthie-Lauf Pate, die Band um den charismatischen Bryan Ferry schimmert im exzentrisch schillernden "Your Ghost" durch.
Wie ein Fremdkörper im Raum wirkt hingegen "Sucker's Prayer", das in altmodischer Beatles-Manier wie ein Geschenk der Oma aus der neuen schicken Einrichtung heraussticht – wegwerfen mag man es aber eben auch nicht. Bereits die vorab veröffentlichte Single "Severed" verblüffte mit ungewohnt harten und rauen elektronischen Klängen und einem treibenden Arpeggio: Die Achtzigerjahre scheinen irgendwann jeden zu infizieren, nun also auch die Indie-Pop-Veteranen The Decemberists.
Beim Aufräumen behilflich war Produzent John Congleton, der bereits Songs von St. Vincent oder Lana Del Rey schick machte. Wie bei neu eingerichteten Zimmern stellt sich auch bei dieser noch etwas inkohärent wirkenden Platte erst einmal eine gewisse Distanz ein. Man vermisst doch ein wenig die alte Wärme.
5 Kommentare
Gutes Album
ich scroll rauf und runter...aber partout kein Wort über den Albumepos 'Rusalka, Rusalka'?! Puh, das muss ich mal erst verdauen.
Auch wenns jetzt etwas zu synthie zu geht bei Meloys Kapelle so gibs trotzdem viele starke Momente. Rusalka, Rusalka /the Wild Rushes ist z.B.für sich genommen schon so eine magisch typische Decemberists Nummer. Dieser Country/Folk Schmelz Akkorde eines recht simplen Suckers Prayers lässt jeden Winter alt aussehen. Wenn Synthesizer im Fokus treten gibt es sicher ungewohnte Momente mit Schwächen aber es wird nie banal oder gar langweilig. Ich gebe 4,5/5 Punkte mit Fanboyaufschlag.
Erster durchlauf. Stabil. Wie erwartet.
"good evening white guys who weight less than their girlfriends!"