laut.de-Kritik
Der Gaslight Anthem-Fronter auf Tom Waits' Spuren.
Review von Andreas DittmannWäre Elsie kein Album, sondern eine Frau - sie wäre garantiert eine Mörderbraut. Eine, nach der man sich automatisch umdreht. Eine, die dich mit einem einzigen Blick fesselt. Eine geheimnisvolle und düstere Aura würde sie umwehen, die dich schon auf mehreren hundert Metern in ihren Bann zieht. Und dann lernst du sie kennen und bist fasziniert, wie sie spricht, wie sie riecht, wie sie lacht. Eine Traumfrau.
Aber irgendwann merkst du: Elsie ist eigentlich völlig normal, hat eben auch ihre Fehler. Doch das ist dann auch schon egal, weil du bereits über beide Ohren verknallt bist. Und schließlich machen die Macken sie nur noch liebenswerter.
So ist "Elsie". Wenn Brian Fallon mit seiner heiseren Stimme schmachtet, von verflossener Liebe erzählt und mal schreit, mal raunt, kann man gar nicht anders als zu lächeln. Schön ist das. So düster, so dunkel, so charmant und verschmitzt. Am Ende bleibt aber 'nur' eine etwas ruhigere und poppigere Version von The Gaslight Anthem übrig, die man hervorragend in verrauchten Kneipen spielen könnte. An der Bar sitzen dann jede Menge gescheiterte Gestalten, schauen mit heruntergezogenen Mundwinkel in ihr Bierglas und nicken Fallons Texte ab. "You did the very thing baby, that I asked you not to do."
Die Vergleiche mit Gaslight sind berechtigt. Brians Stimme ist einfach zu charakteristisch, um nicht an die New Jersey-Rocker zu denken. "Behold The Hurricane" oder "Go Tell Everybody" hätten in rotzigeren Versionen auch auf einer Platte seiner Hauptband funktioniert. Der Vibe ist da. Das trotzige Fäuste-in-die-Luft-Feeling zum Teil auch, wird aber durch die traurige und schummrige Stimmung selten aufgenommen.
"Elsie" ist aber mehr als ein B-Seiten-Album. Das liegt nicht nur an der Qualität der Songs oder der musikalischen Abwechslung, sondern auch an der Vielzahl an Instrumenten, die Ian Perkins und Fallon auf die Platte gepackt haben: Orgel, Streicher, Klavier oder Drums. Daneben grummelt der Bass, die Gitarren schrammeln sanfte Akkorde oder spielen melancholische Melodien.
"I Witnessed A Crime" groovt angenehm über eine Orgelmelodie dahin. Brian nuschelt ins Mirko, während irgendwo im Hintergrund eine Slidegitarre vor sich hin klimpert. Ein ruhiger Walzerschritt schunkelt in "Blood Loss". Im Refrain stolpern verzerrte Akkorde dazu, während Brian fast schon schreit: "I tell you when it's over, I tell you when you can leave!"
Der selbst gewählte Vergleich mit Tom Waits kommt am ehesten noch bei "Mary Ann" zu tragen. Brian schreit sich kratzig über einem ruppigen Beat mit dreckig angezerrten Gitarren. Die Orgel unterbricht das Rumpelschlagzeug für den Refrain. Eine Harmonika trällert auch noch, bevor ein Gitarrensolo hereinbricht, und der Song mit gejaulten "Mh"s beendet wird.
"Nobody knows you like I" singt Brian in "Sugar". Und man glaubt ihm jedes Wort. Genauso wie man ihm die kitschige Zeile "See, all I can do, is thinking 'bout you" erlaubt. Er darf das, weil kaum ein anderer solche Texte mit dieser Inbrunst und Kaputtheit singt.
Gaslight Anthem-Fans, die mit "American Slang" Probleme hatten, werden mit "Elsie" kaum warm werden. Zu pathetisch und glatt klingt der Sound in weiten Teilen. Punkig wirds ohnehin nicht, eher noch poppiger und pomadiger. Ist das schlimm? Nein, überhaupt nicht. "Elsie" ist nicht perfekt, aber eben bildhübsch.
4 Kommentare
was zum teufel hat diese durschnittliche popmusik mit tom waits zu tun? der hut aufm cover?
@aleister (« was zum teufel hat diese durschnittliche popmusik mit tom waits zu tun? der hut aufm cover? »):
Jemanden mit Tom Waits vergleichen, ist meist eh immer ....
Tom Waits? Wo? Da ist aber jemand anmaßend. Aber wer sowas von sich gibt: "Evolution? (...) Du glaubst doch wohl nicht, dass wir vom Affen abstammen!", der darf auch das gern glauben.
Diese ganzen Tom Waits Vergleiche sind mir relativ wurscht. Wem TGA gefällt oder wem Rock alla The Boss gefällt, sollte sich die Scheibe jedenfalls mal anhören!